Klaus Haas
life-art-mix Klaus Haas ist ein Künstler, der Kunst und Leben in ganz eigener Weise verbindet. Als er 1985 an die Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg kam, hatte er schon etwas mehr Leben „absolviert“, als dies bei Studienanfängern normalerweise der Fall ist. Vielleicht konzentrierte er sich gerade deshalb in seinen frühen Arbeiten auf das systematische Hinterfragen dessen, was ein Bild ausmacht. Sein damaliger Akademieprofessor Karl Georg Pfahler setzte als deutscher Hauptvertreter der Hard-Edge-Malerei scharf abgegrenzte, homogene Farbfelder innerhalb des Bildformates so zueinander in Bezug, dass das Bild als Flächensystem eine ganz eigene Autonomie erlangte. Das Bild als Flächensystem bildete auch für seinen Meisterschüler Klaus Haas den Ausgangspunkt. Aber schon sehr früh begann er die auf sich selbst beschränkte Fläche zu verlassen. Er gestaltete nicht mehr innerhalb einer Leinwand, sondern eroberte mit zahlreichen, einheitlich gefärbten, aber unterschiedlich großen Leinwänden den Raum, indem er seine Bild-Systeme über die Wände ausbreitete. Klaus Haas ist aber nicht nur ein „Systematiker der Bild-Idee“ in formaler Hinsicht. Immer wieder bilden direkt aus seiner Lebenswelt gegriffene Inhalte den Ausgangspunkt und Kern seiner experimentellen Arbeiten. Dabei spinnt er häufig alltägliche Erfahrungen zu erzählenden ausgebreiteten Geschichten weiter.
Ein Musterbeispiel hierfür war „Frühstück“. Bei der Erstpräsentation befand sich in einem abgedunkelten Raum der Nürnberger Galerie Traude Näke ein Tisch, auf dem Käse und andere leckere Sachen zum Frühstück arrangiert waren. Mäuse krabbelten darüber und knabberten mal hier und mal da. Erst auf den zweiten Blick erkannte der Betrachter, dass Mahl und Mäuse keineswegs real vorhanden waren. Er war einer Illusion aufgesessen, denn die ganze Geschichte wurde als Film von oben auf die weiße Tischdecke projiziert. Typisch für den Künstler war dabei, dass er offensichtlich nach einem ganz alltäglichen Frühstück das Arrangement der restlichen Speisen auf dem Tisch wahrgenommen hatte und sich in der Phantasie die Mäuse dazu gesellten, die schließlich in der realisierten Film-Performance tatsächlich als „Schauspieler“ agierten. Typisch wohl auch für Klaus Haas, dass die Mäuse, die er für seine künstlerische Arbeit gekauft hatte, über Monate seinen eigenen privaten Lebensraum mit ihm teilten (auch wenn sie meist ihren Käfig nicht verließen).
Filmfiktion und momentan existente Wirklichkeit verschränkten sich auch im „Real-Cinema 2000“ auf ungewohnte Art und Weise. Mitten in der Nürnberger Fußgängerzone stand eine große schwarze containerartige Box, deren offene Tür zum Eintreten einlud. Der dunkle Innenraum war kinoartig gestaltet mit Sitzhockern und einem vorgegebenen Blick auf eine bestimmte Wand, die wie die Projektionswand eines Kinos proportioniert war. Aber, da die ganze Projektionswand in Wirklichkeit eine große Glasscheibe war, sah man keinen auf die Wand projizierten Film, sondern das jetzt und hier ablaufende Geschehen in der Fußgängerzone. Setzte man sich hin und sah man einige Zeit zu, so fiel auf, dass man tatsächlich den Blick eines Kinobesuchers bekam. Die ohne Zwischenmedium direkt gezeigte Außenwelt wurde durch die Inszenierung sehr viel bewusster wahrgenommen, als dies im Alltag der Fall ist.
