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Da es noch keinen Betriebsrat der Beschäftigten gab, mit dem der Arbeitgeber Innerbetriebliches regelte, sprechen kritische Autoren in der Literatur zum Zeitalter der Industrialisierung von Disziplinierung der Fabrikarbeiter durch Arbeitsordnungen. Die Dauer der Arbeitszeit und die Pausenregelung wurden oft nur nach Arbeitskämpfen (Streiks und Aussperrungen) geändert. So setzte z. B. die Möbel- und Spiegelfirma Ammersdörfer & Haas die 1905 festgelegte Wochenarbeitszeit von 57 Stunden 1913 auf 53 Stunden herab. An den Samstagen und Vorabenden von Feiertagen war nun ab 12:30 Uhr Betriebsschluss.
Da es noch keinen Betriebsrat der Beschäftigten gab, mit dem der Arbeitgeber Innerbetriebliches regelte, sprechen kritische Autoren in der Literatur zum Zeitalter der Industrialisierung von Disziplinierung der Fabrikarbeiter durch Arbeitsordnungen. Die Dauer der Arbeitszeit und die Pausenregelung wurden oft nur nach Arbeitskämpfen (Streiks und Aussperrungen) geändert. So setzte z. B. die Möbel- und Spiegelfirma Ammersdörfer & Haas die 1905 festgelegte Wochenarbeitszeit von 57 Stunden 1913 auf 53 Stunden herab. An den Samstagen und Vorabenden von Feiertagen war nun ab 12:30 Uhr Betriebsschluss.


==Exzesse anlässlich der Arbeitseinstellung in der N. Wiederer’schen Spiegelfabrik, 1888==
==Exzesse anlässlich der Arbeitseinstellung in der [[Hofspiegelfabrik N. Wiederer & Co.|N. Wiederer’schen Spiegelfabrik]], 1888==
Es begann mit der Niederschrift einer Vorsprache des Glasarbeiters Paul Klemens vom 12. März 1888 beim Stadtmagistrat. Dabei meldete er eine allgemeine Versammlung der Glasarbeiter am nächsten Abend im Gasthaus „Zum Grünen Baum“ an. Auf dieser wollten die von den Fabrikbesitzern Brüder Schwarz ausgeschlossenen drei Arbeiter Klemenz, Seibold und Fischer über Maßnahmen gegen die Lohnreduktion von 20% reden.  
Es begann mit der Niederschrift einer Vorsprache des Glasarbeiters Paul Klemens vom 12. März 1888 beim Stadtmagistrat. Dabei meldete er eine allgemeine Versammlung der Glasarbeiter am nächsten Abend im Gasthaus „Zum Grünen Baum“ an. Auf dieser wollten die von den Fabrikbesitzern Brüder Schwarz ausgeschlossenen drei Arbeiter Klemenz, Seibold und Fischer über Maßnahmen gegen die Lohnreduktion von 20% reden.  
Ebenfalls eine Erklärung gab der Fabrikmitbesitzer Georg Schwarz am gleichen Tage ab. Er verwies auf das Vorgehen der Winkler’schen Fabrik mit einer Lohnreduktion. Er wolle sich entsprechend verhalten, was in seiner Fabrik bekannt geworden sei. Nach den Versammlungen seiner Arbeiter bereits am 7. und 8. März im „Grünen Baum“ kündigte er den Arbeitern Igel, Schäfer und Fischer, weil diese in seiner Fabrik Unzufriedenheit erregten. Als er bei Vorsprache mehrerer Arbeiter in seinem Comptor die Kündigungen nicht zurücknahm, wurde von diesen eine Arbeitseinstellung angekündigt. Das geschah dann auch durch etwa 110 Personen, nachdem in den Arbeitsräumen Klemenz die Treibriemen an mehreren Maschinen abgeworfen und er damit gedroht hatte, auch die Dampfmaschinen abzustellen. Und der Glasschleifer Schäfer habe geschrien „Alles aufhören, die Arbeit wird eingestellt.“
Ebenfalls eine Erklärung gab der Fabrikmitbesitzer Georg Schwarz am gleichen Tage ab. Er verwies auf das Vorgehen der Winkler’schen Fabrik mit einer Lohnreduktion. Er wolle sich entsprechend verhalten, was in seiner Fabrik bekannt geworden sei. Nach den Versammlungen seiner Arbeiter bereits am 7. und 8. März im „Grünen Baum“ kündigte er den Arbeitern Igel, Schäfer und Fischer, weil diese in seiner Fabrik Unzufriedenheit erregten. Als er bei Vorsprache mehrerer Arbeiter in seinem Comptor die Kündigungen nicht zurücknahm, wurde von diesen eine Arbeitseinstellung angekündigt. Das geschah dann auch durch etwa 110 Personen, nachdem in den Arbeitsräumen Klemenz die Treibriemen an mehreren Maschinen abgeworfen und er damit gedroht hatte, auch die Dampfmaschinen abzustellen. Und der Glasschleifer Schäfer habe geschrien „Alles aufhören, die Arbeit wird eingestellt.“
