Glockenspiel im Rathausturm

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Das Glockenspiel im Rathausturm wurde im Jahre 2007 auf dem Rathausturm montiert und offiziell zum Stadtjubiläum 1000 Jahre Fürth am 1. November 2007 eingeweiht. Überregional bekannt wurde es durch das alltägliche Abspielen des Rockklassikers Stairway to Heaven der britischen Rockgruppe Led Zeppelin. Das Glockenspiel besteht aus 25 chromatisch gestimmten Bronzegussglocken mit einem Gesamtgewicht von 360 Kilogramm. Zuvor gab es zunächst (1850-1940) drei schwere Glocken (Gesamtgewicht 1848 Kilogramm) und ein Porzellanglockenspiel (1950-1966) mit fünf Glocken (Gesamtgewicht ca. 10 Kilogramm).

Glocken

Zeitungsbericht über die Ankunft der Rathausglocken, 1850
Glockenabgabe im Zweiten Weltkrieg am Rathaus Fürth

Am 25. November 1850 trafen die von Johann Paul Lotter in Bamberg gegossenen Glocken des Rathauses ein, sie wogen 7, 9 und 17 (alte) Zentner (392, 504 und 952 kg). „In der Neujahrsnacht 1850 ertönten zum ersten Male vom Rathausturme herab die neuen Glocken. Damit galt das Rathaus als ganz vollendet.“[1] Diese wurden um 1902 stillgelegt, da man Bedenken wegen der Statik des Turms hatte, lediglich im Ersten Weltkrieg reaktivierte die Stadt sie beginnend vom 21. August 1914 (Einmarsch in Brüssel) einige Jahre zwecks Einläuten von Siegesnachrichten. Im Zweiten Weltkrieg wurden die Glocken am 30. Dezember 1941 im Rahmen der Bronzesammlung [2] abgenommen und vermutlich eingeschmolzen, wie ein Zeitungsbericht Anfang 1948 "Rathausglocken endgültig verloren" zu einer Mitteilung des Landesamtes für Denkmalpflege annehmen lässt: Wie Oberbürgermeister Dr. Hans Bornkessel in der letzten Stadtratssitzung mitteilte, haben die vielfachen Nachforschungen nach dem Verbleib der drei großen Rathausglocken im Gesamtgewicht von 1600 [richtig wahrscheinlich 1848] Kilogramm, die von den Nazis weggeschafft wurden, ergeben, daß, wie das Landesamt für Denkmalspflege dieser Tage mitteilte, mit dem endgültigen Verlust der Rathausglocken gerechnet werden muß. Der Oberbürgermeister gab seiner Hoffnung Ausdruck, daß bis zum 100jährigen Jubiläum des Rathauses, das in etwa zwei Jahren gefeiert wird, ein neues Geläute beschafft werden kann.[3]

Porzellanglockenspiel

Anfang Dezember 1950 wurden die sog. „Bornkesseli“ in den Probebetrieb genommen und in der Silvesternacht 1950/51 offiziell eingeweiht. Es handelte sich um fünf Porzellanglocken der Fa. Rosenthal in Selb, die der Stadtrat aufgrund der wesentlich geringeren Kosten (332.- DM die Glocken, 8.000 DM inkl. Installation)[4] gegenüber Bronzeglocken und Glocken aus Meissener Porzellan (Angebote ca. 20.000 DM ohne Installation) auswählte. Das war insofern riskant, da es nur in Meißen Erfahrung mit Porzellanglocken gab. Die größte der Porzellanglocken wog drei Kilogramm. Das Geläut wurde entsprechend einem Gutachten auf die Glocken der umgebenden Kirchenglocken in Moll abgestimmt. Sie hatten angeblich die Stimmung e1, des1, g1, b1, des2. Die tiefste und damit größte Glocke hatte ein Gewicht von nur 3 Kilogramm. Dabei ist der tiefste Ton e1 mit einem Fragezeichen zu versehen: Die Quellen[5] sprechen von e1 oder "E1", letzteres eine unübliche bzw. falsche Notierung. In Bezug auf die anderen Töne und die Moll-Tonart ist jedoch e1 ebenfalls unwahrscheinlich; vermutlich war es1 gemeint. Die Glocken waren (sofern die Angaben richtig sind) damit deutlich tiefer als das heutige Glockenspiel gestimmt (bezogen auf den jeweils höchsten Ton um 3 Oktaven). Das Glockenspiel wurden von einem 80-Watt-Verstärker auf acht Siluminguß-Druckkammerlautsprecher übertragen. Diese Lautsprecher sind zwar wetterfest, der Klang ist aber kaum besser als der eines elektrischen Megafons, weswegen der Klang in der Stadt von vorneherein bescheiden gewesen sein dürfte. Die Lautsprecher waren paarweise in den Turmfenstern unter den Ziffernblättern angebracht und sorgten dafür, dass die Glocken im Umkreis von zwei bis drei Kilometern gehört werden konnten. Da die GRUNDIG Radio-Werke zu jener Zeit noch keine solchen Anlagen fertigte, wurde die Anlage vom niederländischen Hersteller Philips geliefert[6]

