Haus Hirschmann

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Haus Hirschmann Dez 2020 1.jpg
Das Haus Hirschmann in der Bildmitte - rechts daneben das Städtische Altenpflegeheim, Okt. 2020
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Gebäude
Haus Hirschmann
Straße / Hausnummer
Würzburger Straße 51
Postleitzahl
90766
Objekt
Wohnhaus, syn. Wohngebäude
Baujahr
1930
Denkmalstatus besteht
Ja
Akten-Nr.
D-5-63-000-2062 (1)
Quellangaben
BLfD - Denkmalliste Fürth
Ehemals (abgerissen)
Nein
Baustil
Neue Sachlichkeit
Architekt
Fritz Landauer
Geo-Daten
49° 28' 45.90" N
10° 58' 22.67" E
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Das Haus Hirschmann in der Würzburger Straße 51 ist eines der mehr als raren Beispiele für die Architektur in der Formensprache der Neuen Sachlichkeit im Wohnungsbau der 1920er und 1930er Jahre in Fürth.

Beschreibung des Baudenkmals

Direktorenvilla, sog. „Haus Hirschmann“, zweigeschossiger kubischer Flachdachbau über L-förmiger Grundlinie, im Stil der Neuen Sachlichkeit, dabei Teile des Vorgängerbaues von Peringer & Rogler, 1911, und Gartenzimmer von Hans Max Mayer-Eming, 1925/26, integriert durch Umbau, Erweiterung und Innenausbau von Fritz Landauer, 1930-31.

Geschichte

Die Villa wurde ursprünglich 1874 als Landhaus für den Fürther Schneidermeister Josef Körmeier, auf einem Grundstück der heutigen Würzburger Straße 49 und 51 erbaut, später von den Bankiersfamilien Hirschmann und Kitzinger übernommen und 1930 vom jüdischen Architekten Fritz Landauer im Bauhaus-Stil umgebaut.

Das Haus Hirschmann wurde von 1930 bis 1931 von dem jüdischen Architekten Fritz Landauer für dessen Cousin Carl Hirschmann[1] gebaut. Es befindet sich in einem großen Waldgrundstück an der Würzburger Straße und wurde im Stil der Neuen Sachlichkeit entworfen. Reizvoll ist hier der Vergleich mit der ebenfalls von Fritz Landauer entworfenen neoklassizistischen Villa Kunreuther in der Kutzerstraße 47 aus den Jahren 1913/14, wobei die stilistische Entwicklung nicht nur Landauers deutlich wurde. Die Idee des Gebäudes war ganz zeitgemäß für die neue Sachlichkeit, nämlich das „Wohnen im Grünen“ vs. der bisherigen Nutzung des Geländes lediglich als Sommersitz. Bereits 1910 hatte die Familie eine kleine Villa auf dem Grundstück errichtet, die 1926 mit einem Gartenzimmer erweitert wurde. Im Gegensatz zu den sonst auf der „Grünen Wiese“ neu gebauten Gebäuden bildete hier den Grundstock die bestehende Sommervilla aus dem Jahr 1910.

Ein Abbruch kam für Carl Hirschmann aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht infrage. Stattdessen entschied sich der Architekt Landauer für Umbau und Erweiterung des Gebäudes. So entstand im Erdgeschoss ein großes Wohnzimmer mit Panoramafenstern, sowie eine Bibliothek. Das bisherige Gartenzimmer wurde als Esszimmer umgebaut, mit einer neuen Küche und einem Treppenhaus erweitert, das in den neuen ersten Stock führte, in dem sich das Schlafzimmer und ein Bad befanden. Besonders hervorzuheben ist, dass mit dem Bau 1930 auch eine Vielzahl von funktionellen Einbaumöbeln verwendet wurden, die scheinbar noch zum größten Teil bis heute (Stand 2024) vorhanden sind.

