dann mit einem Taxi weg und bediente den Fahrer mit einem Fußtritt, ohne zu bezahlen. Er konnte wenig später lammfromm in der Nürnberger Innenstadt festgenommen werden. Freitag, 12. September 1969 Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger kam im Zeichen des Wahlkampfes in die Fürther MTV-Grundig-Halle. Die meisten Besucher in der vollbesetzten Halle empfingen Kiesinger mit Beifall. Vertreter der APO protestierten mit Stinkbomben, „Sieg Heil“-Rufen und Transparenten mit der Aufschrift „Nazi-Kanzler“. Kiesinger nannte die Demonstranten verkleidete verwirrte Oberschüler und bezeichnete sie als seine besten Wahlhelfer. Der Kinderliederzyklus „Aus Wald und Flur“, zu dem der Fürther Hans Götz die Texte und Frieda Fronmüller die Musik schrieb, war nun auf Schallplatte erschienen. Auf Betreiben Stadtschulrat Hauptmannls erschien das Werk dem Fürther Stadtrat so erfreulich, dass er 1665 DM für den Ankauf von 200 Exemplaren des auf Rillen gepressten Musizierens locker machte. Die Schallplatten sollten an Schulen verwendet und an Gäste der Stadt Fürth verteilt werden. Weil der herannahende Europakanal das amerikanische Gelände bei Atzenhof tangierte, mussten Ersatzanlagen für die US-Streitkräfte im Wert von 40 Mio DM errichtet werden. Überraschend war die Schnelligkeit, mit der bei der Durchführung der Baumaßnahmen vorgegangen wurde. Fünf der acht in Fürth vorgesehenen Baumaßnahmen waren schon vom Bundesfinanzministerium genehmigt worden. Rasche Entscheidungen über viel Geld! Der Schulbeginn in Fürth begann für etliche Schüler mit Hindernissen. Die Bauhandwerker waren nicht überall mit Umbau und Renovierung fertig geworden. Für die Schüler der staatlichen Realschule sowie die Gymnasiasten des Helene-Lange-Gymnasiums hieß es Schichtunterricht und Balancieren über Schutthaufen. Bei einigen Klassen des neugegliederten Volksschulwesens fehlten bei Schulbeginn der „Herr Lehrer“ oder die „Frau Lehrerin“. Das Hardenberg-Gymnasium musste mit 37 Klassen in 32 Räumen auskommen. Samstag, 13. September 1969 Der Wahlkampfauftritt Bundeskanzler Kiesingers in Fürth hatte ein Nachspiel. So manche erworbene Eintrittskarte hatte keine Gültigkeit, sofern sich beim Kartenbesitzer das Haupthaar länger und die Kinnpartie ungeschoren zeigte. Die Polizei sortierte am Eingang aus. 30 Jungen und Mädchen aus den weiterführenden Schulen Fürths weilten zu einem Besuch in der schottischen Partnerstadt Paisley. Dort war für sie ein umfangreiches Programm vorgesehen. Die Polizeidirektion Fürth erhielt eine neue hochmoderne Einsatzzentrale. Im Erdgeschoss des Direktionsgebäudes an der Nürnberger Straße 18 waren die Umbauarbeiten in vollem Gange. An einem großen Steuertisch wurden jetzt Polizeifunk, die Verkehrssteueranlage, eine zweite Telefonanlage für den Nachtdienst und die Notrufanlage zentral installiert. Polizeidirektor Mielsch versprach sich davon eine erhöhte Leistungsfähigkeit der Fürther Polizei. Nach seinem Wahlauftritt in Fürth übernachtete Bundeskanzler Dr. Kiesinger in der Grundig-Villa in Dambach. Das Grundstück war wie eine Festung gesichert. Zur Irreführung nächtigten Bonner Sicherungsbeamte im Parkhotel, wobei sie die schweren schwarzen Limousinen vor dem Hoteleingang parkten. Kiesinger bekam nach dem Frühstück von OB Scherzer eine Nachbildung der Ludwigseisenbahn aus Zinn geschenkt. Dann hob der Hubschrauber des Bundesgrenzschutzes mit dem Bundeskanzler in Dambach ab. Montag, 15. September 1969 Die DAG-Jugend aus Nürnberg und Fürth mietete sich einen alten Straßenbahntriebwagen und fuhr damit auf historischer Strecke von Nürnberg nach Fürth und zurück. Als Fracht hatten die jungen Leute ein Fass Bier sowie eine Münchner Dixieland-Jazzband geladen. Danach wurde im DAG-Haus noch zünftig gefeiert. Kleine Fortschritte bei der Fürther Altstadtsanierung: Die Stadt kaufte vier Grundstücke im Sanierungsgebiet. In Oberfürberg wurde eine größere Grundstücksfläche angekauft. Die Fläche war für die künftige Schule in Oberfürberg vorgesehen. Ohne großen „Sums“ zog die Fürther SPD an dem Tag, „an dem Kanzler Kiesinger wieder ging“, eine Wahlversammlung auf. Es sprachen die lokalen Matadore Horst Haase, Fritz Gräßler, Karl Hauptmannl und Max Seidel. Man sah bei der Bundestagswahl eine Chance für einen Wahlsieg. Dicht besetzt waren die Ränge der Freilichtbühne im Stadtpark zum „Tag der Heimat“. Aus wahlkampftaktischen Gründen drückte das gesamte Fürther politische „Establishment“ brav Schulter an Schulter die Prominentenbank. Tenor der Redner: Versöhnung mit ehemaligen Kriegsgegnern und kluges Handeln auf dem Boden geltenden Rechts. Hoch vom Campanile der Heilig-Geist-Kirche auf der Hardhöhe riefen die Glocken zur Amtseinführung von Diakon Willi Haas, der aus dem heilpädagogischen Kinderheim Rummelsberg kam. Er übernahm die Stelle von Diakon Ulrich Masche, der als Bezirksjugendwart nach Bayreuth versetzt worden war. Pfarrer Seiter begrüßte die schnelle Neubesetzung. Die SpVgg verlor ihr Heimspiel im Ronhof vor 4000 Zuschauern gegen SSV Reutlingen mit 1:2. Das Tor für Fürth erzielte Perras. Erstmals war die SpVgg damit Schlusslicht der Regionalliga Süd!
46