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Schickedanz war seit [[1932]] Mitglied der [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]] und wurde [[1935]] vom NS-Oberbürgermeister [[Franz Jakob]] als Fürther [[Stadtrat]] eingesetzt. Die anlässlich von Korruption rund um die Arisierungen eingesetzte sogenannte ''Göringkommission'' bezeichnet Schickedanz in ihren Berichten als „Günstling der Gauleitung“. Die Vereinigten Papierwerke, die [[Brauerei Geismann]] (siehe dort: »[[Brauerei Geismann#Übernahme durch Schickedanz|Übernahme durch Schickedanz]]«), weitere Firmen und attraktive Grundstücke konnte Schickedanz, wahrscheinlich aufgrund seiner Parteizugehörigkeit während des NS-Regimes und der guten Kontakte zur Gauleitung, weit unter dem tatsächlichen Wert von den ehemals überwiegend jüdischen Besitzern im Zuge der Arisierung erwerben. Ein wichtiger Partner bei diesen Unternehmensübertragungen war der Direktor der Dresdner Bank in Fürth [[Hans Böhner]], der im Gegenzug lukrative Positionen als Berater und Aufsichtsratsvorsitzender in Schickedanz' Imperium erhielt.
 
Schickedanz war seit [[1932]] Mitglied der [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]] und wurde [[1935]] vom NS-Oberbürgermeister [[Franz Jakob]] als Fürther [[Stadtrat]] eingesetzt. Die anlässlich von Korruption rund um die Arisierungen eingesetzte sogenannte ''Göringkommission'' bezeichnet Schickedanz in ihren Berichten als „Günstling der Gauleitung“. Die Vereinigten Papierwerke, die [[Brauerei Geismann]] (siehe dort: »[[Brauerei Geismann#Übernahme durch Schickedanz|Übernahme durch Schickedanz]]«), weitere Firmen und attraktive Grundstücke konnte Schickedanz, wahrscheinlich aufgrund seiner Parteizugehörigkeit während des NS-Regimes und der guten Kontakte zur Gauleitung, weit unter dem tatsächlichen Wert von den ehemals überwiegend jüdischen Besitzern im Zuge der Arisierung erwerben. Ein wichtiger Partner bei diesen Unternehmensübertragungen war der Direktor der Dresdner Bank in Fürth [[Hans Böhner]], der im Gegenzug lukrative Positionen als Berater und Aufsichtsratsvorsitzender in Schickedanz' Imperium erhielt.
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Nach 1945 bestand zunächst gesteigertes Interesse an der Beleuchtung Schickedanz' Rolle während des Dritten Reiches. Ihm war bis 1949 Berufsverbot auferlegt worden, sein Vermögen war größtenteils beschlagnahmt und es war ihm verboten, seine Unternehmen zu leiten und zu betreten.<ref name="SP">[http://www.gustav-schickedanz-stiftung.de/stifter.htm Portrait Gustav Schickedanz] auf den Internetseiten der Gustav-Schickedanz-Stiftung</ref> Im Laufe der Zeit verloren vor allem die USA wegen des heraufziehenden Kalten Krieges ihr Interesse an den Verfahren und die westdeutsche Politik bemühte sich um die Wirtschaftsgrößen, die für den Wiederaufbau als notwendig empfunden wurden. In Schickedanz' Fall war es so z. B. der damalige Bayerische Wirtschaftsminister [[Ludwig Erhard|Dr. Ludwig Erhard]], der ihm ein Zeugnis als harmloser „Mitläufer“ ausstellte. So wurde das Verfahren gegen ihn unter großem Druck von außen mit einem Freispruch zu Ende geführt. Erst im April [[1949]] konnte Gustav Schickedanz, dessen Berufsverbot aufgehoben wurde, rehabilitiert in die Firma zurückkehren<ref name="SP"/>, deren treuhänderische Verwaltung, nicht zum Nachteil von Schickedanz, in den Händen ehemaliger Angestellter lag.
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Nach 1945 bestand zunächst gesteigertes Interesse an der Beleuchtung Schickedanz' Rolle während des Dritten Reiches. Ihm war bis 1949 Berufsverbot auferlegt worden, sein Vermögen war größtenteils beschlagnahmt und es war ihm verboten, seine Unternehmen zu leiten und zu betreten.<ref name="SP">[http://www.gustav-schickedanz-stiftung.de/stifter.htm Portrait Gustav Schickedanz] auf den Internetseiten der Gustav-Schickedanz-Stiftung</ref> Im Laufe der Zeit verloren vor allem die USA wegen des heraufziehenden Kalten Krieges ihr Interesse an den Verfahren und die westdeutsche Politik bemühte sich um die Wirtschaftsgrößen, die für den Wiederaufbau als notwendig empfunden wurden. In Schickedanz' Fall war es so z. B. der damalige bayerische Wirtschaftsminister [[Ludwig Erhard|Dr. Ludwig Erhard]], der ihm ein Zeugnis als harmloser „Mitläufer“ ausstellte. So wurde das Verfahren gegen ihn unter großem Druck von außen mit einem Freispruch zu Ende geführt. Erst im April [[1949]] konnte Gustav Schickedanz, dessen Berufsverbot aufgehoben wurde, rehabilitiert in die Firma zurückkehren<ref name="SP"/>, deren treuhänderische Verwaltung, nicht zum Nachteil von Schickedanz, in den Händen ehemaliger Angestellter lag.
    