Zum Süden besitzt das Anwesen eine großzügige Sonnenterrasse, die vom Wohnzimmer über ein fünf Meter langes bodentiefes Fensterband erreichbar ist, welches mechanisch vollständig in den Boden versenkt werden kann.[2] Das ursprünglich geplante Walmdach wurde in einem zweiten Schritt durch ein flach geneigtes Pultdach ersetzt.

Trotz der in Bayern eher selten angewandten Formensprache der Neuen Sachlichkeit wurde der Entwurf von den eher konservativ geprägten Genehmigungsbehörden ohne Beanstandung genehmigt. Der Verdacht liegt nahe, dass Hirschmann durch seine guten Verbindungen zur Stadtspitze in der Gunst der Genehmigungsbehörde stand, womit das Haus Hirschmann für bayerische Verhältnisse ein seltenes Beispiel für den neuen Baustil in den Zwischenkriegsjahren bleibt. Lediglich wenige weitere Gebäude, wie z. B. das neue Stadtkrankenhaus auf der Schwand, wurden auf dem Stadtgebiet ebenfalls im Baustil der Neuen Sachlichkeit errichtet.

Zeit ab 1933

Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde ab 1933 der Druck auf die jüdischen Bankiers zunehmend größer. Im Sommer 1937 wurden die Familien Carl Hirschmann und Dr. Gabriel Kitzinger von ihren Posten als Bankdirektoren der Commerzbank-Filialen in Nürnberg sowie Fürth enthoben und ihr Eigentum - darunter auch die Grundstücke Würzburger Straße 49 und 51 von Seiten der Stadtverwaltung zwangsarisiert - und deutlich unter den marktüblichen Preisen weiterveräußert. Käufer der Grundstücke war der Großkaufmann Georg Roth, der neben seinen Lebensmittelläden in der Umgebung auch sein Wohnhaus in unmittelbarer Nähe hatte - Würzburger Straße 196. Die Familie Hirschmann konnte noch rechtzeitig im November 1937 in die USA emigrieren und entging somit einer Deportation und dem sicheren Tod. Die Witwe Carl Hirschmanns, Alice Hirschmann, gab 1973 nach dem Tod ihres Ehemannes an, dass der Verkauf des Hauses an die Familie Roth zu einem fairen Preis erfolgt sei.[3] Der Familie Kitzinger gelang die Flucht erst im Juli 1939 nach Großbritannien, große Teile ihres Grundstückes (Würzburger Straße 49) wurden unter Zwang an die Finanzverwaltung des Deutschen Reiches abgetreten.[4]

Zeit nach 1945

Nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Ende des NS-Staates 1945 wurden die Grundstücke der beiden Familien durch die US-Militärregierung beschlagnahmt und als Wohnhäuser für Beteiligte an den Nürnberger Prozessen genutzt. Während das Haus Hirschmann im Anschluss wieder an Georg Roth zurückgegeben wurde, bekam das Grundstück der Familie Kitzinger die Stadt Fürth übereignet. Letzteres wurde durch die Stadt Fürth als Bauland ausgewiesen und u. a. an Prof. Dr. Kurt Denecke - Chirurgischer Chefarzt am Klinikum Fürth - sowie an Obermedizinalrat Dr. Johann Schmidt und an den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Nürnberg Dr. Robert Strobel verkauft. Diese bauten jeweils auf den Grundstücken entsprechend repräsentative Wohngebäude, die heute noch erhalten sind - aber mit einer Ausnahme - seit Jahren leer stehen.[5] Im Bereich der Hardstraße wurde bereits 1954 ein Teil des Grundstückes durch die Stadt veräußert. Es entstanden entlang der Straße zwei Wohnblöcke mit Sozialwohnungen, die 2015 durch die städtische WBG umfassend saniert wurden.[6]

Denkmalstatus

2025 wurde vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege, zusätzlich zum Gebäude, auch die Inneneinrichtung der früheren Direktoren-Residenz, als fester Bestandteil des Einzelbaudenkmals, in die Denkmalliste aufgenommen und unterliegt damit den Bestimmungen des bayerischen Denkmalschutzgesetzes.

