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Mai 1911 1. „Die Arbeiter-Maifeier wird ab heuer immer am 1. Mai abgehalten, sonst wurde ein Sonntag bestimmt“. - Die vor 14 Monaten eingerichtete Fürsorgestelle für Lungenkranke erstattet einen Bericht über ihre Tätigkeit, die vor allem die Unterstützung von Tuberkulosekranken beinhaltet. Darin werden u.a. auch die vorgefundenen Wohnverhältnisse der Unterstützten beschrieben: „Da ist ein junger Mann, ein fortgeschrittener Fall von Tuberkulose. Er liegt fast immer zu Bette, hat auch sehr viel Auswurf, aber nachts schläft ein dreijähriges Kind bei ihm im Bette. Sieben Kinder von 1 - 11 Jahren sind tagsüber bei ihm im engen Zimmer; 6 Kinder schlafen mit der Mutter im angrenzenden Schlafzimmer. Die Mutter muß tagsüber verdienen, damit für das Nötigste gesorgt werden kann.“ Die Fürsorgestelle betreut 719 Tuberkulose-Kranke.57 3. Chronist Rieß vertritt in einem Artikel im „Fürther Tagblatt“ die Meinung, daß die Höhlen an der Würzburger Straße (Wilhelmshöhe) zwecks Gewinnung von weißem Sand zum Einstreuen in die Stuben angelegt wurden.58 4. Der Holzarbeiterstreik wird beendet, ein in Berlin vereinbartes Vertragsmuster angenommen. Lohnzuschlag: je nach Qualifikation sofort 2 Pfg. bzw. 6 Pfg. (pro Stunde) in der Dauer von 4 Jahren.59 - Am Staatsbahnhof verkehren seit dem 1 Mai täglich 98 Züge, 35 Richtung Nürnberg, 36 von Nürnberg kommend.60 - Ein Hauptmann Kuhn, Würzburg, hält auf Einladung der Deutschen Kolonialgesellschaft (Abteilung Fürth) im Berolzheimeranium einen Vortrag zum Thema „Was können wir von unseren Kolonien erwarten?“ Einige Auszüge entsprechend der Presse: „Eine Großmacht muß ihre politische und wirtschaftlichen Interessen auf der ganzen Welt vertreten können und sich von anderen Ländern unabhängig zu machen suchen. Deutschland ist bei der Aufteilung der Erde zu kurz gekommen. Das Bedürfnis nach kolonialer Ausdehnung ist in der kolossalen Zunahme der Bevölkerung begründet. Frei vom Auslande soll auch Deutschland in der Herbeischaffung der Rohstoffe sein, die zu Millionen aus den Kolonien gewonnen werden können“. Die kolonialen Hoffnungen könnten erfüllt werden („Ungeahnte Gewinne“), der Umschwung zum Guten trat 1908 ein, da seinerzeit die Finanzen der Kolonien auf eine gesunde Basis gestellt wurden. Bedingung sei die Schaffung von guten Verkehrsverhältnissen, vor allem durch den Bau von Eisenbahnen (vgl. 1.5.1912).61 5. Eintragung des Haus- und Grundbesitzervereins in das Vereinsregister (Gründung 10.11.1910). - Besuch des Großherzoges Franz von Mecklenburg zwecks Besichtigung des ihm verliehenen 21. Infanterie-Regiments. Der Bahnsteig wird mit Teppichen bedeckt, Parademarsch auf dem Bahnhofsplatz, Fahrt mit dem Automobil ins Hotel „National“, Besichtigung des Regiments im Kasernenhof, Festessen zweier Bataillone im Geismannssaal, Oberbürgermeister Kutzer erhält vom Großherzog einen Orden.62 6. Die Ortskrankenkasse meldet für 1910 durchschnittlich 18.400 Versicherte (1909: 17.500).63 7. „Kriegsgemäße Ballonverfolgung“ über Fürth: Der Ballon „Pegnitz“ wurde von 8 Automobilen verfolgt, der Ballon blieb jedoch Sieger und landete mit 26 Minuten Vorsprung in Rothenburg. - Einweihung eines Erholungsheimes für Frauen und Mädchen aus dem Arbeiterstand bei Puschendorf, das aus Mitteln einer Stiftung von Frl. Emmy Humbser zugunsten des deutsch-evangelischen Frauenbundes finanziert wurde. - Der kaufmännische „Verein Merkur“ feiert 64 sein 25jähriges Bestehen. 8. Stadtbaurat Holzer wird in Augsburg zum dortigen Stadtbaurat gewählt. - Die Nordseefischhalle am Obstmarkt 65 wird geschlossen und aufgrund von Beschwerden aus der Nachbarschaft wohl nicht wieder geöffnet. 9. Eine Kommission soll den Neubau eines Krankenhauses nochmalig gründlich erwägen. - Kostenvoranschläge für die Pegnitzbrücke zum Espan (Verlängerung Jakobinenstraße) ergeben Kosten von 100.000 Mark. Der 1910 gegründete Brückenbauverein Nordost hat angeblich bereits 70.000 Mark durch Zeichnungen für den Bau der 66 „Jakobinenbrücke“ gesammelt. 12. Die Arbeiter und Arbeiterinnen in der Pulver- und Patronenfabrik Stadeln sind in eine „Lohnbewegung“ 67 eingetreten. 14. Beim nationalen Sportfest für Schwer- und Leichtathletik in Hof ist die Spielvereinigung vor allem in der 68 Leichtathletik (Dreikampf) sehr erfolgreich. 15. Die Lohnbewegung in der Pulver- und Patronenfabrik Stadeln ist günstig für die Arbeiter beendet. Es ist ein Tarifvertrag mit Mindestlöhnen erreicht worden. Mindestlöhne: Für gelernte Arbeiter unter 18 Jahren 45 Pfg., über 18 Jahren 50 Pfg.; ungelernte Arbeiter über 18 Jahre 40 Pfg, für Arbeiterinnen über 16 Jahre 20 - 22 Pfg. (jeweils die Stunde). Alle Beschäftigten erhalten eine Lohnerhöhung von 10 Prozent (gefordert waren 15 Prozent), die Akkordsätze werden zwischen 5 und 10 Prozent erhöht. Die Arbeitszeit beträgt 54 statt bisher 55 1/2 Stunden (mit Lohnausgleich). Arbeiter, die mehr als 10 Jahre in der Fabrik beschäftigt sind und das 35. Lebensjahr überschritten haben, erhalten einen Urlaub von 3 Tagen jährlich unter Bezahlung des Taglohnes, ebenso die Arbeiterinnen nach 10jähriger Beschäftigung, die das 30. Lebensjahr vollendet haben. Am 1. Mai wird jährlich - sofern geschäftlich möglich - ein halber Tag freigegeben. Für Überstunden und Sonntagsarbeit 54