______________________ Feuilleton
Der rätselhafte Huber (Fortsetzung)
stecken und plauderte so geläufig, als seien
diese scharfen Konsonanten von der Natur
eigentlich garnicht vorgesehen.
Niemals wieder herrschte in der Klasse eine
so gespannte Aufmerksamkeit, wie damals
in unserer 3 a in den Geographie-. Deutschu. Geschichtsstunden. Was sage ich: Deutsch
und Geschichte? Zwar lehrte sie Huber als
Fach, er konnte sie aber nicht aussprechen.
Die Geschichte hieß bei ihm schlechtweg
Vergangenheit. Das war gut, das war völlig
unauffällig, wir hatten bisher nicht das min
deste dahinter gefunden. Wie aber sagte er
eigentlich für Deutsch? Er vermied es tun
lichst. so schien cs. es war ihm selber nicht
ganz geheuer damit. Aber er hatte auch da
für einen Ausweg gefunden. Deutsch, das
war der Mntterlaut. Und er sprach dieses
Wort, wenn er es denn gebrauchen mußte,
in einem etwas schwärmerischen gehobenen
Ton, als könne er sein geliebtes Deutsch
garnicht innig und poetisch genug benen
nen.
Ja, er war ein Phänomen. Was verschlugen
da gewisse Bevorzugungen, die er in der Ge
schichte allen Männern ohne s angedeihen
ließ? Selbstverständlich stand er auf der
Seite der Athener, nicht der Spartaner. (Ich
übrigens auch.) Von Phillipp, dem Vater,
hörten wir wesentlich mehr als von Ale
xander, dem Sohne, den er schlechthin den
Eroberer nannte, eine durchaus hinreichende
Bezeichnung. Für Hannibal war Huber rich
tig begeistert: für Scipio hatte er nicht das
geringste übrig. Dagegen schnitten selbst Ge
stalten wie Nero verhältnismäßig gut bei
ihm ab. Daß ihm in der deutschen Ge
schichte Pippin der Kleine mehr zusagte als
Kar) der Große mochte auch darin seinen
Grund haben, daß Huber, wie alle Männer
von kleiner Statur, die Großen nicht recht
leiden mochte. Doch besaß dieser Karl der
Große, bei Huber schlechtweg Karl oder
Karl der Gewaltige genannt, den unbestreit
baren Vorzug, um 800 gekrönt worden zu
sein — eine der wenigen markanten Ge
schichtszahlen, die Huber aussprechen konn
te. ohne sie anfzutüpfeln. Kurz und gut
(oder- um mit Huber zu sprechen: Fertig
und gut): die Hubersche Geschichtsbetrach
tung. die man die antisurratische nennen
könnte, war im großen und ganzen nicht
einseitiger als manch andre auch und schärf
te entschieden unseren Blick.
Ja. wir paßten auf wie die Schießhunde.
Die Kastanien im Schulhof hatten Schnee
kapuzen umgenommen, hatten sie wieder ab
geworfen und machten schon grüne Händ
chen. ..Hockt nicht immer da wie die Bau
ern“, mahnte Huber. ..guckt auch einmal
in die Natur!“ Welch unerhörte Aufforde
rung von seifen eines Lehrers, während des
Unterrichts doch gefälligst einmal hinauszirchauen durch die Fenster! Denn wir hin
gen wie gebannt an seinen Lippen und war
Fortsetzung Seite 8
Vasa Prihoda (Forts.)
Prihoda spielte — wie er uns angab — be
reits mit 5 Jahren Geige, gab mit 8 Jahren
sein erstes öffentliche Konzert und unter
nahm während seiner Jugend unzählige Kon
zertreisen, so daß er nur selten die Schule
— ein Wiener Gymnasium — besuchen
konnte. Sein Stolz ist eine wertvolle Geigen
sammlung, darunter 2 Stradivaris die allein
schon einen Wert von über 100000 DM dar
stellen!
Al
FABER
CHXTUl
Jahrgang 3/1
Seite 6