Besonders hervorgehoben werden die funktionale Poggenpohl-Einbauküche und das passgenaue Mobiliar, das als Vorläufer moderner Einbauküchen gilt. Auch Einbauschränke, die unverändert originale Garderobe mit gläserner Hutablage und ein schlichter Schirmständer gelten als beispielhaft für den Bauhaus-Gedanken. Die architekturhistorische und künstlerische Bedeutung des Innenausbaues wurde anerkannt.

Die Fürther Stadtheimatpflegerin begrüßt den Schutz der Inneneinrichtung und betrachtet Pläne für ein großes Kulturzentrum als erledigt. Eine Nutzung als Museum oder für Ausstellungen und kleine Veranstaltungen wären vorstellbar.

Ihre Forderung, baldmöglichst sämtliche Elemente zu dokumentieren, wird von der Baureferentin Christine Lippert als unnötig betrachtet. Von der unteren Denkmalschutzbehörde und dem Landesamt für Denkmalpflege soll dies geprüft werden, auch, ob mögliche Veränderungen in Betracht kämen.[7]

Bebauungspläne

Im Jahr 2024 wurde bekannt, dass der Eigentümer der Villa, einschließlich der Grundstücke mit altem Baumbestand, die Annaliese Roth Stiftung ist. Die Stiftung gab gegenüber der Öffentlichkeit bekannt, dass sie einen Verkauf der Grundstücke samt Villa plante. Damit einher gingen die Planungen für eine Bebauung der Grundstücke, wobei das Haus Hirschmann als Einrichtung mit kulturellem Schwerpunkt erhalten bleiben sollte. Als Käufer des Grundstückes wurde die städtische Wohnbaugenossenschaft WBG Fürth präsentiert. Dabei sahen die Pläne der WBG Fürth vor, auf dem knapp 20.000 qm großen Grundstück ca. 170 Wohneinheiten zu schaffen, darunter Eigentumswohnungen sowie sozial geförderte Wohnungen - z. B. für Senioren und Studenten. Gegen diese Form der Grundstücksnutzung (Bebauung) formierte sich in der Bevölkerung rasch eine Gegenöffentlichkeit, darunter auch die Stadtheimatpflegerin Karin Jungkunz. Unter anderem gründete sich im September 2024 die Bürgerinitiative Grünes Juwel Hirschmann-Park, in der überwiegend umliegende Anwohner organisiert waren und sich gegen eine Bebauung des Grundstücks aussprachen. Als Fürsprecher einer Bebauung meldete sich im Oktober 2024 der Seniorenrat der Stadt Fürth, der den Bau von barrierefreie Wohnungen sowie die Öffnung des Grundstücks grundsätzlich begrüßte.[8]

Sonstiges

Die Villa Kunreuther in der Kutzerstraße 47 und das Haus Hirschmann waren 2002 Gegenstand einer Ausstellung im Jüdischen Museum Franken. Beide Gebäude wurden von dem bedeutenden Architekten Fritz Landauer gebaut, allerdings repräsentieren beide jeweils einen neuen prägenden Baustil ihrer Zeit.

Literatur

  • Simon Rötsch: Zwischen Park und Acker - Zur Bauhistorie der Würzburger Straße 49 & 51 in Fürth, Eigenverlag, 2022

