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(Klaus Haas Live-art-mix) |
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Dr. Harald Tesan | Dr. Harald Tesan | ||
https://www.cab-art.eu/klaus-haas.html | https://www.cab-art.eu/klaus-haas.html | ||
CURT_LOCKED IN - Marian Wild - Interview mit Klaus Haas | |||
[[Datei:Klaus Haas QuantenRausch Installation.jpg|mini]] | |||
1. Bei der letzten ortung 11 in Schwabach warst du mit deinem | |||
QuantenRausch Projekt und dem „Institut für forschende Kunst | |||
in virtuellen Raum“ vertreten, das dazu dient, herauszufinden | |||
inwieweit die Malerei mit Mitteln der virtuellen Realität | |||
weitergedacht werden kann. Dazu habe ich zwei Fragen: Was | |||
sind deine bisherigen Erkenntnisse, und könnte uns deiner | |||
Meinung nach der virtuelle Raum helfen aus dieser Quarantäne | |||
zu entkommen? | |||
Also Grundsätzlich ist auch meines Erachtens, die virtuelle | |||
Realität noch in den Kinderschuhen, die technischen | |||
Möglichkeiten bei weiten noch nicht erschöpft. „Viele sehen | |||
Platons Höhlengleichnis »Republik« aus dem Jahr 300 v.Chr. | |||
als den Grundstein für das, was wir heute Virtual Reality | |||
nennen. Die ethische und philosophische Bedeutung der VR | |||
ist bei weitem noch nicht ausgeschöpft“. Die Gründung des | |||
„Instituts für forschende Kunst im virtuellen Raum“ 2016 mit | |||
Fabian Baumgärtner, hat genau dieses Anliegen die jetzigen | |||
Möglichkeiten auszuloten und auch technisch zu erweitern und | |||
zu experimentieren und zu sensibilisieren. | |||
Eigentlich leben wir alle in einer „Quarantäne“ ohne es uns | |||
völlig bewußt zu machen. Isolation kann Schutz darstellen, | |||
aber auch positive Impulse von außen fern halten. Es ist | |||
inzwischen erwiesen dass wir in unserer eigenen | |||
Wahrnehmung gefangen sind. Diese Wahrnehmung ist | |||
abhängig von unserem Entwicklungsstand in der Evolution, | |||
viele Wahrnehmungsformen sind bei anderen Lebensformen | |||
auf unserem Planeten noch viel ausgeprägter als bei uns, | |||
solcher Erkenntnisse sind durch unsere Technologien, aber | |||
auch in früheren Kulturen auf anderen Wegen, erst langsam | |||
wieder nachvollziehbar. | |||
Wir erachten verschiedene Betrachtungsmöglichkeiten, Infrarot | |||
oder Röntgenstrahlung oder den Film, inzwischen als | |||
selbstverständlich, doch der virtuelle Raum wird oft als etwas | |||
irreales künstliches interpretiert, doch ist er das wirklich? Ist es | |||
nicht eher so, das es uns eine weitere Sichtweise eröffnet, die | |||
uns noch mehr Spielraum schenkt und ein weiteres Spektrum | |||
neuer Möglichkeiten zulässt. Diese Möglichkeiten sind jetzt | |||
schon immens, auch was die Umsetzung in die „stoffliche Welt“ | |||
zulässt, sei es in Kunst, Malerei, Architektur, Design, Film, | |||
Wissenschaft, 3D Druck oder auch in der Musik. Aber dazu | |||
gehört ein offenes, reflektierendes Fühlen und Denken. | |||
Je mehr der einzelne Mensch sich von sich selbst entfremdet | |||
desto eingeschränkter und toxischer wird unser Denken und | |||
damit auch seine und unser aller Umwelt. Auch die „Natur“ und | |||
ihre Prozesse zeigen uns viele Wege der Existenz, aber wir | |||
sind Natur, alles ist Natur, ich glaube nicht das wir in unseren | |||
Lernprozessen als Menschen dies außer acht lassen sollten, | |||
denn wir sind vollständig aus ihr entstanden und haben | |||
argumentativ keine Chance zu behaupten dass wir es nicht | |||
wären. Dieser Lernprozess den wir gerade schmerzlich | |||
