Baulinienprojekt Nr. 115

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Baulinienprojekt Nr. 115 war der Versuch der städtischen Verwaltung, mit ordnungsrechtlichen Mitteln die damals bestehende Sackgasse Engelhardtstraße mit dem Stadtpark zu verbinden.

Verhandlungen mit Baumeister Leo Gran[Bearbeiten]

Im Jahr 1906 wurden im Stadtbauamt Überlegungen zur Verbindung der Engelhardtstraße mit dem alten Friedhof angestellt. Der 1. Bürgermeister Kutzer beauftragte den Vorstand des Gemeindekollegiums Ehrmann und den Magistratsrat Mailaender mit dem Grundstückseigentümer Leo Gran über den Erwerb seines Anwesens zu verhandeln.[1] Die Sache zog sich, aber am 14. März 1907 teilte Mailaender dem 1. Bürgermeister mit, dass Leo Gran bereit sei, die benötigte Fläche von 2254 Quadratfuß oder 192 m2 für 3 Mark pro Quadratfuß abzutreten, wenn er im Gegenzug zur Arrondierung seines Restgrundstücks für eine künftige Bebauung eine angrenzende städtische Fläche geringer Größe zu gleichem Preis erhalten würde. Obwohl Stadtbaurat Holzer für eine sofortige Abtretung der städtischen Fläche plädierte, verlief offenbar die Sache erstmal im Sande.

Im Sommer 1909 hatten die städtischen Planungen zur Umgestaltung des alten Friedhofs zu einer Stadtparkanlage eine neue Stufe erreicht, da das Stadtbauamt der Verschönerungskommission entsprechende Vorschläge zu unterbreiten hatte. Holzer entwickelte dazu in Absprache mit Babée eine Wege- und Bebauungskonzeption, die er mit Schreiben vom 20. Juli 1909 einschließlich Skizzen und Plänen an Leo Gran zu dessen Sommerfrische nach Rottach am Tegernsee (per Adresse Ignatz Greif) sandte. Er führte im Hinblick auf eine künftige Verkehrserschließung des Parks über die Engelhardtstraße aus: „Da bei der Wegeführung wegen der notwendigen Entwässerungsanlagen, Wasserleitungsröhren u. s. w., strenge darauf zu sehen ist, dass mit solchen technischen Einrichtungen Gräberfelder nicht durchschnitten werden, so ergibt sich ganz von selbst, dass diese Zufuhrstr. die alte Leichenfuhre, die in der Verlängerung der Birkenstr.[2] zu der südlichen Giebelseite des alten Leichenhauses führte, sein muss. Es wäre nun zweckmäßig, wenn dieses Zufuhrsträsschen, das direkt an ihren Besitz anschneidet, durch ihr Anwesen durchgeführt werden könnte.“ Um dennoch eine Bebauung des Privatgrundstücks zu ermöglichen, schlug Holzer vor, hier einen Torweg mit einer Breite von 6 m zu schaffen, der im I. Stock überbaut werden dürfe.
Leo Gran antwortete mit Schreiben vom 28. Juli. Er bat um Verständnis, dass er „einen Entscheid aus ganz kurzer Hand“ nicht treffen wolle, da er in Rottach ohne jede Unterlage sei. Er habe aber Auftrag gegeben, ihm den umfangreichen Akt über die damaligen Verhandlungen und den Ankauf von der Stadtgemeinde nachzusenden, um sich mit der Materie vertiefend zu befassen. Zugleich gab er an, dass von seiner Seite schwerwiegende Gründe gegen eine Aufteilung des Grundstücks sprechen, er aber eine genaue Prüfung vornehmen wolle. Nun aber drängte Stadtbaurat Holzer mit Schreiben vom 10. August auf eine Entscheidung und warnte: „Sollte eine gegenseitige Vormerkung nicht zustande kommen können, so wird sich für die Stadtgemeinde wohl nichts anderes erübrigen, als in dem von mir bezeichneten Sinne ein Baulinienprojekt[3] für den Besitz Ew. Hochwohlgeboren aufzustellen.“