Filmwelt und Realwelt verschränkten sich bei „Schaufensterfußball“ in ganz anderer Art und Weise. Im Fußballweltmeisterschaftssommer 2006 hörten und sahen die Passanten, welche in der „Blauen (Ball-)Nacht“ am Schaufenster von Galeria Kaufhof vorbeikamen, wie von innen ein Fußball mit voller Wucht gegen die Scheibe geschossen wurde und deren Scherben klirrend zu Boden fielen. Aber alles war nur „schöner“ Schein – ein ständig wiederholter von innen an die Scheibenfläche projizierter Film. Nichtsdestotrotz löste die „äußerlich“ in schlichter Form vorgetragene Geschichte „inner“ Erinnerungsbilder an die kaputtgeschossenen Fensterscheiben längst vergangener Kindertage aus.
Nicht um den passiven Bild-, Film-, Realitätsbetrachter sondern um den aktiven Kunst-Teilnehmer ging es im aktuellsten Projekt von Klaus Haas. Auf Plätzen der Nürnberger Altstadt wurden runde weiße Teppiche ausgelegt, die mit schwarzen Texten bedruckt waren: Liebe, Wut, verrückt, verliebt, traurig, lustig, witzig, frei, erheitert, verspielt, einzigartig, exklusiv, emotional, hart, wild, dynamisch, gewinnend, gelassen, lässig, modern, altmodisch, erotisch, frisch, elegant, kunstvoll, originell, schön, schöpferisch, intelligent, kreativ, einzigartig, besonders, lieb, temperamentvoll, verrückt, zackig, aufgeregt, leidenschaftlich. Auf diesen „Plattformen“ konnte jeder Passant, der sich auf diese Kunst einließ barfuß tanzen und dabei über bereitgestellte MP3-Player die zur jeweiligen Teppichstimmung passende Musik hören. Die Text-„Bild“-Teppiche erweiterten sich – dank der Akteure – zum emotional belebten Stadtraum, in dem Kunst zur erlebbaren Alltagsrealität wurde.
Der „Systematiker der Bild-Idee“ wurde zwar von der breiteren Öffentlichkeit in den letzten Jahren vor allem aufgrund seiner spektakulären performancehaften Installationen und Events wahrgenommen, aber natürlich setzte er auch seine Auseinandersetzung mit der Tradition des klassischen Tafelbildes fort. Die Idee des Bildes als gestaltete Fläche blieb für Klaus Haas immer relevant.
Eine sehr spezielle Werkgruppe entwickelte er dabei aus „vorgefundenen“ Bildern. In türkischen Läden und Restaurants trifft man häufig auf Wasserfall-Fotos in Form von Leuchtkästen, deren indirektes Licht durch spezielle Apparaturen zu Licht-Schatten-Bewegungen genutzt wird um den Illusionismus des herabstürzenden und fliesenden Wassers besonders hervorzuheben. Gleichzeitig abgespultes Vogelgezwitscher unterstreicht die Naturerinnerung. Klaus Haas erkannte das versteckte Potential dieser „ready mades“, die geradezu auf seinen Eingriff warteten. Er entfernte lediglich das Wasserfall-Foto und ersetzte es durch eigene Bildfindungen in Form von Collagen aus Internet-Motiven.
Vom ursprünglichen Bild-Objekt blieb fast alles erhalten: der breite Spiegel-Rahmen, das Vogelgezwitscher und die durch das jeweilige Bildmotiv hindurch wirkende Bewegung der Licht-Schatten-Effekte. All dies sicherte dieser Werkgruppe eine ganz spezielle Leichtigkeit und Lebendigkeit.
Internet-Motive bestimmen mehr und mehr die Bild-Welten von Klaus Haas. Er collagiert dabei Abbildungen, die aus den unterschiedlichsten Zusammenhängen gerissen sein können zu neuen Einheiten. Ein Musterbeispiel stellt die derzeit vom Viewing Club gezeigte Arbeit dar. Hier wird eine Fülle ursprünglich heterogener Bildzitate (wie die Abbildung einer vogelkastenartigen Artschwager-Arbeit einerseits und andererseits die systematische Unterteilung eines großen Dreiecks in eine immer größer werdende Anzahl kleiner Dreiecke) zu einer neuen Bildeinheit zusammengeschlossen, welche letztendlich die Flächen-Raum-Frage der Malerei-Tradition aufgreift und mit neuer Aktualität problematisiert.
