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Burgervereinigung St. Michael Altstadtbläddla —

gasse und umfaßte das Gebiet des Gansbergs, des Markt- und Kirchen­ platzes um St. Michael. Fast alle Hauser waren zer­ stört; der Wiederaufbau nach dem verheerenden Dreißigjährigen Krieg hat­ te erst begonnen. Warum zog Paul Lersch in dieses winzige, existentiell getroffene Furth? Zwei Er­ klärungen liegen nahe: Zum einen, weil er glaub­ te.gerade hier (und in der Nähe Nürnbergs) einen guten Markt für seine Ge­ schäfte aufbauen zu kön­ nen und zum anderen weil er hier seinen reformier­ ten Glauben uneinge­ schränkt ausuben konnte, was in Nürnberg nicht möglich gewesen wäre. Mit der zunehmenden Beseitigung der Kriegsfol­ gen gingen die Geschäfte immer besser. In den Kir­ chenbüchern wird Lersch als «Wein- und Tabak­ handelsherr» bezeichnet; bei der Heirat seiner Tochter als «vornehmer Kauf- und Handelsmann in Furth» vermerkt. Erst nach dem Dreißigjährigen Krieg begann in unserer Gegend der Anbau des zuvor unbekannten Ta­ baks. Die Soldaten hatten das Rauchen mitgebracht: deshalb wurde der Tabak zunächst «Soldatenkraut» genannt. Der Anbau und Vertrieb dieses neuen Ge­ nußmittels bedeutete für unsere Region eine wirt­ schaftliche Innovation und für die Betroffenen ein gutes Geschäft. Der vornehme Kaufmann baute sich ein außeror­ dentlich stattliches Sand­ steinhaus am südlichen Ortsrand. Dieses reprä­ sentative Anwesen ist heu­ te als «Fraveliershof» be­ kannt. Wenn man bedenkt, daß Ende des 17. Jahrhun­ derts in Fürth in erster Linie nur Fachwerkhäuser, also Häuser in billiger Bau­

weise gebaut wurden, kann man ermessen, wel­ che Position Paul Lersch in Fürth einnahm. Ais Grund für Lersch’s Reich­ tum wird in seiner Le­ bensgeschichte an­ gegeben: «Wer Gott fürchtet, sich redlich und wie unser Herr Lersch an­ fangs gethan, mit seiner Hand Arbeit sauer nähret, niemand im Gewicht und Handel vervortheilet, auf­ richtig gegen jedermann gesinnet ist, Gott von gan­ zem Herzen, und den Nächsten als sich selbsten liebet; dem folgt der Segen Gottes auf dem Fuß». Eine typisch reformierte Ein-

Den aber überwand mein Glauben Lieben Hoffen./ Aufrichtig entworffen von dem Blumengenoß Perian­ der.» Hinter dem Dichternamen diesesVierzeilers, Periander, verbirgt sich wiederum Pfarrer Lochner, der, wie Lersch, Mitglied des «Pegnesischen Blumenordens» war, einer barocken Sprach- und Dichter­ gesellschaft in Nürnberg (Pegnesisch kommt von Pegnitz!), die sich um die Pflege der deutschen Sprache sorgte. Lersch’s Mitgliedschaft in dieser hochstehenden Gesell­ schaft beweist uns seine

Putto

Stellung, die einen unmit­ telbaren Zusammenhang zwischen gottesfürchti­ gem Leben und Prosperi­ tät postuliert. Zwei Jahre (länger ließ es die Ge­ meindeordnung nicht zu!) war der angesehene Kauf­ mann Lersch sogar einer der fünf Fürther Bürger­ meister. Unter seinem Porträt ist folgendes Gedicht zu le­ sen: «Ich ehrte teutsche Treu und nehrt ein Ehrenherz/Mir mehrte die Geduld der rauhen Steine Schmerz:/Schau Leser ob ein Schmerz dem meinen gleich der mich getroffen/

soziale Stellung, aber auch seine weit über das Mer­ kantile hinausgehenden In­ teressen. Das Gedicht erwähnt »der rauhen Steine Schmerz». Damit ist ein residierendes HarnblasenSteinleiden gemeint. Mehr­ fach mußte sich Lersch durch den sogenannten hohen Blasenschnitt die Steine herausoperieren lassen.Weil diese Eingriffe ohne Narkose vorgenom­ men wurden, ist die Frage im Gedicht, ob ein Schmerz dem seinen gleich sei, sehr verständ­ lich. An den Folgen der

vierten Blaseneröffnung ist Lersch zwei Monate später gestorben. Als An­ hang zur gedruckten Lei­ chenrede wurden die vier Sammlungen von Harn­ steinen abgebildet: unter den letzten acht, an denen Lersch mit knapp 46 Jah­ ren gestorben ist, weint ein Putto. Paul Lersch spielte für das Fürth am Ende des I 7. Jahrhunderts eine wichti­ ge Rolle. Er war mitbetei­ ligt am wirtschaftlichen Aufschwung nach dem Krieg. Aber auch er, der aus viel größeren Orten in das kleine Fürth gekom­ men war, profitierte von seiner neuen Heimat: Hier konnte er mit Fleiß aus dem Nichts etwas schaf­ fen, hier standen seiner religiösen Einstellung kei­ ne Restriktionen entge­ gen. Die Fürther Toleranz machte ein Leben ohne Beeinträchtigung möglich. Seine Witwe Catharina heiratete fünf Jahre nach Lersch’sTod den gleichfalls reformierten Kaufmann David van Lierds. Sie war eine wohltätige Frau. Ihr für die Fürther fast unaus­ sprechlicher Name Frauvan-Lierds ist als «Frave­ liershof» für das stattliche Haus des Paul Lersch er­ halten geblieben.

Barbara Ohm

Fotos: H. G. Ohm

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