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den Abendgottesdienst abgehalten. Der helle Kirchenraum erstrahlte jetzt in warmen rot-weißen Farben. OB Scherzer überbrachte im Sonntagsgottesdienst ein Grußwort der Stadt. Nach den ersten Orgelklängen zerbarst eine Glühbirne auf der Empore mit lautem Knall. Nur wenig später ertönten die echten Böllerschüsse zum Beginn der Kirchweih. Die Entwicklung war beängstigend: Die bereits erwähnten negativen Ergebnisse der Jugendkriminalität auf Bundes- und Landesebene machten auch vor Fürth nicht Halt. Während 1977 in ganz Bayern der Anteil der Kinderkriminalität bei 5,6% bzw. Jugendlichen bei 13,6% lag, lauteten die entsprechenden Zahlen für die Stadt Fürth 7,9% bzw. 14,1%. Bei 36 ermittelten Raubüberfällen im Stadtgebiet Fürth waren allein sechs Kinder und neun Jugendliche beteiligt. Man rätselte über die Gründe. Guter Rat war teuer! Mittwoch, 4. Oktober 1978 Damals an der Tagesordnung: Südtiroler Extremisten, die für den Anschluss ihrer Region an Österreich eintraten, sprengten in Bozen ein Denkmal des italienischen Kriegshelden Damiano Chiesa in die Luft. Die gesamte Gedenkstätte erinnerte an den Sieg Italiens über Österreich im ersten Weltkrieg. Die Fürther Jugend bekam einen neuen Treff: Im Gebäude Ecke Alexander- und Hallstraße (ehemalige Gaststätte „Fischküche“) entstand ein Jugendrestaurant. Für die alkoholfreie Führung des Lokals waren das Fürther Jugendamt und Jugendpfleger Horst Volk zuständig. Die alkoholfreie Getränkekarte ging von 0,50 DM bis 1,50 DM. Abends gab es viel Musik sowie Dichterlesungen, heute auf Neudeutsch „poetry slam“. Man wollte für die Zeit der Fürther Kirchweih einen Probelauf starten und die Akzeptanz prüfen. Das größte Bild im fränkischen Raum entstand in Fürth: Der Nürnberger Maler Heinz Günther pinselte auf die Brandmauer des Hauses Ecke Nürnberger und Gustav-Schickedanz-Straße drei Stockwerke hoch eine italienische Landschaft mit viel grünem Blättergeranke. Das über 20 m hohe Bild ist heute verschwunden, seitdem ein Hotelneubau (Astron-Hotel, später NH-Hotel) daran angebaut wurde. Anlässlich der Fürther Kirchweih stellte die Deutsche Bank in Fürth verschiedene typische fränkischen Gegenstände aus. Das Fränkische Freilandmuseum in Bad Windsheim lieferte alles - vom Hobel bis zum Wäschekorb - in die Fürther Schalterhalle. Donnerstag, 5. Oktober 1978 Streit zwischen dem renommierten Chirurgen Prof. Dr. Julius Hackethal und Mildred Scheel, der Gattin des amtierenden Bundespräsidenten und Gründerin der Deutschen Krebshilfe: Der Anfang der sechziger Jahre auch an der Uniklinik Erlangen tätige Mediziner nannte die von Scheel empfohlenen Untersuchungen zur Krebsvorsorge einen „gefährlichen Humbug“. Durch die Eingriffe der Ärzte entstünde aus einem harmlosen „Haustierkrebs“ erst ein gefährlicher „Raubtierkrebs“. Tröstlich: Das pleite gegangene Fürther Bahnhof-Center blieb keine Bauruine: Die „Deutsche Bau- und Bodenbank“, Hauptgläubiger der in Konkurs gegangenen Fürther Franken-Wohnbau, ersteigerte den Renommierbau im Sitzungssaal 112 des Fürther Amtsgerichtes für 14,84 Mio DM. Laut Gutachten hatte der Verkehrswert des Loebermann-Baus bei 21,2 Mio DM gelegen. Der neue Eigentümer hatte über 32 Mio DM Ansprüche (20 Mio DM für Hypotheken und 12 Mio DM Zinsen) an die Franken-Wohnbau gehabt. Jetzt musste man noch einige Millionen in die Hand nehmen, um den Bau fertigzustellen. 175 behördlich geforderte Parkplätze fehlten zudem immer noch. Die „Bürgervereinigung St. Michael“ hatte ein neues Ziel: Man wollte das alte Torbogenhaus am Ende des Waagplatzes renovieren. Zur Finanzierung verkaufte man auf der Fürther Kirchweih Sweat-shirts mit Motiven von Siegfried Reinert. Freitag, 6. Oktober 1978 Das Erzbistum von Bamberg entzog einem Nürnberger Studienrat die Lehrerlaubnis („Missio canonica). Der Pädagoge, der auch noch Deutsch unterrichtete, durfte seine zwölf Stunden im Fach Religion nicht mehr unterrichten, weil seine beiden Kinder im Alter von vier und sechs Jahren noch nicht getauft waren. Sein Religionsunterricht fiel ersatzlos aus. Da seine Ehefrau der evangelischen Kirche angehörte, war er somit wahrscheinlich „des Teufels“. Das „Ufo 2000“ war die absolute Attraktion auf der Fürther Kirchweih. Der Fürther Schausteller Josef Dölle hatte sich das aus Bremen stammende Gefährt für 1,2 Mio DM angeschafft. Das „Super-Round-up“ mit 48 Plätzen hob sich voll hydraulisch 90 Grad in die Senkrechte. Im Scheitelpunkt saß man 22 Meter über dem Erdboden. Eine Fahrt mit dem „Herumwirbler“ dauerte 2:15 Minuten. Insgesamt gab es 1978 auf der Fürther Kirchweih 37 „noch nie dagewesene“ Geschäfte. Das Fürther Filmprogramm zum Monatsbeginn: „Grease“ mit John Travolta und Olivia Newton-John (Clou), „12 Uhr nachts“ mit Brad Davis und Irene Miracle (Country), „Höhenkoller“ mit Mel Brooks und Madeline Kahn (KronprinzKinocenter I), „Die Wildgänse kommen“ mit Richard Burton und Hardy Krüger (Kronprinz-Kinocenter II) sowie „Summer Night Fever“ mit Stephane Hillel und Olivia Pascal (Kronprinz-Kinocenter III).

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