Anhand der wenigen hier genannten Beispiele wird deutlich, dass Klaus Haas in Bildern, Objekten, Installationen und Performances das Potential unserer „Realität“ aufspürt, umformt und sichtbar macht. Vor einiger Zeit nannte er ein Ausstellungsprojekt „crushed“ – und spielte dabei auf die Gemeinsamkeiten von Barkeeper und Künstler an. Ersterer schüttet unterschiedlichste Ingredienzien in seinen Shaker und mixt daraus einen neuen Drink, dessen einzigartigen Charakter wir deshalb schätzen, weil er nicht nur die Summe der Einzelbestandteile ist. Ähnlich verhält es sich mit den Arbeiten von Klaus Haas. Bildfetzen, Raum- und Handlungsideen aus Kunst-, Alltags- und Internet-Welt, die sich in seinem Kopf festgehakt haben, mischt und vereinheitlicht er zu neuen in sich schlüssigen Bildern und Ereignissen. Andersherum betrachtet werden Kunst und Künstlichkeit als Bestandteile unserer Realität entlarvt.
Text: Günter Braunsberg M.A. https://www.allochthon.de/vita/vita.html
Klaus Haas
Während Klaus Haas das Wechselspiel zwischen innerer und äußerer Realität auslotet, bildet die Lust am Experiment eine Konstante seines vielschichtigen Œuvres. Einerseits gibt der Digitalkünstler dem Spontanen und Improvisierten möglichst viel Raum. Andererseits handelt es sich bei „Quantenrausch“ auch um eine appropriative Kunst, die ihre Vorbilder dekonstruiert und eigenständig weiterentwickelt. Dass die Ästhetik seiner Bilder verglichen mit traditioneller Malerei oft als artfremd wahrgenommen wird, entspricht ganz der Philosophievon Haas, der bewusst mit dem Begriff „allochthon“ operiert.
Zivilisationskritische Untertöne werden ausdrücklich nicht ausgeklammert. Wenn etwa der User mit VR-Brille für die anderen als hilflos im realen Raum umher tappender Blinder erscheint, mutiert er zur eindrucksvollen Allegorie für die Vereinzelung und De-Sozialisierung des modernen Digital-Junkie. Insofern konzentriert sich der Künstler nicht alleine auf die Erkundung des virtuellen Raumes. Der persönliche Dialog mit dem Menschen ist ihm genauso wichtig. Als Performer agiert er ander Schnittstelle zwischen virtuellem Werk und Rezipienten. Inmitten seiner Installationen schafft Haas dann etwas, das sich mit Josef Beuys‘ Begriff der „Sozialen Plastik“ am besten umschreiben lässt.
Dr. Harald Tesan https://www.cab-art.eu/klaus-haas.html
CURT_LOCKED IN - Marian Wild - Interview mit Klaus Haas
1. Bei der letzten ortung 11 in Schwabach warst du mit deinem QuantenRausch Projekt und dem „Institut für forschende Kunst in virtuellen Raum“ vertreten, das dazu dient, herauszufinden inwieweit die Malerei mit Mitteln der virtuellen Realität weitergedacht werden kann. Dazu habe ich zwei Fragen: Was sind deine bisherigen Erkenntnisse, und könnte uns deiner Meinung nach der virtuelle Raum helfen aus dieser Quarantäne zu entkommen? Also Grundsätzlich ist auch meines Erachtens, die virtuelle Realität noch in den Kinderschuhen, die technischen Möglichkeiten bei weiten noch nicht erschöpft. „Viele sehen Platons Höhlengleichnis »Republik« aus dem Jahr 300 v.Chr. als den Grundstein für das, was wir heute Virtual Reality nennen. Die ethische und philosophische Bedeutung der VR ist bei weitem noch nicht ausgeschöpft“. Die Gründung des „Instituts für forschende Kunst im virtuellen Raum“ 2016 mit Fabian Baumgärtner, hat genau dieses Anliegen die jetzigen Möglichkeiten auszuloten und auch technisch zu erweitern und zu experimentieren und zu sensibilisieren. Eigentlich leben wir alle in einer „Quarantäne“ ohne es uns völlig bewußt zu machen. Isolation kann Schutz darstellen, aber auch positive Impulse von außen fern halten. Es ist inzwischen erwiesen dass wir in unserer eigenen Wahrnehmung gefangen sind. Diese Wahrnehmung ist abhängig von unserem Entwicklungsstand in der Evolution, viele Wahrnehmungsformen sind bei anderen Lebensformen auf unserem Planeten noch viel ausgeprägter als bei uns, solcher Erkenntnisse sind durch unsere Technologien, aber auch in früheren Kulturen auf anderen Wegen, erst langsam wieder nachvollziehbar. Wir erachten verschiedene Betrachtungsmöglichkeiten, Infrarot oder Röntgenstrahlung oder den Film, inzwischen als selbstverständlich, doch