beschreiten, nämlich in unserer Umwelt uns selbst gerade in | |||
Quarantäne zu stellen, wird durch unser Denken und Verhalten | |||
immer offensichtlicher. | |||
Auch aktuelle Tendenzen und Vorkommnisse zeigen uns nur | |||
auf das wir uns isolieren, diese Isolation zu durchbrechen neu | |||
zu formieren und in eine schöpferischen Kontext zu stellen, der | |||
uns wieder in allen Bereichen so verbindet, mit all unseren | |||
Möglichkeiten, ohne dabei die Grundlagen der ursprünglichen | |||
Daseinsebenen zu ignorieren und die Lebensweise so zu | |||
korrigieren das die Idee, die Evolution und das kreativ | |||
schöpferische wieder in den Vordergrund gestellt wird. Den das | |||
scheinbare „entfliehen“ in eine andere Welt, kann uns auch | |||
bewußt machen das die Schöpfung unermesslich ist. | |||
2. Schon vor deiner Idee der virtuellen Malerei waren viele | |||
deiner Arbeiten stets in Verbindung mit dem Ort gedacht und | |||
ausgeführt. | |||
Du veränderst Raumkonfigurationen, störst die Perspektiven | |||
oder hebst Bereiche hervor. Was fehlt der heutigen Architektur | |||
und was kann die Kunst ihr geben? | |||
Die Architektur war schon immer verbunden mit Kunst, Musik, | |||
Literatur und Philosophie und hatte gemeinsam mit diesen die | |||
Grundlagen geschaffen ganze Zeitepochen zu definieren und | |||
zu manifestieren. Alle archäologischen und geschichtlichen | |||
Geschehnissen in der Menschheitsgeschichte sind | |||
unabdingbar mit Architektur verbunden positiv wie negativ. | |||
Diese Grundlagen und Zusammenhänge wieder den heutigen | |||
Menschen bewußt zu machen, neu zu definieren, auch zu | |||
erweitern ist ein Anliegen das mir als Künstler sehr am Herzen | |||
liegt. Die heutige Architektur wird den meisten Fällen der reinen | |||
Wirtschaftlichkeit und damit oft auch entmenschlichenden | |||
Dogmen unterstellt, die meisten Architekten leiden deshalb | |||
darunter, durch persönlichen Gespräche mit Architekten immer | |||
wieder bestätigt. | |||
Viele Architekten kämpfen in unendlichen Verwaltungs- sowie | |||
Finanzierungszwängen gegen diese kastrierenden | |||
Einschränkungen wie gegen eine undurchdringliche Wand, nur | |||
in der Luxus- und Prestigearchitektur finden wenige Architekten | |||
zumindest konkrete Verwirklichungen. | |||
Das finde ich sollte sich gravierend ändern, uns allen zuliebe | |||
auch und zwar ausdrücklich unserem konkreten | |||
Kulturanspruch gegenüber und damit der eigenen alttäglichen | |||
Umwelt die es uns wert sein sollte und muß. Die Erweiterung | |||
durch Kunst, Musik, Literatur und Philosophie in der Architektur | |||
sollten wieder gemeinsam mit Architekten eine schöpferische | |||
Gemeinschaft bilden die sich auch in den Wirtschaft- und | |||
Verwaltungseinstellungen und Bauherren verändern und | |||
gravierend niederschlagen sollte. Gerade in an Randzonen der | |||
Städte, Industriegebiete, Innenstädten und Fußgängerzonen | |||
der Nachkriegszeit des zweiten Weltkrieges ist eine | |||
„architektonische Wüste“ entstanden die immer noch weiter | |||
anhält. | |||
Gute Architektur ist ein unbezahlbares Gut von dem danach | |||
noch Generationen profitieren, deshalb sollte unser Denken | |||
und Handeln hier weiter neu definiert werden, die moderne | |||
Architektur hat heute unglaubliche technische Möglichkeiten | |||
wie die architektonische Bionik, ökologische Architektur und | |||
organische Architektur beweist! | |||
Ich wage zu behaupten diese wird bei weitem noch nicht | |||