Lokalberichterstattung

  • Martin Möller: Jüdischer Glaube im Dialog mit der Zeit. In: Fürther Nachrichten vom 23. Oktober 2002 - online
  • Elegantes Bauen in Fürth, in: Fürther Nachrichten vom 13. Juni 2023, S. 30 (Druckausgabe)
  • Armin Leberzammer: Große Pläne im Fürther Westen. In: Fürther Nachrichten vom 10. Juli 2024 (Druckausgabe)
  • hän: Fürther Grüne werfen dem OB Intransparenz vor. In: Fürther Nachrichten vom 10. Juli 2024 (Druckausgabe)
  • Armin Leberzammer: Hier entstehen 170 neue Apartments. In: Fürther Nachrichten vom 12. Juli 2024 (Druckausgabe)
  • Wolfgang Händel: Naturschutz bangt um Baumbestand. In: Fürther Nachrichten vom 20. Juli 2024 (Druckausgabe)
  • Alexandra Voigt: Anwohner verfassen eine Petition. In: Fürther Nachrichten vom 6. August 2024 (Druckausgabe)
  • BMPA: Städtebauliches Juwel am Rande der Innenstadt. In: INFÜ, Nr. 15 vom 7. August 2024, S. 38 - PDF-Datei
  • Alexandra Voigt: Von der Ruheoase zum mondänen Familiensitz. In: Fürther Nachrichten vom 31. August 2024 (Druckausgabe)
  • Alexandra Voigt: Kritik der Stadtheimatpfleger. In: Fürther Nachrichten vom 7. September 2024 (Druckausgabe)
  • Alexandra Voigt: Protest gegen Hirschmann-Baupläne. In: Fürther Nachrichten vom 10. September 2024 (Druckausgabe)
  • Alexandra Voigt: Hirschmann-Areal: BI legt los. In: Fürther Nachrichten vom 25. September 2024 (Druckausgabe)
  • Gwendolyn Kuhn: Hirschmann-Areal: Votum für die Bebauung. In: Fürther Nachrichten vom 27. September 2024 (Druckausgabe)
  • Alexandra Voigt: Bürgerinitiative hat viele Pläne. In: Fürther Nachrichten vom 11. Oktober 2024 (Druckausgabe)
  • Birgit Heidingsfelder: Seniorenrat sieht eine Chance. In: Fürther Nachrichten vom 18. Oktober 2024 (Druckausgabe)
  • Alexandra Voigt: Welche Tiere leben im Hirschmann-Park? In: Fürther Nachrichten vom 12. Dezember 2024 (Druckausgabe)
  • Alexandra Voigt: Hirschmann-Küche auf Denkmalliste. In: Fürther Nachrichten vom 9. Juli 2025 (Druckausgabe)
  • Alexandra Voigt: Hirschmann-Areal als Hitzeschutz. In: Fürther Nachrichten vom 14. Juli 2025 (Druckausgabe)

Siehe auch

Weblinks

  • haGalil: Der Architekt Fritz Landauer: Synagogenbau und Projekte in Fürth und Nürnberg - Website

Einzelnachweise

  1. Fritz Landauers Vater Joseph war der Bruder von Fanny Hirschmann, geb. Landauer, der Mutter von Carl Hirschmann.
  2. Arno Buchegger Stiftung Augsburg, Sammlung Fritz Landauer, Planunterlagen Haus Hirschmann
  3. The Suzanne Statland Collection in Holocaust Studies, Transcript des Interviews von Alice Hirschmann und Suzanne Statland, Kansas City 1973, S. 9
  4. Staatsarchiv Nürnberg, Bayerisches Landesamt für Vermögensverwaltung und Wiedergutmachung, Außenstelle Nürnberg, Nr. 1642
  5. Stadt Fürth, Bauarchiv Fürth, Bauakten der Hardstraße 36 (Haus Strobel), Hardstraße 38 (Haus Schmidt) und Hardstraße 56 (Haus Denecke)
  6. WBG Fürth (Hg.): 100 Jahre Ludwig III. und Königin Marie Therese Goldene Hochzeitsstiftung, Fürth 2018, S. 17 f
  7. Alexandra Voigt: Hirschmann-Küche auf Denkmalliste. In Fürther Nachrichten vom 9. Juli 2025, Seite 29 (Druckausgabe)
  8. Birgit Heidingsfelder: Seniorenrat sieht eine Chance. In: Fürther Nachrichten vom 18. Oktober 2024, S. 25 (Druckausgabe)

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