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„Ist das Blühen des Handels für das Gedeihen unserer Stadt entscheidend, so geben ihr das äußere Gepräge die rauchenden Schornsteine, das Schlagen der Hämmer, die Werkstätten und Fabriken und nicht zuletzt die zahlreichen Arbeiter. Die Sorge, ob der Handel die ihm anvertrauten Güter gewinnbringend verwerten könne, ob das Ausland seine Pforten weit öffnet oder nahezu oder völlig sperrt, ob der Friede des eigenen Landes und der Absatzländer gesichert ist und zusammenhängend damit, ob dauernd gute Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten vorhanden sind, diese mitunter bange Frage muß in einer Stadt wie der unseren besonders vernehmlich ertönen...“. Prinzregent Ludwig verteilt nach einer kurzen, nichtssagenden Antwort Orden an verschiedene höhere Beamte, Handwerkermeister und Unternehmer, aber auch an einfache Arbeiter. Die Herrschaften treten an den Balkon des Rathauses, wo die Gesangsvereine zwei von Fürthern Bürgern komponierte und erdichtete Lob- und Preislieder vortragen. Hierauf folgte ein Hoch auf die Gäste und die Prinzregenten-Hymne aus allen Kehlen am Königsplatz usw. usw. Daraufhin werden die Equipagen wieder bestiegen und es geht durch die König-, Nürnberger, Nord- und Birkenstraße [Nord- und Birkenstr. heißen seit 1955 Otto-Seeling-Promenade; Anm. A. M.] zum Nathanstift, im Nathanstift werden die Gäste von Ehrenbürger Alfred Nathan begrüßt und durch die Räume geführt. Dann fährt der Zug durch die Tannen-, Sigmund-Nathan-Jakobinenstraße-Hornschuchpromenade zum Berolzheimeranium, wo sie von Vertretern des Handels und der Industrie mit einer kleinen Ausstellung empfangen werden. Paul Rieß vermerkt: „Im Treppenhause sprach Prinzregent Ludwig den Wunsch nach einem Glase Bier aus. Es wurde ihm Humbser-Bier kredenzt. Dieses trank er zur Hälfte.“ Schon um 11.45 Uhr fahren die Gäste wieder zurück nach Nürnberg, wo sie 3 Tage Wohnung auf der Burg beziehen.160 - In Wirtshäusern werden mittags 750 hiesige Arme gespeist, ein Wohltäter hat hierzu 1.200 Mark zur Verfügung gestellt.161 30. Heute sind bei der königlichen Hoftafel auf der Nürnberger Burg auch Fürther Bürger geladen. 162 - In Bukarest beginnt die Friedenskonferenz der Balkanstaaten. Gewerbliche Entwicklung: Erfreuliche Entwicklung, v.a. im Baugewerbe, in der Holz- und Metallindustrie und im Handelsgewerbe. Auch die Stadt stellte neue Arbeitskräfte ein.163

August 1913 2. Auf dem Kanal wird ein Personen-Motorboot in Dienst gestellt, das auf der Strecke Doos-Kronach dreimal täglich für 30 Pfg./Person verkehrt. - Im Evorakeller findet ein Arbeiter-Bezirkstreffen statt.164 3. Die Müllverbrennungsanlage wird von Herren aus Arhus (Dänemark), Mailand und Budapest besucht. - Der Bäckergehilfenverein Fürth beging im Schwarzen Kreuz sein 195. Stiftungsfest. Der Verein ist im Besitz einer Fahne, die aus dem Jahre 1776 stammt und früher der Zunft gehörte. 165 - Die Leitung für elektrischen Strom vom Stadtpark zum Espan ist fertiggestellt.166 5. Urteile im Krupp-Prozeß. Offiziere und Beamte der Militärbehörden informierten gegen hohe Entlohnung die Firma über Rüstungsplanungen und gaben auch Angebote der Konkurrenz bekannt. Die Urteile für Offiziere und Krupp-Direktoren reichen von Geldstrafen bis zu vier Monaten Gefängnis. 6. Kgl. Hoheit Prinzessin Therese von Bayern besichtigt das Nathanstift.167 10. Der Frieden von Bukarest beendet den Balkankrieg. Die bulgarische Regierung bat nach dem Zusammenbruch der Armee um Frieden. Bulgarien verliert Teile der Süddobrudscha und behält von Mazedonien nur einen schmalen Gebietstreifen. Südmazedonien mit Saloniki und der Insel Thasos werden an Griechenland abgegeben. Serbien verdoppelt sein Territorium und erhebt Anspruch auf österreichische Gebiete zur Gründung eines großserbischen Reiches. Für mehr als 500.000 Menschen bringen die Balkankriege Flucht und Vertreibung. 11. Ein „Militär-Aeroplan“ überfliegt Fürth auf der Route Nürnberg-Ingolstadt-Schleißheim.168 12. Der Wiesenweg Stadtpark-Espan ist ab heute elektrisch beleuchtet.169 - Das Gemeindekollegium beschließt gegen die Stimmen der Bürgerlichen die Kanalisation der Gebhardtstraße (Notstandsarbeit) und eine Lernmittelabgabe.170 13. Tod von August Bebel. 14. Der Verschönerungsverein prämiert 42 Personen, die dem Rufe „Schmückt Fenster und Balkone“ in hervorragender Weise nachgekommen sind. - Geh. Kommerzienrat Humbser übergab dem hiesigen und dem Nürnberger Magistrat jeweils 2.000 Mark zur Verteilung an die Arbeitslosen.171 16. Technischer Baurat Tillmetz legt eine Denkschrift über die Neuregelung der Tarife des städtischen Elektrizitätswerkes heraus; neben diversen Sonderregelungen soll der Lichtstrompreis von 65 auf 50 Pfg./Kilowattstunde und der Kraftstrom von 20 auf 15 Pfg./Kilowattstunde gesenkt werden.172 - Die amerikanischen Ford-Werke machen erste Versuche mit der Fließbandfertigung. 17. Aufgrund der kühlen Witterung wird in zahlreichen Haushalten geheizt und auf der Straße vereinzelt Winterkleidung getragen.173 - Ein Fahrpreisanzeiger neuester Art im Staatsbahnhof wird wegen ständiger mutwilliger Beschädigung wieder entfernt174 19. In Freiburg i.B. verstirbt 57jährig der hier gebürtige bekannte Zauberkünstler (ursprünglich Metallschläger) Georg Hartmann.175 20. Trauerfeier der SPD für August Bebel im Evorasaal. - Stürmisch verlaufende Wirteversammlung im Grünen 108