ausreichend genutzt und ich finde das Kunst hier einen | |||
wesentlichen Anteil leisten kann, um festgefahrene Dogmen | |||
aufzubrechen und durch Symbiose, aber auch durch direkte | |||
oder raffinierte Eingriffe in die bestehenden Architektur einen | |||
Kontext zu schaffen der Fragen aufstellt, aber auch | |||
beantwortet. Insofern konzentriere ich mich als Künstler nicht | |||
alleine auf die Erkundung des realen Raumes. Der persönliche | |||
Dialog mit dem Menschen ist mir genauso wichtig. Als ein | |||
Performer agiere ich auch an der Schnittstelle zwischen | |||
virtuellem Werk und Rezipienten. Inmitten dieser Installationen | |||
entsteht dann etwas, das sich mit Josef Beuys‘ Begriff der | |||
„Sozialen Plastik“ am besten umschreiben lässt. Ich arbeite | |||
dabei nicht unbedingt gegen die bestehende Architektur, | |||
sondern nehme die „Vorgaben“ auf und verändere diese mit | |||
meinen Elementen so das man es vielleicht als „assimiliert“ | |||
bezeichnen kann. Im Vordergrund wirkt es dann anscheinend | |||
„passend“ doch bei genaueren Hinsehen ist es dann seltsam | |||
oder „heimlich befremdlich“ die Kunst wird hier nicht als | |||
Prestigeobjekt auf öffentlichen Plätzen aufgestellt um Eindruck | |||
zu schaffen oder als wichtig zu erscheinen. Sondern wird in die | |||
Architektur innen wie aussen viel mehr eingepflanzt, im ersten | |||
Blick fast unauffällig wie ein Insekt mit Tarntracht auch Kriypsis | |||
genannt. Diese Somatolyse macht die Kunst erst einmal | |||
scheinbar unsichtbar ja fast selbstverständlich integriert, dies | |||
schafft eine subversive Akzeptanz beim Betrachter die sich bei | |||
genauerer Betachtung aber gravierend verändern kann, wie | |||
eine Stabheuschrecke die sich plötzlich doch bewegt. Diese Art | |||
der „Tarnung“ finde ich sehr bemerkenswert, so kann Kunst fast | |||
ungehindert in die Architektur und öffentlichen Plätzen | |||
eindringen und sich ausbreiten, ohne gleich heroisch oder | |||
monumental oder separiert zu sein. Dies Auffassung finde ich | |||
wesentlich zeitgemässer und spricht eindeutig gegen die | |||
„denkmalorientierte heroische Präsentation“ von Kunst. Diese | |||
„Strategie“ könnte dann auch der Weg sein die Kunst neu | |||
definiert wieder in die Architektur einzupflanzen und | |||
einzuplanen und uns wieder eine sinnlichere Umwelt zu | |||
schaffen, die uns die Freude am entdecken schenkt. | |||
3. Du hast in der Klasse von Professor Georg Karl Pfahler an | |||
der Akademie in Nürnberg studiert, wurdest dort auch | |||
Meisterschüler und fühlst dich offenbar dessen „Hard Edge“-Stil | |||
verbunden. Wie kann man sich die Diskussionen in der Klasse | |||
Pfahler vorstellen und wo schreibst du seine Kunstauffassung | |||
weiter? | |||
Die Auseinandersetzung mit dem Werk eines Professors geht | |||
Hand in Hand mit den Mit-Studierenden. Die Studenten sollten | |||
bei einer guten Klasse offen für unterschiedliche Meinungen | |||
sein. Die grundsätzliche Offenheit ist die beste Methode, um | |||
Epigonentum zu verhindern. Konträre Äußerungen wurden von | |||
Georg Karl Pfahler bewusst innerhalb der Klasse provoziert. | |||
Auch in seinem eigenen Schaffen verfuhr Pfahler nicht | |||
vollkommen orthodox wie andere „Konkrete“. Man betrachte | |||
hierzu nur seine Arbeiten im Bereich des „Hard Edge“ und | |||
seine „Farbraumobjekte“ 1969/70 auf der Biennale in Venedig. | |||
Das anarchische „Brechen“ hat mich in meiner Kunst inspiriert | |||
und vorangetrieben. Nur in gewisser Weise führe ich Pfahlers | |||