Mit zwei längeren Schreiben vom 12. und 14. August teilte Gran vorbehaltlich einer genauen Prüfung seiner alten Unterlagen, auf die er noch nicht im vollem Umfang zurückgreifen konnte, im Fazit mit: „Der von Ihnen geplanten Auftheilung meines Anwesens № 10 der Engelhardtstraße muß ich leider meine Zustimmung versagen, da ich durch diese einen ganz erheblichen Schaden erleiden würde.“ Ausführlich legte Gran seine Position dar. Die auf seinem Grundstück (Plan-Nr. 1023 1/3 und 1023 1/11) vor nicht so langer Zeit errichteten Gebäude hatten Kosten von 18. - 20.000 Mark verursacht. Grundstück und Gebäude sind an seinen Nachfolger im Geschäft und Neffen, Konrad Müller, vermietet. Das Anwesen wirft eine 4-prozentige Rente ab, die er verlieren würde. Als Standort für ein Baugeschäft mit „Bureau, Lager, Stallung pp. dürfte es wohl kaum davon Günstigeres geben, gewissermaßen in Mitte der Stadt und doch in ruhiger, bequemer Lage.“ Neben der Aufgabe einer sicheren Rente bestünden nur zwei Alternativen: das Grundstück selbst bebauen oder versuchen zu verkaufen. Nachdem er aber sein Baugeschäft aus Gesundheitsgründen aufgegeben hatte, will er nicht wieder von vorn anfangen und „unter gar keinen Umständen“ seinen Immobilienbesitz in Fürth vergrößern. Weiter stellte er klar: „Niemand wird mir zumuten können aus einer, in meinem Besitz befindlichen, kleinen, für mich ganz klaren und rentablen Sache ein 200.–220.000 Mark-Unternehmen zu machen, das in seinem Erfolg sehr zweifelhafter Natur sein dürfte. Eine solche Zumuthung dürfte die Stadtgemeinde ihren Bürgern nicht auferlegen, ebensowenig dürfte dies die Aufsichtsbehörde, die Regierung oder das Ministerium thun!“ Weiter war er der Ansicht, dass beide Grundstücke vollständig unverkäuflich sind. Die einzigen „Reflektanten“ auf Häuser seien Bäcker, Metzger, Wirte, allenfalls Händler und Kleinindustrielle, die aber bei dieser Lage vollkommen ausscheiden würden. Neben diesen persönlichen Gründen sah Gran eine Reihe sachlicher Gründe, die gegen das Projekt sprachen. Diese führte er aber in seinem Schreiben nicht an, sondern wollte sie sich für ein persönliches Gespräch aufsparen.

Nach Rückkehr aus der Sommerfrische teilte Leo Gran am 20. September 1909 dem Stadtbaurat Holzer mit, dass er für eine Unterredung in bewusster Sache bereit sei. Dieser antwortete 8 Tage später distanziert, er habe inzwischen bei der Ausarbeitung des Projekts den vorgeschlagenen Weg verlassen und „schlage dem Kollegium zunächst lediglich die Herstellung provisorischer Verbindungen zur Engelhardtstraße vor“.[1]

Entwicklung des Baulinienprojekts[Bearbeiten]

Erst nach dem Tod von Leo Gran kommt wieder Bewegung in die Angelegenheit; der Aufteilungsgedanke von Otto Holzer für das Grundstück bleibt aber weiter Richtschnur im Projekt. Am 26. Mai 1911 beauftragte Oberbürgermeister Kutzer das Stadtbauamt, auf Grundlage des Holzer’schen Teilungsprinzips die Flächengrößen der sich ergebenden Bauplätze sowie der zur Straße fallenden Flächen zu ermitteln und planlich darzustellen. Das Stadtbauamt liefert am 29. Mai. Danach ergab sich:

Teilflächen der Grundstücksaufteilung

1. Größe des Gran’schen Besitzes

Plan-Nr. 1023 1/11: 500 m2
Plan-Nr. 1023 1/3: 300 m2

2. Größe der sich ergebenden Bauplätze

Bauplatz a (Gebäude und Hofraum): 370 m2
Bauplatz b (ohne die beiden von der Stadtgemeinde hinzukommenden Dreieckflächen): 265 m2

3. Größe des an die Stadtgemeinde abzutretenden Landes

Durchfahrt c: 125 m2
davon dürfen ab 1. Stock überbaut werden: 42 m2
Wegstreifen d: 40 m2

4. Größe des von dem gemeindlichen Besitz an Gran abzutretenden Lands

Fläche in der Engelhardtstr. e: 18 m2
Dreieck f: 13 m2

Das Stadtbauamt stellte mit Datum vom 20. Januar 1912 einen Entwurf für ortspolizeiliche Vorschriften auf Grundlage der Artikel 73 und 101 (2) und 101 (3) des Polizeistrafgesetzbuches vom 26. Dezember 1871[4] i. d. F. vom 22. Juni 1900 für das Gebiet zwischen Engelhardtstraße und dem Stadtpark – bezeichnet als Baulinienprojekt Nr. 115 – auf. Die Bau- und Verwaltungskommission empfahl am 25. September 1912 diese Vorschrift zu erlassen, der Stadtmagistrat (Unterschriften Kaufmann, Zizler) stimmte mit Beschluss vom 3. Oktober zu.

