Nachtwächter
Ein Nachtwächter war ein Beruf, der mit dem Bestehen der ersten größeren Städte im Mittelalter aufkam. Die wesentliche Aufgabe des Nachtwächters war nachts für Sicherheit und Ordnung zu sorgen. Dabei sagte der Nachtwächter häufig die Zeit an, da die meisten Menschen selbst noch über keine Uhr verfügten.[1]
Geschichte der Fürther Nachtwächter
Die älteste Nachricht stammt aus der Zeit des dreißigjährigen Krieges, als 1622 der Kosakendurchzug[2] mit Fürst Ratziwil erfolgte.[3]
Die Nachtwächter riefen damals abends um 8 Uhr:
Hör´ zu, Mädlein fein
Verwahr dein Feuerlein
Halt´s in guter Hut
Es kost´ dir Leib, Ehr und Gut.
Hört zu, ihr Herrn, laßt euch sagen
Die Glocke hat Achte geschlagen, hat Achte geschlagen.
So danken wir den lieben Gott,
Der und diesen Tag behütet hat.
Um 9 Uhr schrieen sie:
Die Glock´ hat neun geschlagen
So bitten wir aus Herzens Grund
Verleih´ uns Gott ein selige Stund`.
Früh um 3 Uhr schreien sie:
Nun danken wir den lieben Gott
Der uns diese Nacht behütet hat. Amen.[4]
In einem Protest vom 14. Dezember 1658 über eine neu aufgestellte, einseitig gesiegelte Gemeindeordnung[5] wurde bereits vermerkt, dass die Fürther Juden zum Unterhalt des Nachtwächters 10 Gulden beisteuern sollten.[6]
1693 kam es zu einem Streit über den Nachwächterruf. Bereits 20 Jahre zuvor hatte Pfarrer Carl Friedrich Lochner initiiert, dass der Begriff „Herrn“ im traditionellen Ruf zur Verkündung amtlicher Bekanntmachungen „Hört ihr Herrn und lasst euch sagen ...“, den auch der Nachtwächter verwendete, in „Christen“ verändert wurde.[7] Da die Judenschaft zumindest seit 1658 (siehe oben) an der Finanzierung des Nachtwächters beteiligt waren, führte deren Protest[8] zu einer Anweisung des bambergischen Amtmanns, zum Sprachgebrauch „Herrn“ zurückzukehren.[9] Nachdem der Domprobst sich hinter seinen Amtmann stellte, blieb der Protest der Christengemeinde erfolglos. Damit wurde aber eine Reihe antisemitischer Vorurteile losgetreten, die in vergleichbaren Konflikten ständig bemüht wurden.[10]
Im Adressbuch der Stadt Fürth von Adam Eger aus dem Jahr 1807 wurden drei gemeindliche Nachtwächter genannt: Spanner, Nagel, Herrmann. Somit beschäftigte die gerade zur Stadt 2. Klasse erhobene Gemeinde Fürth seit mind. 1807/08 sog. Nachtwächter. Im Jahr 1807 hießen laut dem Adressbuch der Stadt Fürth 1817 Spanner, Nagel, Schmelzer. "Vom 1. Januar 1822 an hörte das Ausrufen von Sentenzen und Bibelsprüchen durch die Nachtwächter auf."[11]
Der Magistrat beschäftigte sich um ein Gesuch der drei Nachtwächter vom 1. März 1817 für eine Zulage. In einer der darauffolgenden Sitzungen des Munizipalrats solle gnädig berücksichtigt werden, ihre kärgliche und kaum vor dem Hunger-Tod mit ihren Familien bei den jetzigen harten Zeiten nicht hinreichende Besoldung (das jährliche fixe Gehalt von 68 Gulden und aus Sammlung an Neujahr ca. 50 Gulden) anzuheben. Das Gesuch wurde aber vor der Hand lediglich ad acta genommen [d.h. noch kein Beschluss gefasst].[12]
Nachtwächteranfrage 1839
1839 kam es zu einer Offenen Bittschrift der Markgrafengäßler wegen des bereits drei Jahre unterbliebenen Nachtwächterrufes. Dabei berief man sich auf die Schreiordnung, wo ein Ruf am Brunnen[13] erfolgen sollte, der nächste dann in der Geleitsgasse am Wimmersberger´schen Hause. Zwischen den Häusern Markgrafengasse 12 und 14 gab es einen engen Durchgang - auch als Ratzengang bezeichnet - der südlich des Wimmersberger´schen Hauses endete.[14] In der Antwort wurde deutlich, dass es einerseits um die Frage der Bezahlung für die vier Nachtwächter ging, die offensichtlich freiwillig zu erfolgen hatte, andererseits um die Unsauberkeit in dem angesprochenen Gäßchen, die für die Nachtwächter eine Zumutung darstellten. Diese wollte man aber nicht durch Reinigungsmaßnahmen beseitigen, sondern vielmehr durch Warntafeln mit entsprechenden Strafandrohungen für etwaige Verschmutzungen.[15]