Kunstauffassung weiter, mich haben auch damals | |||
Künstler*innen aus der klassischen Moderne bis heute wie | |||
Marcel Duchamp, Meret Oppenheim, Sonja und Robert | |||
Delaunay, Kurt Schwitters mit seinem MERZbau und Oskar | |||
Schlemmer das Lackkabinett sehr fasziniert, sowie Piet | |||
Mondrian oder die Künstlergruppe Zero. Dies ging eigentlich | |||
mit meinem eigenen Autodidakten Studium und meinen | |||
Auseinandersetzungen weiter z. B. den Künstler*innen Nam | |||
June Paik, Frank Stella, Donald Judd, Daniel Buren, Dan | |||
Flavin, Jenny Holzer, Peter Fischli und David Weiss, Angela | |||
Bulloch, Peter Weibel, Jason Rhoades, Martin Kippenberger, | |||
Franz Ackermann, Heimo Zobernig, liegen mir am Herzen um | |||
nur einige der bekannteren zu nennen. So war die | |||
Auseinandersetzung mit der Abstraktion bei mir nie | |||
stilorientiert, sondern kam eher einer forschenden Strategie | |||
gleich. Die Lust am freien Experiment bildete dabei eine | |||
wesentliche Konstante. Als Student habe ich mich bald von | |||
festgelegten Haltungen in der Kunst distanziert. Am Ende | |||
meines Studiums bin ich nicht immer auf Verständnis | |||
gestoßen, was die Ergebnisse meines konzeptuellen Schaffens | |||
angeht. | |||
4. Du reflektierst intensiv die Entwicklung der zeitgenössischen | |||
Kunst. Was ist deine Einschätzung in welche Richtung wir uns | |||
in den nächsten Schritten, auch nach der Krise, bewegen | |||
werden? | |||
Vorhersagen haben immer etwas festgelegtes, doch sicher | |||
sollte sein das die jetzigen Gesellschaftsformen ein Reset | |||
benötigen, das sich sicher auch mit der Kunst transportieren- | |||
reflektieren und transformieren läßt. Die Kunst sollte immer frei | |||
und assoziativ bleiben, doch kann Kunst viele Elemente als | |||
Transportmittel integrieren und als Ausdrucksform in | |||
Auseinandersetzung und Kommunikation bringen. Diese | |||
Aufgabe kann Kunst leisten, eine Plattform zu bieten für das | |||
freie Denken um das kulturelle Bewusstsein der Menschen zu | |||
erweitern zu sensibilisieren. | |||
Eine weltweite Lebensgemeinschaft für alle Menschen, um aus | |||
den „Fallen“ unseres festgefahrenen Dogmen und Handlungen | |||
eine neue bessere Perspektive- und Bildung zu schaffen wäre | |||
eine wichtige Möglichkeit. Meine Anliegen gehen schon in | |||
diese Richtung mit dem „Institut für forschende Kunst in | |||
virtuellen Raum“ auch habe ich weitere Projekte in Arbeit, die | |||
genau auf diese gesellschaftlichen Aspekte der Erweiterung | |||
unseres Denkens und Fühlens hinzielen. Eine solche | |||
sensibilisierende Haltung ist meines Erachtens dringend | |||
notwendig in einer Gesellschaft wo das „reißerische“ die | |||
Menschen „erblindet“ und Ihnen die Möglichkeit der inneren | |||
Ruhe und reflektierenden Haltung und Denkens beraubt. | |||
Gerade jetzt wäre es eine Möglichkeit diese Wege mit der | |||
Kunst zu beschreiten und auch nach der Krise diese | |||
Bewegungen einzuleiten. Sicher auch eine „neoromantische | |||
Bewegung“ aber doch wieder eine progressive in Bezugnahme | |||
zur heutigen Zeit. Dieses kultivierte undogmatische | |||
sensibilisierte, erfinderische Denken und Fühlen in der Kunst, | |||
sollten wir besser und progressiver in die Gessellschaft | |||
übertragen und ist sicher eines der Aufgaben und Rezepte in | |||
der wir uns in der Krise und aus der Krise bewegen sollten und | |||
könnten. | |||
Dr. Marian Wild - Artist Meisterschüler Klaus Haas | |||