der virtuelle Raum wird oft als etwas irreales künstliches interpretiert, doch ist er das wirklich? Ist es nicht eher so, das es uns eine weitere Sichtweise eröffnet, die uns noch mehr Spielraum schenkt und ein weiteres Spektrum neuer Möglichkeiten zulässt. Diese Möglichkeiten sind jetzt schon immens, auch was die Umsetzung in die „stoffliche Welt“ zulässt, sei es in Kunst, Malerei, Architektur, Design, Film, Wissenschaft, 3D Druck oder auch in der Musik. Aber dazu gehört ein offenes, reflektierendes Fühlen und Denken. Je mehr der einzelne Mensch sich von sich selbst entfremdet desto eingeschränkter und toxischer wird unser Denken und damit auch seine und unser aller Umwelt. Auch die „Natur“ und ihre Prozesse zeigen uns viele Wege der Existenz, aber wir sind Natur, alles ist Natur, ich glaube nicht das wir in unseren Lernprozessen als Menschen dies außer acht lassen sollten, denn wir sind vollständig aus ihr entstanden und haben argumentativ keine Chance zu behaupten dass wir es nicht wären. Dieser Lernprozess den wir gerade schmerzlich beschreiten, nämlich in unserer Umwelt uns selbst gerade in Quarantäne zu stellen, wird durch unser Denken und Verhalten immer offensichtlicher. Auch aktuelle Tendenzen und Vorkommnisse zeigen uns nur auf das wir uns isolieren, diese Isolation zu durchbrechen neu zu formieren und in eine schöpferischen Kontext zu stellen, der uns wieder in allen Bereichen so verbindet, mit all unseren Möglichkeiten, ohne dabei die Grundlagen der ursprünglichen Daseinsebenen zu ignorieren und die Lebensweise so zu korrigieren das die Idee, die Evolution und das kreativ schöpferische wieder in den Vordergrund gestellt wird. Den das scheinbare „entfliehen“ in eine andere Welt, kann uns auch bewußt machen das die Schöpfung unermesslich ist. 2. Schon vor deiner Idee der virtuellen Malerei waren viele deiner Arbeiten stets in Verbindung mit dem Ort gedacht und ausgeführt. Du veränderst Raumkonfigurationen, störst die Perspektiven oder hebst Bereiche hervor. Was fehlt der heutigen Architektur und was kann die Kunst ihr geben? Die Architektur war schon immer verbunden mit Kunst, Musik, Literatur und Philosophie und hatte gemeinsam mit diesen die Grundlagen geschaffen ganze Zeitepochen zu definieren und zu manifestieren. Alle archäologischen und geschichtlichen Geschehnissen in der Menschheitsgeschichte sind unabdingbar mit Architektur verbunden positiv wie negativ. Diese Grundlagen und Zusammenhänge wieder den heutigen Menschen bewußt zu machen, neu zu definieren, auch zu erweitern ist ein Anliegen das mir als Künstler sehr am Herzen liegt. Die heutige Architektur wird den meisten Fällen der reinen Wirtschaftlichkeit und damit oft auch entmenschlichenden Dogmen unterstellt, die meisten Architekten leiden deshalb darunter, durch persönlichen Gespräche mit Architekten immer wieder bestätigt. Viele Architekten kämpfen in unendlichen Verwaltungs- sowie Finanzierungszwängen gegen diese kastrierenden Einschränkungen wie gegen eine undurchdringliche Wand, nur in der Luxus- und Prestigearchitektur finden wenige Architekten zumindest konkrete Verwirklichungen. Das finde ich sollte sich gravierend ändern, uns allen zuliebe auch und zwar ausdrücklich unserem konkreten Kulturanspruch gegenüber und damit der eigenen alttäglichen Umwelt die es uns wert sein sollte und muß. Die Erweiterung durch Kunst, Musik, Literatur und Philosophie in der Architektur sollten wieder gemeinsam mit Architekten eine schöpferische Gemeinschaft bilden die sich auch in den Wirtschaft- und Verwaltungseinstellungen und Bauherren verändern und gravierend niederschlagen sollte. Gerade in an Randzonen der Städte, Industriegebiete, Innenstädten und Fußgängerzonen der Nachkriegszeit des zweiten Weltkrieges ist eine „architektonische Wüste“ entstanden die immer noch weiter anhält. Gute Architektur ist ein unbezahlbares Gut von dem danach noch Generationen profitieren, deshalb sollte unser Denken und Handeln hier weiter neu definiert werden, die moderne Architektur hat heute unglaubliche technische Möglichkeiten wie die architektonische Bionik, ökologische Architektur und organische Architektur beweist!