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Am 23. Juni wird vermerkt, der Ausstand in den Glasschleifereien halte nun schon über 7 Wochen an und es bestehe noch keine Aussicht auf Beilegung. Jedoch am 28. Juni kommt Bewegung in die Verhandlungen. Es gibt nun eine 12-gliedrige Kommission der Arbeitgeber und gewählter Vertreter der streikenden Arbeiter. Die Fabrikbesitzer gestehen zu, ab 1. Januar 1907 die Arbeitszeit um 1 Stunde zu vermindern und stellen auch eine Lohnerhöhung in Aussicht. Dagegen hätten die Arbeiter den Bruch von Gläsern nach wie vor auf ihre Kosten zu übernehmen. Am 10. Juli 1906 wird in einer größeren Versammlung der streikenden Glasarbeiter beschlossen, den Ausstand fortzusetzen. Die Zugeständnisse der Arbeitgeber seien ungenügend. Verlangt wird eine schriftliche Zusage, die Löhne werkstättenweise für alle Sparten aufzubessern. Die Arbeitgeber reagieren so: Sie treffen mit auswärtigen Schleifereien Vereinbarungen, um facettierte Gläser nach Fürth zu bringen. Solche außerbayerischen Fabrikate treffen ein. Und sie drohen, dass es dann hier umfangreiche Entlassungen bei den bayerischen Schleif- und Polierwerken, Rahmenfabrikanten usw. geben werde, wenn sie ihre Betriebe einschränken. Nun kommt es am 14. Juli 1906, vormittags, zu einem „Generalappell“ der Ausständigen in den Glasschleifereien. Die fast 1100 Versammelten beschließen die Beendigung des seit 6. Mai dauernden Streiks (570 dafür, 517 dagegen). Am kommenden Montag, also nach fast 10 Wochen Dauer soll die Arbeit wieder aufgenommen werden. Erreicht wird eine Stunde Minderung der Arbeitszeit – verlangt waren drei Stunden – und die Zusage, dass werkstättenweise gegebenenfalls eine entsprechende Lohnerhöhung erfolgen soll. Am 16. Juli wird die Arbeit in den Facettenglasschleifereien nur zum Teil aufgenommen, da noch Differenzen in verschiedenen Fabriken zu beseitigen sind. Eine Anzahl Ausständiger verlangte die Entlassung der Streikbrecher. So hält es der Chronist fest. Und er berichtet von gerichtlichen Nachspielen für verschiedene Personen, die sich polizeilichen Anordnungen nicht gefügt haben. Sie wurden mit 6- bis 10-tägigen Freiheitsstrafen belegt.  
Am 23. Juni wird vermerkt, der Ausstand in den Glasschleifereien halte nun schon über 7 Wochen an und es bestehe noch keine Aussicht auf Beilegung. Jedoch am 28. Juni kommt Bewegung in die Verhandlungen. Es gibt nun eine 12-gliedrige Kommission der Arbeitgeber und gewählter Vertreter der streikenden Arbeiter. Die Fabrikbesitzer gestehen zu, ab 1. Januar 1907 die Arbeitszeit um 1 Stunde zu vermindern und stellen auch eine Lohnerhöhung in Aussicht. Dagegen hätten die Arbeiter den Bruch von Gläsern nach wie vor auf ihre Kosten zu übernehmen. Am 10. Juli 1906 wird in einer größeren Versammlung der streikenden Glasarbeiter beschlossen, den Ausstand fortzusetzen. Die Zugeständnisse der Arbeitgeber seien ungenügend. Verlangt wird eine schriftliche Zusage, die Löhne werkstättenweise für alle Sparten aufzubessern. Die Arbeitgeber reagieren so: Sie treffen mit auswärtigen Schleifereien Vereinbarungen, um facettierte Gläser nach Fürth zu bringen. Solche außerbayerischen Fabrikate treffen ein. Und sie drohen, dass es dann hier umfangreiche Entlassungen bei den bayerischen Schleif- und Polierwerken, Rahmenfabrikanten usw. geben werde, wenn sie ihre Betriebe einschränken. Nun kommt es am 14. Juli 1906, vormittags, zu einem „Generalappell“ der Ausständigen in den Glasschleifereien. Die fast 1100 Versammelten beschließen die Beendigung des seit 6. Mai dauernden Streiks (570 dafür, 517 dagegen). Am kommenden Montag, also nach fast 10 Wochen Dauer soll die Arbeit wieder aufgenommen werden. Erreicht wird eine Stunde Minderung der Arbeitszeit – verlangt waren drei Stunden – und die Zusage, dass werkstättenweise gegebenenfalls eine entsprechende Lohnerhöhung erfolgen soll. Am 16. Juli wird die Arbeit in den Facettenglasschleifereien nur zum Teil aufgenommen, da noch Differenzen in verschiedenen Fabriken zu beseitigen sind. Eine Anzahl Ausständiger verlangte die Entlassung der Streikbrecher. So hält es der Chronist fest. Und er berichtet von gerichtlichen Nachspielen für verschiedene Personen, die sich polizeilichen Anordnungen nicht gefügt haben. Sie wurden mit 6- bis 10-tägigen Freiheitsstrafen belegt.  