Bis heute ist die Rolle von Gustav Schickedanz im Dritten Reich und sein Verhalten bei der Arisierung jüdischen Eigentums in Fürth und Nürnberg höchst umstritten. Während sich die offizielle Firmengeschichtsschreibung dem Thema lange vollständig verschloss und das Kapitel aussparte, so etwa Theo Reubel-Ciani<ref name="Reubel-Ciani">Theo Reubel-Ciani: "Gustav Schickedanz und sein Jahrhundert. Zum 100. Geburtstag des Quelle–Gründers." </ref>, ging man später wieder zur Argumentationslinie aus dem Entnazifizierungsverfahren über, Schickedanz' Rolle auf die eines Mitläufers zu beschränken, so z. B. der von der Familie Schickedanz mit der Biographie beauftragte Erlanger Historiker Gregor Schöllgen.<ref name="Schöllgen">vgl. Gregor Schöllgen: Gustav Schickedanz - Biografie eines Revolutionärs, Berlin Verlag, Berlin 2010</ref> Claus W. Schäfer, seinerseits Inhaber eines Lehrstuhls für Neuere Geschichte an der Universität Erlangen, sieht in einem Vortrag beim [[Geschichtsverein Fürth|Fürther Geschichtsverein]] die Schuld weniger bei Schickedanz als bei der Dresdner Bank; Schickedanz' NSDAP-Mitgliedschaft und Ratstätigkeit in der NS-Zeit erwähnt er mit keinem Wort.
 
