Altstadtverein Fürth ________
Der Angriff scheitert
Anfang September scheiterte der deutsche Angriff in Frank reich und damit die gesamte strategische Planung, die Of fensive wurde in der MarneSchlacht gestoppt. General stabschef von Moltke nach sei nem darauf folgenden Nerven zusammenbruch entlassen. Da die Planungen in der Öffent lichkeit jedoch nicht bekannt war. konnte man die Niederla ge als einen strategischen Rückzug kaschieren. Der Schwerpunkt der Kämpfe verlegte sich immer weiter in den Norden bis nach Flandern. Bei Ypern entwickelten sich er bitterte Gefechte (20. Oktober bis 18. November 1914). In al ler Eife aufgestellte deutsche Reservekorps erlitten verhee rende Verluste. Ungenügend ausgebildete und von Reserve offizieren ohne Fronterfahrung geführte junge Soldaten gingen hier zu Zehntausenden in den Tod. ohne irgendein nennens wertes Ziel zu erreichen. Unter den 260 Verletzten aus Ypern, die am 21. November 1914 in Fürther Lazarette eingeliefert wurden, befand sich ein I5jähriger, der am 12. Dezember 1914 starb Dennoch entstand aus einem Kommunique der OHL (Ober sten Heeresleitung) der Langemarck-Mythos: „Westlich von Langemarck brachen junge Re gimenter unter dem Gesänge .Deutschland. Deutschland über alles' gegen die erste Linie der feindlichen Linien vor und nahmen sie.“ Die erstaunliche Leerstelle des Textes. Tod, wurde zum ersten Jahrestag 1915 aufgefüllt, so ein Zei tungskommentar (Deutsche Tageszeitung) vom 11. Novem ber 1915: „Der Tag von Lange marck wird in alle Zeiten ein Ehrentag der deutschen Ju gend bleiben... Wohl fielen an ihm ganze Garben von der Blü te unserer Jugend...: aber den Schmerz um die tapferen Toten überstrahlt doch der Stolz dar auf. wie sie zu kämpfen und zu
sterben verstanden“. - Das Ent stehen des Langemarck-My thos war das erste bedeutende Beispiel verschiedener erfolg reicher Versuche in diesem Krieg, militärische Niederlagen in moralische Siege umzudeu ten. Da mit den „jungen Regi mentern" auch zahlreiche Stu denten in den Tod gingen, gab und gibt es in vielen Universi tätsstädten einen „LangemarckPlatz“, in unserer Nachbarstadt Erlangen heißt der Platz vor der zentralen Mensa heute noch so. Dabei war Flandern in jenen Ta gen - die Ortschaft Langemarck wurde wohl wegen des deut schen Klanges eher künstlich in den Vordergrund geschoben lür die vielen kriegsbegeisterten Studenten ein Ort des Grauens, der Zerstörung und des Todes, für die meisten auch ein Ort des Übergangs vom frühen Enthusi asmus zu Enttäuschung und Verzweiflung, so ein Brief eines Studenten vom 28. Oktober 1914: „Mit welcher Freude, wel cher Lust bin ich hinausgezo gen in den Kampf, der mir als die höchste Gelegenheit er schien. Lebensdrang und Le benslust sich austoben zu las sen. Mit welcher Enttäuschung sitze ich hier, das Grauen im Herzen“.
