Rundfunkgeschichte Können auf der Geige, dem Cello, der Klarinette und an den faustgroßen Reglern des Lichtbogensenders. Die Geschichte des deutschen Rundfunks beginnt mit einem Hügel, der nach der Jahrhundertwende in den Blick des kaiserlichen Heeres gerät. Wer Krieg führen will, sucht seit je die Übersicht. Schnell wird erkannt: Höhe befördert auch die Verbreitung der unsichtbaren Wellen. Der Windmühlenberg ragt zwar nur ein paar Dutzend Meter auf, aber rundherum ist Brandenburg ganzflach. Die Soldaten kommen mit Pferd und Wagen. Sie haben wuchtige Apparate und Akkumulatoren dabei. Sie experimentieren. Das Kommando führt Rittmeister Egbert von Lepel, ein Elektrotechniker, dessen Morsekürzel – LP – in fernerer Zukunft etwas völlig anderes, auch sehr Be-
schwingtes bezeichnen wird. Der Windmühlenberg gehört zur Gemarkung Königs Wusterhausen. Das Städtchen im Südosten Berlins hat einen Bahnhof, das ist die neue Zeit. Die feudalen Besitzverhältnisse dagegen bleiben auf ewig in den Namen eingeschrieben. Seit 1718 ist das frühere Wendisch Wusterhausen des Königs Wusterhausen. Friedrich Wilhelm I., der Soldatenkönig: seineJagd,seinSchloss,seine Stadt. Kupferdraht mit Gummibaumsaft Die Männer des Luftschiffer- und Telegraphenbataillons lassen im Jahr 1911 Drachen und zigarrenförmige Ballone steigen, an denen sie lange DrähteindieLüfteziehen.Die Königs Wusterhausener findendasputzig.Umzuverstehen, was das soll, fehlen ihnen
Dr. Hans Bredow bei der Grundsteinlegung des Haus des Rundfunks am Reichskanzlerplatz in Berlin 1929. CC Bundesarchiv Bild 102-07834, Berlin.
noch die Antennen. Elektrizität ist seit Jahrzehnten im Kommen. Werner von Siemens isoliert 1846 Kupferdraht mit Gummibaumsaft, hat ein Kabel. Philipp Reis spricht 1861 durch ein nachgebautes Ohr mit Wurstpelle und Platinstreifen, das Telefon. Edison setzt 1880 einen Bambusfaden in eine Lampe und bringt sie 1200 Stunden lang zum Glühen. Von Berlin aus fährt seit 1902 sogar eine Untergrund- und Hochbahn in die Nachbarstadt Charlottenburg. Aber das jetzt? Die Experimente gelingen. Im Jahr1914erwirbtderMilitärfiskus ein zunächst 24 Hektar großesGeländevonderköniglichen Hofkammer. Kommandantur, OfÏzierskasino, Kammergebäude, Reitstall und Schmiede werden gebaut. 600 Mann gehen in Stellung. Die kaiserliche Heereszentralfunkstelle entsteht. Der Windmühlenberg wird zum Funkerberg. Während des Ersten WeltkriegeswirdEgbertvonLepel an die Westfront geschickt, ins französische Reims. Dort trifÚ er auf Leutnant Bredow, eigentlich Dr. Bredow, Hochfrequenztechniker, Geschäftsführer eines vom Kaiser vermittelten Start-ups in Berlin, dessen Markenzeichen bald alle Welt kennt: Telefunken. HansBredowsMetieraufdem Schlachtfeld sind Telegrafie, Frontberichte, erste mobile Röhrensender.Nochwirdgetickert. Aber in Gefechtspausen
Rundfunk & Museum 100 – Februar 2021
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