Ich wage zu behaupten diese wird bei weitem noch nicht ausreichend genutzt und ich finde das Kunst hier einen wesentlichen Anteil leisten kann, um festgefahrene Dogmen aufzubrechen und durch Symbiose, aber auch durch direkte oder raffinierte Eingriffe in die bestehenden Architektur einen Kontext zu schaffen der Fragen aufstellt, aber auch beantwortet. Insofern konzentriere ich mich als Künstler nicht alleine auf die Erkundung des realen Raumes. Der persönliche Dialog mit dem Menschen ist mir genauso wichtig. Als ein Performer agiere ich auch an der Schnittstelle zwischen virtuellem Werk und Rezipienten. Inmitten dieser Installationen entsteht dann etwas, das sich mit Josef Beuys‘ Begriff der „Sozialen Plastik“ am besten umschreiben lässt. Ich arbeite dabei nicht unbedingt gegen die bestehende Architektur, sondern nehme die „Vorgaben“ auf und verändere diese mit meinen Elementen so das man es vielleicht als „assimiliert“ bezeichnen kann. Im Vordergrund wirkt es dann anscheinend „passend“ doch bei genaueren Hinsehen ist es dann seltsam oder „heimlich befremdlich“ die Kunst wird hier nicht als Prestigeobjekt auf öffentlichen Plätzen aufgestellt um Eindruck zu schaffen oder als wichtig zu erscheinen. Sondern wird in die Architektur innen wie aussen viel mehr eingepflanzt, im ersten Blick fast unauffällig wie ein Insekt mit Tarntracht auch Kriypsis genannt. Diese Somatolyse macht die Kunst erst einmal scheinbar unsichtbar ja fast selbstverständlich integriert, dies schafft eine subversive Akzeptanz beim Betrachter die sich bei genauerer Betachtung aber gravierend verändern kann, wie eine Stabheuschrecke die sich plötzlich doch bewegt. Diese Art der „Tarnung“ finde ich sehr bemerkenswert, so kann Kunst fast ungehindert in die Architektur und öffentlichen Plätzen eindringen und sich ausbreiten, ohne gleich heroisch oder monumental oder separiert zu sein. Dies Auffassung finde ich wesentlich zeitgemässer und spricht eindeutig gegen die „denkmalorientierte heroische Präsentation“ von Kunst. Diese „Strategie“ könnte dann auch der Weg sein die Kunst neu definiert wieder in die Architektur einzupflanzen und einzuplanen und uns wieder eine sinnlichere Umwelt zu schaffen, die uns die Freude am entdecken schenkt.