1922 – Glasarbeiterstreik
==1922 – Glasarbeiterstreik==
Über Streiks der Glasarbeiter wurde 1922 berichtet. Dazu fanden Demonstrationszüge ausgesperrter Arbeiter am 16. März und am 4. Juli 1922 statt. Am 13. März gab es eine Versammlung der Betriebsräte der Glasarbeiter im „Sedangarten“. Dort wurde zu einer Demonstration am 16. März aufgerufen, um dem Streik mehr Nachdruck zu verleihen. Der Zug der ausgesperrten Glasarbeiter durch die Lange Straße wurde von der Landespolizei angehalten und aufgelöst. Nach einer Versammlung in der „Leyher Waldspitze“ hatte sich der Zug von etwa 500 Teilnehmern zur Nürnberger Straße und Lange Straße in Bewegung gesetzt und war auf etwa 2000 angewachsen. Als durch einen Steinwurf das Fenster einer stillgelegten Fabrik zertrümmert wurde, löste die Polizei „vor weiteren Ausschreitungen“ den Zug auf. Bemerkt wurde im Bericht des Staatspolizeiamtes Nürnberg-Fürth, dass die Stimmung in weiten Kreisen der Bevölkerung durch die außerordentliche Preissteigerung aller lebensnotwendigen Dinge sehr erregt sei. Deshalb hätte die Polizei eine Demonstration nicht zugelassen.  
Über Streiks der Glasarbeiter wurde 1922 berichtet. Dazu fanden Demonstrationszüge ausgesperrter Arbeiter am 16. März und am 4. Juli 1922 statt. Am 13. März gab es eine Versammlung der Betriebsräte der Glasarbeiter im „Sedangarten“. Dort wurde zu einer Demonstration am 16. März aufgerufen, um dem Streik mehr Nachdruck zu verleihen. Der Zug der ausgesperrten Glasarbeiter durch die Lange Straße wurde von der Landespolizei angehalten und aufgelöst. Nach einer Versammlung in der „Leyher Waldspitze“ hatte sich der Zug von etwa 500 Teilnehmern zur Nürnberger Straße und Lange Straße in Bewegung gesetzt und war auf etwa 2000 angewachsen. Als durch einen Steinwurf das Fenster einer stillgelegten Fabrik zertrümmert wurde, löste die Polizei „vor weiteren Ausschreitungen“ den Zug auf. Bemerkt wurde im Bericht des Staatspolizeiamtes Nürnberg-Fürth, dass die Stimmung in weiten Kreisen der Bevölkerung durch die außerordentliche Preissteigerung aller lebensnotwendigen Dinge sehr erregt sei. Deshalb hätte die Polizei eine Demonstration nicht zugelassen.  


Quellen und Literatur
==Quellen und Literatur==
Stadtarchiv Fürth, Akten AR 14 Nr. 36 (Wiederer, 1888), AR 19/ 155 (Wirtschaften, Leyher Str. 11); 10/709 (Arbeitsordnung); AR 14/212 (Glasarbeiterausstand 1906); AR 14/215 (Glasarbeiterstreik 1922).  
Stadtarchiv Fürth, Akten AR 14 Nr. 36 (Wiederer, 1888), AR 19/ 155 (Wirtschaften, Leyher Str. 11); 10/709 (Arbeitsordnung); AR 14/212 (Glasarbeiterausstand 1906); AR 14/215 (Glasarbeiterstreik 1922).  
Flohr, Bernd: Disziplinierung der Fabrikarbeiter während der Industrialisierung Deutschlands im Spiegel von Arbeitsordnungen, Frankfurt/Main, New York 1981, S. 98-101.
Flohr, Bernd: Disziplinierung der Fabrikarbeiter während der Industrialisierung Deutschlands im Spiegel von Arbeitsordnungen, Frankfurt/Main, New York 1981, S. 98-101.
Weinland, Katrin: Die Industrialisierung in Bayern im Spiegel von Fabrikordnungen aus Nürnberg und Fürth – Ein Mittel der Sozialdisziplinierung? – Zulassungsarbeit Uni Erlangen-Nürnberg 2006 (Stadtarchiv Nürnberg Av 7700.4).
Weinland, Katrin: Die Industrialisierung in Bayern im Spiegel von Fabrikordnungen aus Nürnberg und Fürth – Ein Mittel der Sozialdisziplinierung? – Zulassungsarbeit Uni Erlangen-Nürnberg 2006 (Stadtarchiv Nürnberg Av 7700.4).
Paul Käppner, Chronik der Stadt Fürth ab 1887 (Stadtarchiv).
Paul Käppner, Chronik der Stadt Fürth ab 1887 (Stadtarchiv).
[[Kategorie:Soziale Bewegung]]
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