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FREIE AKTENEINSICHT INSTRUMENT ZUR KONTROLLE DER BEHÖRDEN - MEHR NOCH: ÜBERFÄLLIGES BÜRGERRECHT Im letzten Altstadt-Bläddla wurden zwei Möglichkeiten zu direkter Demokratie und radikaldemokratischer Mitbe­ stimmung bzw die aktuelle Diskussion um sie vorgestellt: der Burgerentscheid und die Verbandsklage In dieser Ausgabe soll nun eine weitere Chance zur wirkungsvollen Bürgerbeteiligung an bürokratischen Planungsabläufen und zu ihrer Kontrolle beschrieben werden: die Freie Akteneinsicht — teilweise in anderen Staaten erfolgreich praktiziert, in unserem Land einstweilen noch Zukunfts­ vision. Aber so wie man morgen zum Heute bereits ..Ge­ stern" sagt, kann auch sehr rasch aus Utopie Realutopie, aus Realutopie Realität werden!

Datenschutz für die Bürokratie statt für den Bürger? In den vergangenen Jahren wurde viel und zu Recht über Datenschutz gesprochen. So ist allmählich beim Burger ein Bewußtsein entstanden von bereits realen und erst künftig gefährlichen Folgen ungezügelter Datensamm­ lung und ständiger Datenverarbeitung Die unterschied­ lich gespeicherten EDV-Informationen — Stromrech­ nung. Versicherungsdaten. Personalkartei, polizeiliche und politische Informationssysteme von Flensburg bis zum Verfassungsschutz — ermöglichen je nach Intention ihre Zusammenfuhrung und Auswertung. Auch ohne „Hundemarke“ oder „polizeiliches Fußganger­ kennzeichen" ist Otto Normalverbraucher ein enthüllba­ res Objekt der staatlichen und kommunalen Bürokratien und ihres wodurch auch immer definierten Datenhungers. Das Bild des ..geröntgten (und geleimten) Bürgers“ ist lei­ der keine Horrorvision ä la ..1984" (wie das gleichnamige Buch von George Orwell vor Zeiten bereits prophezeite). „Big brother is always watching yoü* — als Klosettschmie­ rerei längst nicht mehr witzig; als verkürzte, optische Floskel hat es seine traurige Gültigkeit! In deutlichem Gegensatz dazu ist das Dickicht staatlicher und städtischer Bürokratien immer mehr gewachsen, der Instanzendschungel immer undurchsichtiger geworden Während auf der einen Seite die Fähigkeit der giganti­ schen Bürokratien zur Dauerkontrolle des Bürgers immer umfassender wird, hat sich hingegen die Chancexies ur­ sprünglichen „Souveräns" der Demokratie —- eben des Burgers — zur Überprüfung bürokratischer Entscheidun­ gen und Handlungen zusehends verringert. Dies gilt teilweise auch für Politiker: auch der Parlamenta­ rier auf kommunaler, regionaler oder oberster Ebene ist heute auf die Kooperationsbereitschaft der Bürokratie angewiesen. In diesem Zusammenhang ist dieser deshalb häufig allzu rasch bereit, auf das konstitutive Prinzip des demokratischen Parlamentarismus — die Öffentlichkeit — zu verzichten, wenn die Bürokratie nur um diesen Preis gewillt ist, ihn in ihre Akten und damit Planungsmecha­ nismen hineinschauen zu lassen. Inzwischen haben sich gar die Bürokraten den Begriff des Datenschutzes zu eigen gemacht, um unliebsame Anfra­ gen nach Datenbeständen und Unterlagen abzuwimmeln — in perverser Umkehrung seiner ursprünglichen Funk­ tion! So wenig sie sonst vom Prinzip des Datenschutzes halten, hier ist ihnen der Begriff hochwillkommen: geht es doch unter dem Deckmantel des Datenschutzes um büro­ kratischen Tatenschutz

„Freie Akteneinsicht1' als demokratisches Kontrollinstrument Wer nun. um zwielichtige Planungsvorgänge transparent und nachvollziehbar werden zu lassen, und ihnen recht­ zeitig gegensteuern zu können, die Forderung nach prin­ zipiell freiem Zugang zu Amtsunterlagen. Akten und Da­ tenbestanden fordert, der steht deshalb keineswegs im Widerspruch zum sicherlich unumstrittenen Datenschutz

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im Sinne der Vertraulichkeit personenbezogener Aussa­ gen. Die Forderung nach einer transparenten, burgernahen Verwaltung, die durch die Verpflichtung zur Offenle­ gung ihres Datenmaterials dem Burger wieder mehr Kon­ trollmöglichkeit verschafft, ergänzt zum anderen in sinn­ voller Weise die Forderung an Behörden, zum Schutz des Burgers vor einer allgewaltigen und allgegenwärtigen Staatsgewalt mit der Datensammlung, -Speicherung und -aufbereitung vorsichtiger als bisher umzugehen Zugegeben: gemessen an der obrigkeitsstaatlichen Tradi­ tion bürokratischen Handelns gerade in unserem Lande („Ruhe ist die erste Bürgerpflicht“ und ähnlicher konven­ tioneller bis reaktionärer Unsinn!) ist das Beharren auf das Recht zu prinzipieller Aktenoffentlichkeit schier revolu­ tionär. Gemessen am demokratischen Modell, dem alle —also auch die Bürokratie — verpflichtet sind, ist die Forde­ rung dagegen geradezu banal. Sie besagt letztlich nur, daß der staatliche und kommunale Organisationsapparat gegenüber seinem Bürger in die Pflicht genommen ist. seine Entscheidungsgrundlagen und Handlungen offen darzulegen

So wurde früher der Burger in seine elementaren Bestandteile zerlegt (Kupferstich von William Hogarth. 1697 — 1764): heute geschieht das mit versteckteren Methoden

Die heute meist widerwillig praktizierte ..Vorgezogene Bürgerbeteiligung" und „öffentliche Auslegung" von Planungsprojekten ist nur scheinbar ein erster Schritt in diese Richtung Denn in Wirklichkeit ist zu einem solchen, relativ spaten Zeitpunkt im gesamten Planungsverlauf längst alles, zumindest in den Grundzugen, gelaufen! Etli­ che Fürther Beispiele — wie die zeitgenössischen Tragö­ dien und Tragikomödien vom Geismann-Areal und Bahn­ hofsplatz — zeigen dies überdeutlich Alibiartige, kosme­ tische Nachtragskorrekturen sind aber ein schwacher Trost für den politisch interessierten und sozial aktiven Burger; „Augenwischerei“ ist in den allermeisten Fallen das methodische Prinzip so mancher Bürokratie: Unwille, Unfähigkeit oder Unsicherheit („Beruhrungsängste") sind dagegen oft die wahren Hintergründe. Selbst Bundeswohnungsbauminister Haack — dem gewiß kein radikales Denken oder Handeln untergeschoben wer­ den kann — hat bei der Erlanger Tagung über „Burgerbeteiligung in der Stadt- und Landschaftsplanung" vom September dieses Jahres die Diaiogblockade kommuna­ ler Verwaltungen trotz mancher rechtlichen Vorausset-