Seite:Altstadtblaeddla 038 2003-2004.pdf/4

Aus FürthWiki

Diese Seite wurde noch nicht korrekturgelesen.

©

Altstadtverein _______ Furth

Das Treppenhaus der Opera Garnier. Foto: 4. Mayer.

gen sollten. Aus dem geistli­ chen Spiel entwickelte sich das weltliche Theater, erat im 16. Jahrhundert gab es in England wieder die eigenständige Thea­ terbauform, an den Höfen der italienischen Renaissancefür­ sten entwickelte sich die noch heute gültige Grundform des Theaterbaus

Fassadengesta Itung

nach großen Vorbil­ dern Bis weit in das 18. Jahrhundert - mancherorts bis ins 19. Jahr­ hundert - hinein zeigten die Theater ein schlichtes und an­ spruchsloses Gesicht wie das alte Fürther Theater an der Ecke Rosen-/Theaterstraße. Das 19. Jahrhundert verlangte nach ganz neuen Konzepten, das Hoftheater entwickelte sich zum Stadt- oder Nationaltheater. Der Theaterbau stieg erst um 1800 zu einem eigenständigen Bautypus auf, die Fassade soll­ te den Stellenwert des Gebäu­ des versinnbildlichen. Gottfried 4

Semper war einer der ersten, der dieses Prinzip zunächst mit dem Ersten Dresdner Hofthea­ ter (1838-1841) und später mit der .Semperoper" (18711878) verwirklichte. Neben der Hofoper in Wien (1861 -1869) muß als besonderer Höhepunkt sowohl des Historismus wie auch des Theaterbaus die Pari­ ser Oper (1861-1874) von Charles Garnier im neubarokken Stil genannt werden, wohl das prächtigste und mit über 11.000 Quadratmetern das an Fläche größte Theater der Erde, auch wenn seine 2.200 Sitz­ plätzen von einigen anderen Theatern noch übertroffen wird (z.B. von der New Yorker Me­ tropolitan Opera mit nicht weni­ ger als 3.800 Plätzen). Vor al­ lem die von Garnier aus ver­ schiedenfarbigen Marmor ge­ staltete, großartige Haupttrep­ pe gilt als Meisterwerk, auch wenn sie auf den heutigen Be­ trachter etwas arg düster wirkt. Damals galt diese Oper jedoch als Höhepunkt nicht nur des öf­ fentlichen Geschmacks, son­ dern auch des gesellschaftli­

chen Lebens, dem denn auch mit einer riesigen Eingangshal­ le, einem großen Foyer und dem bis zum Dach reichenden Trep­ penhaus mehr als ein Drittel der gesamten Anlage gewidmet wurde.

Fellner & Helmer Fellner&Helmer ließen immer wieder Elemente dieser Monu­ mentalbauten in ihre Theater einfließen. Hermann Helmer aus Harburg (heute ein Stadtteil von Hamburg) trat 1868 in das Wie­ ner Büro des gleichnamigen Va­ ters von Ferdinand Fellner ein, der 1871 starb, so daß Ferdi­ nand Fellner junior das Büro übernahm. Fellner und Helmer begannen jeweils ihr erstes Theater im Jahre 1870, Helmer wurde 1873 gleichberechtigter Partner, im Jahre 1874 verwirk­ lichten die beiden erstmalig ge­ meinsam in Budapest ein Thea­ ter. Innerhalb von nur 43 Jahren entstanden aus ihren Entwürfen 48 Theater in 39 Städten. Der Wirkungskreis wird im Norden von Hamburg, im Süden von So­

fia. im Westen von Zürich und im Osten von Odessa begrenzt. Fürth nimmt in der mir vorlie­ genden Werkliste den 35. Platz ein (nach anderen Angaben Nummer 42), ist also schon fast ein Spätwerk. Fellner&Helmer lieferten Konfektionsware, sie nahmen an zahlreichen Archi­ tektenwettbewerbe teil und konnten nur wenige nicht für sich entscheiden. Mit ihrer Ar­ chitektur von der Stange waren sie konkurrenzlos billig, sie ga­ rantierten Qualität bei kurzer Bauzeit. Das Fürther Theater kostete 1,1 Millionen Mark, das große Grazer Stadttheater mit immerhin 2.000 Sitzplätzen 950.000 Gulden, das waren etwa 1,7 Millionen Mark. Insge­ samt kosteten sämtliche 48 Fellner&Helmer Theater etwa genau so viel wie die schon er­ wähnte Grand Opera in Paris (Palais Garnier) mit 2.200 Sitz­ plätzen. Ob jetzt die Grand Ope­ ra oder die 48 Theater von Fellner&Helmer mehr für die europäische Kultur geleistet ha­ ben, das möge jeder selbst für sich entscheiden.