Seite:Altstadtblaeddla 038 2003-2004.pdf/8

Diese Seite wurde noch nicht korrekturgelesen.

Altstadtverein _______ Fürth

Demokratische

Europäisches

Balkone

Theater

Im Vestibül wurde in Fürth wie bei anderen eher kleineren Theatern auf eine repräsentati­ ve, zentrale Haupttreppe ver­ zichtet, Diagonaltreppen führen in die oberen Geschosse. Ähnli­ che Lösungen von Fellner & Helmer finden sich im Stadt­ theater Karlsbad und im ehe­ maligen Neuen Deutschen Theater Prag (heute: Staats­ oper). Aus Prag stammt auch das Keramikmodell des Stadt­ theaters. das wir von Jaroslav Safr herstellen ließen und beim Altstadtverein oder bei der Bür­ gerberatung käuflich zu erwer­ ben ist.

Unser Stadttheater ist aufgrund seiner Bezüge ein durch und durch europäisches Theater mit einem Paten in Paris, einem Zwilling in Czernowitz und ei­ nem weiteren Geschwister in Gera sowie vielen weiteren Ver­ wandten zwischen dem Schwarzen Meer und der Ost­ see, zwischen der Donau und der Spree in Dutzenden Städ­ ten. Weiterhin ist unser Theater ein Exponent einer lange Zeit gera­ dezu verfemten Stilrichtung: Vielfach wird der Historismus, der Fürth so durchgehend präg­ te, geringschätzig betrachtet, weil er kein eigener Stil sei und nur Vergangenes kopiert habe. Aber was kam danach: Anfang des 20. Jahrhundert wurde die Parole „Ornament ist vergeude­ te Arbeitskraft und damit ver­ geudetes Kapital“ ausgegeben. Dem „Stilchaos“ des Historis­ mus folgte der Funktionalismus, die sogenannte Moderne Archi­ tektur: ein Fortschritt? So gesehen, könnte man den Historismus als letztes Aufbäu­ men der Ästhetik gegen die Technokratie, dem Funktiona­ lismus interpretieren, wovon unser Theater ein beredtes Zeugnis ablegt. Um den Anblick

Im prachtvollen Zuschauerraum variierten Fellner & Helmer die seinerzeitige Auseinanderset­ zung zwischen Anhängern ei­ nes Logentheaters und jene ei­ nes Balkontheaters. Die Befür­ worter von Logen wollten wohl­ habende Leute, die den Fortbe­ stand des Theaters sicherten, nicht in eine Reihe mit den we­ niger Bemittelten setzen. Ande­ re bevorzugten die eher „demo­ kratischen“ Balkone. Die mei­ sten Theater von Fellner & Hel­ mer zeigen Balkone und Logen, so auch das Fürther Theater.

Blick vom Kartsteg auf das Fürther Stadttheater, aufgenommen vielleicht in den 1950er Jahren. Foto: Stadtarchiv Fürth.

der Fassade ungestört zu ge­ nießen, empfehle ich in den zweiten Stock des Amtsgerichts zu steigen und das Flurfenster zu öffnen: Die Muse, die „sieg­ reiche Macht des Wahren, Gu­ ten und Schönen über alle Lüge und Heuchelei", sie hält das Haupt aufrecht... Alexander Mayer

Das Keramik-Stadttheatermodeil von Jaroslav Safr, zu haben beim Altstadtverein, beim Stadttheater, bei der Bürger­ beratung und bei der Touristinfo. Foto: A. Mayer.

Ganz besonders möchte ich die (englischsprachige) Internet­ seite: http://www.andreaspraefcke.de/carthalia/index.html empfehlen. Hier werden alte Poslkartenansichten einer Un­ zahl von Theatern geboten. An­ dreas Praefcke hat hier wirklich eine 1a Anlaufdresse im Inter­ net geschaffen, wenngleich auf seinen Seiten noch nicht alle Theater der Welt online sind angesichts des Umfangs der Aufgabe verzeihlich. Die Spezi­ alseiten über Helmer & Fellner verstecken sich ganz unten auf der Liste „Choose a Country“. Seitdem ich im letzten Jahr Kontakt mit Andreas Praefcke aufnahm, ist auch unser Thea­ ter vertreten.