Im Westen nichts Neues
Alle Durchbruchsversuche bei der Seiten schlugen 1914 fehl, eine über 700 Kilometer lange Front von der Nordsee bis zur Schweizer Grenze erstarrte im Stellungskrieg, an den Frontab schnitten lagen die vordersten Gräben oft kaum 50 Meter von den feindlichen Stellungen ent fernt: „Granattrichter von 3 m Tiefe und 10-12 m Durchmes ser liegen vor und hinter den Geschützständen, - es ist eine richtige Wildnis. Und so wie in unserer Feuerstellung, so sieht es in dem ganzen, großen, herr lichen Eichenwald aus. Seit 10 Tagen haben wir zum ersten
Mal dauernd Sonnenschein, da läßt sich alles noch ertragen, aber grausig waren die ersten Wochen mit ihrem unaufhörli chen Regen, der alles ringsum in Sumpf verwandelte. Man konnte keine 10 Schritt weit ge hen, ohne daß man bis an die Knie versank... So tobten wir durch die Gegend, ewig im schwersten Feuer, ohne jede Deckung. Alle Augenblicke warf man sich hin. wo man stand und ging, um nicht getroffen zu werden, von oben bis unten mit dicker feuchter Lehmkruste be deckt, suchten wir abends ein Stündchen Schlaf in den Unter ständen, in denen das Wasser stand. Vor Ungeziefer und Näs se und Kälte konnten wir nicht schlafen, stürzten ans Geschütz und lösten die todmüden Ka meraden ab, nur daß wir warm wurden... Und dann kamen die Tage, an denen uns die Franzo sen entdeckt hatten, als die Ge schütze Volltreffer bekamen, als alles hall und einsprang und daneben lagen und brüllten vor Schmerzen die halbverkohlten Kameraden und keiner konnte hellen...“ Entsprechende Berichte wurden jedoch zurückgehalten, anderes in den Vordergrund gestellt, so zeigt Paul Rieß exemplarisch, was der Mann aus dem Volke und das war Rieß - wahrnahm, wenn er nicht von der Feldpost eigener Verwandter eines bes seren belehrt wurde:
Straßen standen truppenweise die Leute beisammen, ebenso in den Büros und Fabriken. Das Rathaus und alle Straßen waren im Nu mit deutschen, österrei chischen, ungarischen und bayerischen Fahnen ge schmückt. Sogar einige türki sche Fahnen waren darunter. Die Michaelskirche ließ als er ste den ehernen Klang ihrer Glocken ertönen, das schöne Geläute des Rathauses folgte und bald darauf alle Kirchen glocken. Das Läuten währte 1 Stunde fang. Abends 7 Uhr zog die Wehrkraftkapelle vor das Rathaus und unter schneidigen Märschen durch die Straßen der Stadt, gefolgt von einer un geheuren Menge Menschen. Nach dem Abendgotfesdienst hielt Stadtpfarrer Fronmüller von der Freitreppe aus eine be geisterte Ansprache. Ein Hoch auf unseren Kaiser, auf Hinden burg und auf unser Heer im Osten und im Westen, zu Was ser, zu Land und in der Luft und der Gesang .Deutschland, Deutschland über alles' be schloß die erhebende Feier".
Erlebnis und Wir
kung
Es war ein unerwartetes Erwa chen. als die Oberste Heereslei tung Ende September 1918 ei nen sofortigen Waffenstillstand verlangte. Nach den ständigen Durchhalteparolen und den Siegesmeldungen bis zuletzt wirkte dies wie ein Schock. Die deutschen Truppen standen bis Kriegsende tief in Feindesland, auch bei den Sozialdemokraten glaubte man bis zuletzt, daß ein Waffenstillstand auf Vorkriegs status ohne weiteres zu haben sei.
4. Dezember 1914. „Bis jetzt haben aus hiesiger Stadt u. Garnison 170 Helden das Ei serne Kreuz erhalten. Der jüng ste Träger dieser Ehrenaus zeichnung ist der 16 V2jährige Sohn des Cigarrenhändlers Ju stus Bendit in der Weinstrasse. Der Tapfere dient als Kriegsfrei williger beim 21. Inf. Regiment. Er ist Israelit.“ Eine Niederlage des Reiches war einfach nicht vorstellbar 17. Dezember 1914: Nachmit gewesen. tags um 2 Uhr erreicht Fürth die Nachricht, daß „der russische Die Realität und ganz beson Generalangriff auf die schlesi ders dann der Ausgang des sche und posenische Ostmark Krieges verstörte die Öffentlich völlig gescheitert“ ist. „In den keit, die vielfach Anhänger ei15