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Am 9. | Am 9. November 1938 wurden zwei SA-Angehörige gegen zwei Uhr morgens geweckt und zum [[Schlageterplatz]] befohlen, ein weiterer SA-Angehöriger hatte lediglich erfahren, dass Alarm sei und sich irrtümlich zum Sturmlokal "Zum Grünen Baum" begeben. Unterwegs erfuhr er von seinem Irrtum, die zwei SA-Angehörigen trafen ihn später unterwegs an. Auf dem Schlageterplatz hielt der SA-Standartenführer eine Rede, die die beiden SA-Angehörigen anhörten. Einer von ihnen erhielt kurz darauf den Befehl, die Familien Philipp in der Karolinenstraße 50 und Salamander in der Karolinenstraße 24 festzunehmen. Der zweite SA-Angehörige kam mit, um die Familie Koschland in der Simonstraße festzunehmen. Unterwegs trafen sie auf den SA-Angehörigen, der irrigerweise zum Sturmlokal unterwegs gewesen war. Dieser erhielt nun den Auftrag, zunächst den einen SA-Mann zu begleiten, dann in die Karolinenstraße zu kommen. Die zwei SA-Angehörigen gingen zunächst zum Anwesen Simonstraße 6. Die Familie Koschland wurder von ihnen zum Schlageterplatz beordert, ein SA-Angehöriger führte sie dorthin. Ein anderer SA-Angehöriger ging zum Anwesen Karolinenstraße 50, wo ein weiterer SA-Angehöriger die Familie Philipp zum Mitkommen zum Schlageterpkatz aufgefordert hatte. Auch sie folgten ohne Widerstand. Ein SA-Mann wurde vor der Wohnung bis gegen 7 Uhr morgens postiert. Zwei SA-Angehörige verhafteten anschließend die Familie Salamander aus der Karolinenstraße 24 und brachten sie zum Schlageterplatz. Zu Misshandlungen der Festgenommenen kam es nicht.<ref>NaziCrimesAtlas zu Thema Fürth zitiert: Staatsarchiv Nürnberg - GStAnw beim OLG Nürnberg 144 - Berichtsakt (11 Bl.) mit eidesstattlicher Versicherung von [[Leo Rosenthal]] vom Dezember 1945</br> | ||
Staatsarchiv Nürnberg - AG Fürth, Abg. 1985, Nr. 1626 - 1. Bd. Hauptakten (58 Bl.)</ref> | Staatsarchiv Nürnberg - AG Fürth, Abg. 1985, Nr. 1626 - 1. Bd. Hauptakten (58 Bl.)</ref> | ||
Ausschreitungen gegen Juden im Rahmen des Pogroms am 9./10. | Ausschreitungen gegen Juden im Rahmen des Pogroms am 9./10. November 1938 in Fürth. Der Täter begab sich auf Befehl seines SA-Sturmführers gegen 6 Uhr morgens am 10. November 1938 zum Alarmplatz und dann im Auftrag des SA-Standartenführers in die Wohnung des Juden [[Josef Midas]] in der Bahnhofstraße in Fürth, nahm diesen fest und führte ihn zum Alarmplatz. Der Täter war geständig.<ref>NaziCrimesAtlas zu Thema Fürth zitiert: Staatsarchiv Nürnberg - StAnw. Nürnberg 2616 - Hauptakt (45 BL.), Handakten (unblattiert, ca. 30. Bl.)</ref> | ||
Ausschreitungen gegen Juden im Rahmen des Pogroms am 10. | Ausschreitungen gegen Juden im Rahmen des Pogroms am 10. November 1938 in Fürth, widerrechtliche Festnahme und Misshandlung jüdischer Bürger, Straftaten im Zusammenhang mit der sogenannten "Arisierung" jüdischen Vermögens zwischen Mai und Dezember 1928.</br> | ||
In Fürth brachte die SA am 10. | |||
Staatsarchiv Nürnberg - GStAnw 2596/I-V - 5 Bde.; Hauptakten (607 Bl.), Handakt (ca. 200 Bl.) | In Fürth brachte die SA am 10. November 1938 alle männlichen Juden Fürths - etwa 500 bis 600 Personen - ins [[Berolzheimerianum]], einem früheren Konzertsaal. Die über 65 Jahre alten Juden wurden gegen Mittag entlassen, die Polizei entschied gegen Abend, welche der anderen männlichen Juden nach Hause entlassen und welche ins KZ Dachau kommen sollten. Im Berolzheimerianum wurden an diesem Tag mehrere Juden misshandelt. Ein Täter ging zu dem Juden Baumann und sagte ihm: "Kennst Du