Bis heute ist die Rolle von Gustav Schickedanz im Dritten Reich und sein Verhalten bei der Arisierung jüdischen Eigentums in Fürth und Nürnberg höchst umstritten. Während sich die offizielle Firmengeschichtsschreibung dem Thema lange vollständig verschloss und das Kapitel aussparte, so etwa Theo Reubel-Ciani<ref name="Reubel-Ciani">Theo Reubel-Ciani: "Gustav Schickedanz und sein Jahrhundert. Zum 100. Geburtstag des Quelle–Gründers." </ref>, ging man später wieder zur Argumentationslinie aus dem Entnazifizierungsverfahren über, Schickedanz' Rolle auf die eines Mitläufers zu beschränken, so z. B. der von der Familie Schickedanz mit der Biographie beauftragte Erlanger Historiker Gregor Schöllgen.<ref name="Schöllgen">vgl. Gregor Schöllgen: Gustav Schickedanz - Biografie eines Revolutionärs, Berlin Verlag, Berlin 2010</ref> Claus W. Schäfer, seinerseits Inhaber eines Lehrstuhls für Neuere Geschichte an der Universität Erlangen, sieht in einem Vortrag beim [[Geschichtsverein Fürth|Fürther Geschichtsverein]] die Schuld weniger bei Schickedanz als bei der Dresdner Bank; Schickedanz' NSDAP-Mitgliedschaft und Ratstätigkeit in der NS-Zeit erwähnt er mit keinem Wort.
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Wesentlich kritischer äußern sich z. B. die Historiker Peter Zinke vom ''Nürnberger Institut für NS-Forschung und jüdische Geschichte des 20. Jahrhunderts'' und Dr. Eckart Dietzfelbinger vom ''Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände'' zur Rolle Gustav Schickedanz und bemängeln die bis heute unvollständige Aufarbeitung des Themenkomplexes. Zinke sieht die Erwerbungen vormals jüdischen Eigentums in engstem Zusammenhang mit Schickedanz guten Kontakten zur Gauleitung<ref name="Zinke">Peter Zinke: "Er drohte wieder mit der Gauleitung", in nurinst 2008, Jahrbuch des Nürnberger Instituts für NS-Forschung und jüdische Geschichte des 20. Jahrhunderts</ref> und Dr. Dietzfelbinger sieht im Fall Schickedanz ein Musterbeispiel des Profiteurs der einträglichen Arisierung, und der Harmlosigkeit der "Mitläuferfabriken" (Spruchkammern) nach Kriegsende, die beide auf einem gesellschaftlichen Konsens beruhten und für "''haarsträubende personelle und mentale Kontinuitäten sorgten''."<ref>Dr. Eckart Dietzfelbinger: "Warum braune Flecken kein Makel blieben: Anmerkungen zum Fall Gustav Schickedanz" in transit nürnberg 2/08</ref>
 
Wesentlich kritischer äußern sich z. B. die Historiker Peter Zinke vom ''Nürnberger Institut für NS-Forschung und jüdische Geschichte des 20. Jahrhunderts'' und Dr. Eckart Dietzfelbinger vom ''Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände'' zur Rolle Gustav Schickedanz und bemängeln die bis heute unvollständige Aufarbeitung des Themenkomplexes. Zinke sieht die Erwerbungen vormals jüdischen Eigentums in engstem Zusammenhang mit Schickedanz guten Kontakten zur Gauleitung<ref name="Zinke">Peter Zinke: "Er drohte wieder mit der Gauleitung", in nurinst 2008, Jahrbuch des Nürnberger Instituts für NS-Forschung und jüdische Geschichte des 20. Jahrhunderts</ref> und Dr. Dietzfelbinger sieht im Fall Schickedanz ein Musterbeispiel des Profiteurs der einträglichen Arisierung, und der Harmlosigkeit der "Mitläuferfabriken" (Spruchkammern) nach Kriegsende, die beide auf einem gesellschaftlichen Konsens beruhten und für "''haarsträubende personelle und mentale Kontinuitäten sorgten''."<ref>Dr. Eckart Dietzfelbinger: "Warum braune Flecken kein Makel blieben: Anmerkungen zum Fall Gustav Schickedanz" in transit nürnberg 2/08</ref>
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Eigenartig wirkt vor diesem Hintergrund die über 20jährige Nutzung des NS-Propagandabaus [[Wikipedia: Kongresshalle (Nürnberg)|Kongresshalle]] als Hauptlager des Versandhauses Quelle.
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Eigenartig wirkt vor diesem Hintergrund die über 20-jährige Nutzung des NS-Propagandabaus [[Wikipedia: Kongresshalle (Nürnberg)|Kongresshalle]] als Hauptlager des Versandhauses Quelle.
    
== Stiftungen ==
 
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