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Umfrage der »Pennalen« ergab:

Militär: Nie ein Ideal, sondern Notwendigkeit Soldatentum kein Heldentum mehr »Baut uns lieber Schulen« Behandlung der sogenannten »Kriegsverbrecher« noch nicht vergessen Aber auch »Sicherheit Deutschlands geht vor« »Na endlich werden wir auch einmal nach unserer Meinung gefragt«, denken wohl die Handelsschüler auf dem Bild links. Auf ihrer weiteren »Photojagd« platzten unsere Reporter mitten in eine Abstimmung einer Oberrealschulklasse: 3 Stimmen für und 3 Stimmen gegen die Wiederbewaffnung, typisch für die Uneinigkeit der Jugend in dieser Frage (Kalter Krieg!). »Heißen Krieg« demonstrierte man gleich danach und suchte mit »sanfter Gewalt« die Richtigkeit seiner Meinung zu beweisen. Es ist wie bei den Großen: um den Frieden zu verteidigen führt man Krieg. Welche Paradoxie. Etwas friedlicher verlief die Abstimmung im Mädchenrealgymnasium. Eifrig dis­ kutierten die jungen Damen das Für und Wider. Und ganz rechts bringt ein Oberrealschüler angestrengt überlegend seine Ansichten zu Papier.

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Stundenlang Maren unsere Redaktionsmitglieder beschäftigt, die Flut und Vielfalt der ausge­ füllten Fragebogen zu zählen, zu sichten und die treffendsten Antworten auszu Mahlen. Wir ge­ ben im folgenden einige der typischen Stellungnahmen, teÜMeise im Auszug oder gekürzt Mieder. Sie stellen die Gedanken der Verfasser, nicht die der „Pennalen“ dar. Frage: Soll sich die Jugend mit dem Thema befassen ? AntMort: 96 Prozent „Ja“; 4 Prozent „Nein“ Ein 20 jähriger lehnt die Fragebogenmethode an sich ab, da „der zur Verfügung stehende Raum viel zu gering ist“. Ehrlich erscheint die Meinung eines 16 jährigen OR-Schülers: „Als Jugendlicher vom 16. bis zum 20. Le­ bensjahr hat keiner soviel Lebenserfahrung, um über das an ihn herangetragene Problem der Wiederbewaffnung schon so frühzeitig eine Entscheidung zu treffen.“ Ein anderer befürchtet: „Hier werden zum großen Teil nur allgemein verbreitete oder von Profes­ soren geäußerte Meinungen gesammelt.“

Frage: Bist du für Militär und für Wieder­ bewaffnung? Antwort: 65 Proz. „Ja“; 35 Proz. „Nein“ Typisch für eine Vielzahl der Befürworter der Wiederbewaffnung ist die Meinung eines Oberschülers: „Solange wir unbewaffnet sind, ist ein Angriff vom Osten ziemlich sicher. Weshalb hätte sonst der Russe die Ratifizierung der Pariser Verträge mit allen Kräften verhindern wollen, wenn er so harmlos wäre, wie er vorgibt? Er darf uns nicht unvorbereitet finden!“ „Es gehört zu einem Staat“, schreibt ein 17 jähriger „eine Armee zu besitzen. Sie wird zwar keine große Schlagkraft haben, aber sie ist da.“ — „Ich bin an und für sich gegen ein Militär“, meint ein anderer „aber aus Gründen der Vernunft muß ich diese Frage doch bejahen. Es ist doch sehr leicht möglich, daß eines Tages eine Bedrohung aus dem Osten ein­

tritt. Deutschland wäre dann dieser Macht fast schutzlos ausgeliefert. „Deutschland kann“, glaubt eine 18 jährige Schülerin „nicht ewig auf amerikanische Hilfe hoffen. Bei einem Rückzug der alli­ ierten Truppen kann sich Westdeutschland unmöglich behaupten. Die Folge wäre eine gefährliche Unabhängigkeit von den USA.“

Nein zum Militär, weil nein zur Politik der Stärke „Eine Bewaffnung“, begründet ein 18 jähri­ ger Gymnasiast seine Ablehnung der Wie­ derbewaffnung, „darf eigentlich nur zur Verteidigung eines Landes durchge­ führt werden. Im Sinne der Westeuropäi­ schen Union fußt eine solche Bewaffnung aber auf dem Prinzip einer Politik der Stär­ ke. Wir befinden uns aber heute in einer Lage, wo zwei Machtblöcke hart aufeinan­ derstoßen. Die Politik der Stärke führt not­ gedrungen zum Übergang des kalten in den heißen Krieg. Das bedeutet im Fall einer Auseinandersetzung physisch gesehen den Untergang des Abendlandes, psychisch gesehen, auch ohne eine Auseinandersetzung, einen Dauerzustand der Angst, des Hasses. Man spricht in großen Tönen von einer Ko-existcnz. Mit einer Politik der Stärke ist diese nicht möglich. ... Es ist viel wich­ tiger, um eine Beseitigung der Angst vor einer gegenseitigen Aggression bemüht zu sein, als an Aufrüstung zu denken.“ Ähnlich äußerte sich ein 17 jähriges Mäd­ chen und führt einen weiteren Grund an: „Außerdem denke man an die Haltung der Deutschen und der Besatzungsmächte in den

Jahren 1945—1948: ,Nie wieder Krieg und deutsches Militär!“ “ Bombennächte von Nürnberg noch nicht vergessen Aufschlußreich dürfte auch folgende Ant­ wort c n s 18 jährigen Gegners der Wieder­ bewaffnung sein: „Die Ruinen des letzten Krieges sind noch nicht verschwunden, unzählige Menschen haben Hab und Gut, Heimat verloren, un­ zählige sind in der Gefangenschaft umge­ kommen (Worms, Bad Kreuznach). Ein Heer von Rentnern, Invaliden, Kriegsgeschädig­ ten wartet seit 10 Jahren auf Unterstüt­ zung. Die Wirtschaft steht noch nicht auf festen Füßen. Die Bombennächte von Nürn­ berg, Hamburg, Dresden, Würzburg, die Behandlung der Kriegsgefangenen der Ost­ deutschen, der übrigen Zivilbevölkerung, die Tage von Hiroshima und Nagasaki, die neu­ esten Versuche mit H-, Co-, N-Bomben usw., das alles dürfen und können wir nicht vergessen!“ Noch einige kurze, prägnante „Nein“-Begründungen: „Mein Vater war drei Jahre im Krieg und drei Jahre in englischer Ge­ fangenschaft. Das sagt wohl alles!“ — „Es würde sich wahrscheinlich zeigen, daß wir sowieso nur als .Kanonenfutter“ dienen wür­ den!“ — „Wir waren schon einmal Kriegs­ verbrecher!“ Frage: Willst du Soldat (Wehrmachtshel­ ferin) merden? Antwort: 74 Proz. „Nein“; 26 Proz. „Ja“ Charakteristisch für einen hohen Prozent­ satz der „Ne!n“-Begründungen ist die Mei­ nung eines 17 jährigen: „Wenn es nötig ist. Sonst lasse ich den anderen den Vortritt.“ Andere schreiben: „Ich will k in Totschie­ ßer werden!“ — „Soldatentum ist kein Heldentum mehr!“ — Fortsetzung Seite 10