- Nachtwächter-Anfrage 1839
Gemeindliche Nachtwächter arbeiteten bekleidet mit einem langen Kutschermantel und Schlapphut noch bis ca. 1861. Mit einem Horn umgehängt und einer Hellebarde in der einen, die Laterne in der anderen Hand, ging abends der Nachtwächter Balthasar Mauser um 1850 bei jedem Wetter durch die Gassen und Straßen der Stadt. Wie die Turmwächter auf der Rathausturm-Galerie hatte er mit Hornsignal einen Brand in Haus oder Stall zu melden, verbunden mit dem lauten Ruf „Feurio! Feurio!“
Der althergebrachte Ruf „Hört ihr Leut und lasst Euch sagen …“ reizte natürlich zu dem Spottruf „der Hauser hat sei Frau derschlag´n“, was wiederum zu lauthalsen Schimpfen des Mausers führte. Am Silvesterabend 1861 hörte man zuletzt seinen Nachtwächterruf. Am Neujahrsmorgen fand man ihn in einem Winkel der Altstadt, friedlich entschlafen. Die Zunft der treuen Hüter der Stadt war mit ihm ausgestorben.
In Anlehnung an den ehemaligen Nachtwächter lässt der Altstadtverein St. Michael zur Fürther Altstadtweihnacht seit 1980 täglich den Markt von einem "historischen" Nachtwächter mit einem Epilog beenden.
Lokalberichterstattung
- Reinhard Kalb: Zwist um den Fürther Nachtwächter. In: Fürther Nachrichten vom 24. Juli 2025 (Druckausgabe); allerdings mit sinnentstellenden Zitierfehlern.
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ Nachtwächter, Wikipedia online abgerufen am 7. April 2022 | 21:38 Uhr
- ↑ die Kosaken waren eigentlich Polen
- ↑ Chronik der Stadt Fürth 1985 (Buch), S. 65 ff
- ↑ Chronik der Stadt Fürth 1985 (Buch), S. 72. Fronmüller zitiert nach Soden: „Kriegs- und Sittengeschichte der Reichsstadt Nürnberg“, Bd. 2, S. 157 mit Bezug auf die Stark´sche Chronik und die Rathsverlässe.
- ↑ diese war nur dompröbstisch gesiegelt und nicht vom Rat der Stadt Nürnberg
- ↑ Chronik der Stadt Fürth 1985 (Buch), S. 104. Dort Quellenverweis: "Manuskript des Nürnberger Archivs".
- ↑ so Stefan Ehrenpreis, Innsbruck in seinem Vortrag „Der Fürther Nachtwächterstreit und sein Kontext im 17. Jahrhundert“ anlässlich der Sommerakademie zur Geschichte der Juden im Hl. Röm. Reich und seinen Nachfolgestaaten, 22. Juli 2025. Lochner erwies sich damit auf Linie des Nürnberger Rates und seiner Antijüdischen Haltung
- ↑ in Fürth vorgetragen durch Moyses Ullmann und durch Gabriel, siehe Barbara Ohm: Geschichte der Juden in Fürth, S. 102
- ↑ Der Presseartikel von Reinhard Kalb: „Zwist um den Fürther Nachwächter“ über den Vortrag von Stefan Ehrenpreis, anlässlich der Sommerakademie in Fürth, verwechselt den Sprachgebrauch und die Terminierung
- ↑ Barbara Ohm: Geschichte der Juden in Fürth, S. 102 f
- ↑ Chronik der Stadt Fürth 1985 (Buch), S. 235. Dort Quellenverweis: "Pröls´sche Aufzeichnungen".
- ↑ StA Fürth, Akten Nachtwächter - laut Recherchen Peter Frank
- ↑ offensichtlich gab es zu jener Zeit einen öffentlichen Brunnen im mittleren Teil der Gasse
- ↑ vgl. dazu auch Karte 1822
- ↑ Allerdings sahen die Local-Polizeiverordnungen ein zweimaliges Kehren von Gassen in der Woche vor, nämlich Mittwoch und Samstag, und war bei Unterbleiben mit 30 Kreuzern Bußgeld belegt. Siehe Taschen und Adreßhandbuch von Fürth 1819, S. 75; ebenso S. 76