3. Du hast in der Klasse von Professor Georg Karl Pfahler an der Akademie in Nürnberg studiert, wurdest dort auch Meisterschüler und fühlst dich offenbar dessen „Hard Edge“-Stil verbunden. Wie kann man sich die Diskussionen in der Klasse Pfahler vorstellen und wo schreibst du seine Kunstauffassung weiter? Die Auseinandersetzung mit dem Werk eines Professors geht Hand in Hand mit den Mit-Studierenden. Die Studenten sollten bei einer guten Klasse offen für unterschiedliche Meinungen sein. Die grundsätzliche Offenheit ist die beste Methode, um Epigonentum zu verhindern. Konträre Äußerungen wurden von Georg Karl Pfahler bewusst innerhalb der Klasse provoziert. Auch in seinem eigenen Schaffen verfuhr Pfahler nicht vollkommen orthodox wie andere „Konkrete“. Man betrachte hierzu nur seine Arbeiten im Bereich des „Hard Edge“ und seine „Farbraumobjekte“ 1969/70 auf der Biennale in Venedig. Das anarchische „Brechen“ hat mich in meiner Kunst inspiriert und vorangetrieben. Nur in gewisser Weise führe ich Pfahlers Kunstauffassung weiter, mich haben auch damals Künstler*innen aus der klassischen Moderne bis heute wie Marcel Duchamp, Meret Oppenheim, Sonja und Robert Delaunay, Kurt Schwitters mit seinem MERZbau und Oskar Schlemmer das Lackkabinett sehr fasziniert, sowie Piet Mondrian oder die Künstlergruppe Zero. Dies ging eigentlich mit meinem eigenen Autodidakten Studium und meinen Auseinandersetzungen weiter z. B. den Künstler*innen Nam June Paik, Frank Stella, Donald Judd, Daniel Buren, Dan Flavin, Jenny Holzer, Peter Fischli und David Weiss, Angela Bulloch, Peter Weibel, Jason Rhoades, Martin Kippenberger, Franz Ackermann, Heimo Zobernig, liegen mir am Herzen um nur einige der bekannteren zu nennen. So war die Auseinandersetzung mit der Abstraktion bei mir nie stilorientiert, sondern kam eher einer forschenden Strategie gleich. Die Lust am freien Experiment bildete dabei eine wesentliche Konstante. Als Student habe ich mich bald von festgelegten Haltungen in der Kunst distanziert. Am Ende meines Studiums bin ich nicht immer auf Verständnis gestoßen, was die Ergebnisse meines konzeptuellen Schaffens angeht. 4. Du reflektierst intensiv die Entwicklung der zeitgenössischen Kunst. Was ist deine Einschätzung in welche Richtung wir uns in den nächsten Schritten, auch nach der Krise, bewegen werden? Vorhersagen haben immer etwas festgelegtes, doch sicher sollte sein das die jetzigen Gesellschaftsformen ein Reset benötigen, das sich sicher auch mit der Kunst transportieren- reflektieren und transformieren läßt. Die Kunst sollte immer frei und assoziativ bleiben, doch kann Kunst viele Elemente als Transportmittel integrieren und als Ausdrucksform in Auseinandersetzung und Kommunikation bringen. Diese Aufgabe kann Kunst leisten, eine Plattform zu bieten für das freie Denken um das kulturelle Bewusstsein der Menschen zu erweitern zu sensibilisieren. Eine weltweite Lebensgemeinschaft für alle Menschen, um aus den „Fallen“ unseres festgefahrenen Dogmen und Handlungen eine neue bessere Perspektive- und Bildung zu schaffen wäre eine wichtige Möglichkeit. Meine Anliegen gehen schon in diese Richtung mit dem „Institut für forschende Kunst in virtuellen Raum“ auch habe ich weitere Projekte in Arbeit, die genau auf diese gesellschaftlichen Aspekte der Erweiterung unseres Denkens und Fühlens hinzielen. Eine solche sensibilisierende Haltung ist meines Erachtens dringend notwendig in einer Gesellschaft wo das „reißerische“ die Menschen „erblindet“ und Ihnen die Möglichkeit der inneren Ruhe und reflektierenden Haltung und Denkens beraubt. Gerade jetzt wäre es eine Möglichkeit diese Wege mit der Kunst zu beschreiten und auch nach der Krise diese Bewegungen einzuleiten. Sicher auch eine „neoromantische Bewegung“ aber doch wieder eine progressive in Bezugnahme zur heutigen Zeit. Dieses kultivierte undogmatische sensibilisierte, erfinderische Denken und Fühlen in der Kunst, sollten wir besser und progressiver in die Gessellschaft übertragen und ist sicher eines der Aufgaben und Rezepte in der wir uns in der Krise und aus der Krise bewegen sollten und könnten. Dr. Marian Wild - Artist Meisterschüler Klaus Haas