Unter der Mitteilung, dass Verhandlungen über den Ankauf des Gran’schen Besitzes (nunmehr Frau Lona Gran und Kinder) geführt wurden, erhielten die Herren Gemeindebevollmächtigten im April 1913 den Entwurf des Baulinienprojekts Nr. 115 zur Kenntnis- und Stellungnahme. Dieses Gremium stimmte dem Magistratsbeschluss am 22. April zu. Nun legte die Stadt diese Bebauungsvorschriften mit Bericht vom 7. Mai 1913 der kgl. Regierung von Mittelfranken mit der Bitte um Erteilung der Vollziehbarkeitserklärung vor. Die Ansbacher Regierung erhob mit Schreiben vom 24. Mai keine Einwendungen, setzte aber die Vollziehungserklärung aus, bis das Baulinienprojekt ausgereift sei. In den zugehörigen Prüfbemerkungen wird sie deutlicher: „Das öffentliche Interesse erfordert indessen nicht gerade die auf dem Baulinienentwurf № 115 vorgesehene Straßenführung; es wäre ihm schon dadurch Genüge getan, daß die notwendige Verbindung der öffentlichen Verkehrsflächen durch eine mäßige Anschneidung des Gran’schen Grundstückes Pl. № 1023 1/3 erzielt wird. Es dürfte hienach ein neuer Baulinienentwurf aufgestellt werden, wenn es nicht gelingen sollte, mit Gran vor der Festsetzung des vorliegenden Entwurfes № 115 eine Vereinbarung über die Grundabtretung zu erreichen.“

Der Immobilienmakler Egmont Offenbacher unterbreitete im Auftrag von Witwe Appollonia Gran & Kinder dem Stadtmagistrat am 15. Juli 1913 ein Kaufangebot für das Anwesen Engelhardtstraße 10. Für 9600 Quadratfuß Grundfläche (818 m2), Mieteingang 1.200 Mark im Jahr, Brandversicherung 15.420 Mark belief sich der geforderte Preis für das hypothekenfreie Grundstück auf 45.000 Mark. Interessant ist die gutachterliche Äußerung des neuen Stadtbaurats Zizler vom 28. des Monats, da hier Distanz zu den Plänen des Vorgängers erkennbar wird: „Ich stehe heute noch auf dem Standpunkte, daß wir den seinerzeit von mir angeregten Ankauf des nördlichen Teils des Grundstücks bei günstiger Gelegenheit näher treten sollten, denn das Holzer’sche Baulinienprojekt (Bebauung des Grundstückes in der Weise, daß über einen Torbogen hinweg bebaut wird) ist zwar sehr schön, aber bei der Unlust der Besitzer zu bauen, erst vielleicht in sehr später Zeit durchführbar. Bis dorthin müßte also die Engelhardtstraße Sackgasse bleiben.“ Vom Kauf des gesamten Grundstücks riet er ab, weil es für gemeindliche Zwecke ungeeignet sei.

Egmont Offenbacher ließ die Stadt am 11. August 1913 wissen, dass seine Auftraggeber nicht abgeneigt sind, den Teil ihres Besitzes zu verkaufen, der zu einer Verbindung von Park und Engelhardtstraße nötig ist. Bedingung sei, dass nur eine am Nordende gelegene Fläche veräußert wird; hinter der projektierten Straße soll kein Gran’scher Grundbesitz verbleiben. Die Stadt solle die Fläche genau bezeichnen und den Kaufpreis nennen, den sie zu bezahlen bereit wäre. Das Stadtbauamt sollte nun die erforderliche Flächenangabe liefern. Erst am 27. Oktober teilte man mit, dass ca. 215 m2 für die Straße benötigt werden. Offenbar wussten die städtischen Stellen wieder nicht, wie sie weiter vorgehen wollen (auf dem Aktenstück reihen sich Wiedervorlagetermine ohne Ergebnisse).

Am 30. April 1914 beschloss der Magistrat, „mit den Gran’schen Relikten weiter zu verhandeln bzgl. Baul. Proj. № 115.“ Inzwischen lag die Sache auf dem Tisch des neuen Oberbürgermeisters Dr. Wild. Er beauftragte am 7. Mai das Bauamt, ihm dazu eine Verfügung auszuarbeiten und vorzulegen. Nach zwei ergebnislosen Wiedervorlagen endet die Akte mit dem Vermerk „einstweilen aufgehoben, im Tagebuch Vermerk machen lassen“. Da hatte der Erste Weltkrieg alles zum Erliegen gebracht. In der Akte des Baulinienprojekts Nr. 115 steht am Ende mit Datum vom 27. August 1931 der lakonische Vermerk von Registratur I: „Kam nicht zur Durchführung“.[5]

Siehe auch[Bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. 1,0 1,1 Akten des Stadtmagistrats Fürth: Kaufverhandlungen mit Leo Gran wegen der Grundstücke Pl. № 1023 1/11 und 1023 1/3 zwecks Gewinnung einer Einfahrt zum Stadtpark; Archivakte StadtAFÜ Sign.-Nr. AGr. 9/826
  2. heute Otto-Seeling-Promenade
  3. öffentliche bauordnungsrechtliche Vorschrift für Größe und Gestalt eines Bauwerks; hierbei darf das Gebäude nicht hinter der Baulinie zurückbleiben, sondern die betreffende Außenwand muss exakt an der Baulinie liegen
  4. Polizeistrafgesetzbuch für das Königreich Bayern vom 26. Dezember 1871 - online
  5. Akten des Stadtmagistrats Fürth: Baubeschränkungsvorschriften für das Baulinienprojekt Nr. 115; Archivakte StadtAFÜ Sign.-Nr. AGr. 6/48

Bilder[Bearbeiten]