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Mit der Schließung des Lebensmittelgeschäfts Giese in der Fuchsstraße hing Dambach auch postalisch in der Luft. Da die Poststelle in den Geschäftsräumen eingerichtet war, mussten nun 2000 Einwohner auf zunächst unbestimmte Zeit ohne Post auskommen. Noch während der Dienststunden des letzten Arbeitstages demontierte die Bundespost wenig kundenfreundlich sämtliche amtlichen Fernsprechanschlüsse. Verjüngungskur für die Post während der Sommermonate: 45 Studentinnen und Studenten halfen als Urlaubsvertretungen bei der Fürther Post aus. Der Ferienjob war sehr begehrt. Zwar begann die Arbeit um 5 Uhr morgens, aber mit der Zustellung war man gegen Mittag fertig und der Verdienst war mit 1085 DM brutto recht attraktiv. Im Fürther Filmprogramm zum Monatsbeginn u.a.: Admiral und Park- Kino hatten Betriebsferien, „Latigo“ mit James Garner und Suzanne Pleshette (Bambi), „Vier für ein Ave Maria“ mit Bud Spencer und Terence Hill (City). Samstag, 2. September 1972 Wo im mittelfränkischen Fürth der amerikanische Sternenbanner-Nachwuchs seine ersten Bildungsversuche unternahm, gab es eine kleine Überraschung: Die Verkehrswacht stattete 285 Schüler der Elementary School an der John-F.-Kennedy-Straße mit orangefarbenen Mützen aus. In der Fürther Altstadt trat eine soziologische Besonderheit deutlich zutage: Der immer höher werdende Anteil ausländischer Gastarbeiter an der Gesamtbevölkerung. Er betrug in der gesamten Fürther Altstadt 14%, im eigentlichen Sanierungsgebiet aber schon 23,3%. Immer mehr umliegende Geschäfte und Gaststätten richteten sich auf diese „Ghettoisierung“ ein. Artikel in Lebensmittelgeschäften wurden mehrsprachig beschriftet, Speisekarten mindestens zweisprachig gedruckt. Ende 1961 wohnten 2181 ausländische Gastarbeiter in Fürth, Mitte 1972 waren 7959 polizeilich gemeldet (darunter 2378 Griechen, 1532 Türken, 1033 Jugoslawen und 974 Italiener). Mannschaft und Betreuer der SpVgg kamen braungebrannt aus Portugal zurück. In den Freundschaftsspielen erzielten sie gegen Boavista Porto und den FC Porto jeweils ein 1:1-Unentschieden, gegen Belenenses Lissabon verlor man mit 0:2. Montag, 4. September 1972 In Fürth erlebten Tausende Bernd Kannenbergs Olympiasieg begeistert mit. Damit hatte Fürth nach Alfred Schwarzmann (1936) wieder einen Goldmedaillengewinner in seinen Mauern. Nach dem Hochreißen der Arme im Ziel wirkte Kannenberg noch so frisch, als könnte er die 50 km noch einmal gehen. Der Wahlfürther war bei der Bundeswehr in Sonthofen stationiert, trainierte aber beim LAC Quelle. Die „Kleeblättler“ bewährten sich auf internationalem Parkett. Die Mannschaft aus dem Ronhof hinterließ in Portugal einen vorzüglichen Eindruck und genoss dabei die herzliche Gastfreundschaft. Bei Boavista Porto wurde vereinbart, dass der Schütze des ersten Tores im nagelneuen Stadion auf einer Steintafel verewigt würde. SpVggStürmer Gert Jäger gelang dies in der 11. Minute des Spiels. Er wurde auf den Schultern zum Mittelkreis getragen. Seitdem steht der ehemalige Fürther Mittelstürmer dort in Stein gemeißelt. Dienstag, 5. September 1972 Unter dem Eindruck der großartigen Leistung des Gehers Bernd Kannenberg stiftete Konsul Dr. h.c. Gustav Schickedanz 100.000 DM für die „Aktion Sorgenkind“. Er wollte damit dokumentieren, dass über aller Freude des olympischen Erfolgs diejenigen nicht vergessen werden sollten, deren körperliche Behinderung eine sportliche Betätigung verhinderten. Eine Flut von Glückwünschen ergoss sich über den Ex-Ringer Bernd Kannenberg, der als Bundeswehrsoldat bei Militärmärschen wegen seiner extrem guten Kondition aufgefallen war und deshalb zum Geher „umgeschult“ wurde. OB Scherzer gratulierte persönlich in München, die Stadt Fürth offiziell per Telegramm. Sportverein, Abgeordnete, Freunde und Arbeitskollegen drückten auf unterschiedlichen Wegen ihre Freude über den Sieg aus. Der TV Fürth 1860 wollte einen Raum nach Bernd Kannenberg benennen, die CSU-Fraktion im Fürther Rathaus beantragte gar die Verleihung der Goldenen Bürgermedaille. Mittwoch, 6. September 1972 Von der olympischen Weltuntergangsstimmung war bei den Vorortkirchweihen in Atzenhof und Poppenreuth noch nichts zu spüren. Die Besucher hatten Fernsehapparate und Radios abgeschaltet. Donnerstag, 7. September 1972 Die beschützende Werkstatt der „Lebenshilfe“ an der Aldringerstraße in Dambach nahm ihre Arbeit auf. Als erste Einrichtung dieser Art in Bayern stand sie nicht nur geistig behinderten Jugendlichen, sondern allen Behinderten ohne Altersbeschränkung offen. Die Werkstätten boten Platz für 150 behinderte Arbeitskräfte.

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