mich nimmer; Du weißt doch, was los ist. Das in der Wirtschaft Bayer mit den Christenmädels, das hört jetzt auf." Baumann erwiderte, er wisse von nichts, woraufhin der Täter ihn ohrfeigte. Als dieser hinfiel, trat er auf den am Boden liegenden Baumann ein. Ein Jude namens Friedmann, der helfen kommen wollte, wurde von dem Täter mit den Worten "Rühr Dich ja nichts, sonst kommst Du auch dran." zurückgewiesen. Andere Juden schlug er mit einem Gummiknüppel oder einer Rute. Andere SA-Leute misshandelten Juden, indem sie sie über Tische springen liessen. Ein weiterer Täter begab sich ebenfalls ins Berolzheimerianum und misshandelte Juden durch Stöße oder Tritte mit dem Fuß. Wieder ein anderer Täter erhielt den Auftrag von einem SA-Mann, den Juden Heinrich Wild zu holen. Wild folgte ihnen ohne Widerspruch. Im Berolzheimerianum schnitten sie Wild mit einer Nagelschere mit den Worten "Jetzt kommen Deine Kommunistenlocken herunter!" einen großen Teil der Haare ab.</br> Der stellvertretende Gauleiter Holz hatte einen Täter mit der "Arisierung" beauftragt und war seit Mai 1938 daran beteiligt, ebenso ein Grundstücksmakler. Jüdische Grundstückseigentümer wurden aufs Rathaus geladen oder dorthin von SA-Leiten gebracht. Die Täter nötigten die Juden, ihr Grundeigentum durch Verträge der Gauleitung zu 10 % des Einheitswertes anzubieten. Willigten sie ein, wurde alles sofort notariell beurkundet, weigerten sie sich, wurden sie in den Keller gebracht und dort von SA-Leuten misshandelt. Dies betraf u.a. Otto Berlin, [[Josef Midas]], [[Lothar Midas]], Ida Herzfelder, Theodor und Eduard Herzfelder, [https://www.geni.com/people/Max-Ellern-Eichmann/6000000006412257065 Max] und [https://www.geni.com/people/Martin-Ellern-Eichmann/6000000056822433896 Martin] Eichmann. Im Rathaus wurden mehr als 200 Urkunden erstellt, dabei wurden ca. 510 jüdische Grundstücke "arisiert". Für die "Arisierung" gab es bis zum 3. Dezember 1938 - Verordnung über den Einsatz jüdischen Vermögens - keine rechtliche Grundlage. Ziel des Vorgehens der Täter war die Vermehrung des Vermögens der Gauleitung Franken. Die Differenz zwischen dem an die Juden zu entrichtenden Kaufpreis und dem Preis, den "arische" Erwerber zahlen sollten, sollte dem Sonderkonto Holz gutgeschrieben werden. Die Maklergebühren sollten von den Verkäufern getragen werden. Bei Grundstücken, die von "Ariern" von Juden vor dem 9. November 1938 erworben worden waren, wurde der Kaufpreis nachträglich herabgesetzt, so daß der Käufer nur 10 % an den jüdischen Verkäufer, die restlichen 90 % an die Gauleitung zu zahlen hatte.<ref>NaziCrimesAtlas zu Thema Fürth zitiert: Staatsarchiv Nürnberg - GStAnw beim OLG Nürnberg 145 - Berichtsheft (8 Bl.), Staatsarchiv Nürnberg - GStAnw 2596/I-V - 5 Bde.; Hauptakten (607 Bl.), Handakt (ca. 200 Bl.), Hand-, Sammelakten (ca. 300 Bl.), Staatsarchiv Nürnberg - GStAnw beim OLG Nürnberg 222 - Berichtsakt (141 Bl.)</ref> | ||
Hand-, Sammelakten (ca. 300 Bl.) | |||
Staatsarchiv Nürnberg - GStAnw beim OLG Nürnberg 222 - Berichtsakt (141 Bl.)</ref> | |||
====Zeitgenössisches Zeugnis über den Novemberpogrom aus den Sammlungen Alfred Wieners und seiner Kollegen am JCIO in Amsterdam in Deutschland und Österreich<ref>[https://www.pogromnovember1938.co.uk/viewer/ The Wiener Library]</ref>==== | ====Zeitgenössisches Zeugnis über den Novemberpogrom aus den Sammlungen Alfred Wieners und seiner Kollegen am JCIO in Amsterdam in Deutschland und Österreich<ref>[https://www.pogromnovember1938.co.uk/viewer/ The Wiener Library]</ref>==== | ||