Das Spiel erfüllte nicht die Ansprüche. Es blieb der einzige Versuch, keine Porzellanglocken aus der Manufaktur Meißen für ein Glockenspiel zu verwenden; alle heute noch existierenden spielbaren Porzellanglockenspiele sind aus Meissener Porzellan (vgl. Porzellanglockenspiel).[7] Im Juni 1956 besuchten im Rahmen einer Studienfahrt 70 Glockenfachleute Fürth und bestätigten den ausnehmend schlechten Klang der Porzellanglocken („Tonfolge unschön, fast unerträglich“). Eine Reklamation beim Hersteller (wahrscheinlich schon 1951) erwirkte einen Nachlass in Höhe von 110 DM (damit 1/3 des Preises für die Glocken).[8][9]

Wegen Beschädigungen (Haarrisse), vor allem war eine Glocke gesprungen, und des daraus resultierenden schlechten (bzw. noch schlechteren) Klangs wurden sie am 20. November 1966 ausgeschaltet.[10]

Glockenspiel seit 2007

Alexander Mayer entdeckte in Bayreuth ein Glockenspiel, das sich heute auf dem Rathausturm befindet
Hans Schmidt-Mannheim und Karl Ludwig Dittmar an der ursprünglichen Steuerung der Glockenanlage im Rathaus, 2008
Alte, inzwischen ausgetauschte Glockenspiel-Steuerung mit Liedauswahlliste, 2018

Am Tag des Stadtjubiläums, dem 1. November 2007, um 15:00 Uhr wurde zum ersten Mal offiziell das neue Glockenspiel im Turm des Rathauses geläutet. Jeden Mittag kurz nach 12:00 Uhr und zu besonderen Anlässen wird nun, mit passender Melodie, geläutet, um die Fürther und ihre Gäste zu erfreuen. Das Spielwerk besteht aus 25 Glocken (chromatisch von c3 bis c5) und konnte mit der ursprünglichen Steuerung 43 verschiedene Melodien erklingen lassen. Diese Stücke können bei der im Frühjahr 2023 vorgesehenen Reparatur nicht übernommen werden, so dass zunächst nur 5 wieder einzuspielende Lieder zur Verfügung stehen. Die Glocken selbst stammen von der niederländischen Glockengießerei Royal Eijsbouts in Asten, die Steuerung von der Firma "Bayreuther Turmuhren". Es ist kein Carillon, da es keine anschlagsdynamische Klaviatur besitzt. Ursprünglich war es im Eigentum der Fa. "Bayreuther Turmuhren", dann übernahm Anfang der 2000er Jahre Fabrik-Eigentümer Karl Ludwig Dittmar beim Verkauf seiner Firma das Glockenspiel für das inzwischen aufgelöste Fränkische Turmuhrenmuseum e.V., dessen Vorsitzender Dittmar war. Es wurde seinerzeit als mobiles Glockenspiel auf einem Autoanhänger für Messen, Weihnachtsmärkte o.ä. benutzt. Im Juni 2007 bot Dittmar das Glockenspiel dem damaligen Stadtheimatpfleger Alexander Mayer an, der schon länger nach einem Ersatz für die "Bornkesseli" suchte, was sich über die deutsche Glockenspielervereinigung e.V. herumgesprochen hatte. Nachdem Mayer das Glockenspiel in Bayreuth geprüft hatte, empfahl er der Stadt Fürth den Erwerb. Ende Juli 2007 befürwortete der Stadtrat mit 24 (SPD) gegen 18 (CSU, Grüne) Stimmen den Kauf für 20.000 Euro.[11][12][13]

Seit dem 2. November 2007 erklingen die Takte 8 bis 16 des Rockklassikers Stairway to Heaven der britischen Rockgruppe Led Zeppelin täglich um 12:04 Uhr. Zur Premiere kamen rund 1.000 Besucher in dein Rathausinnenhof um erstmals die Glocken wieder spielen zu hören.[14] Die Auswahl erfolgte durch Alexander Mayer, da sich seiner Meinung nach mehr Menschen mit dem 1971 veröffentlichten Rockklassiker (Auflage der Schallplatte bzw. der CD: über 37 Millionen) identifizieren können als mit einem Volkslied o.ä. Mayer und Kirchenmusikdirektor Hans Schmidt-Mannheim[15] bearbeiteten die Melodie soweit, dass sie vom Glockenspiel wiedergegeben werden kann. So wurde die Melodie nach c-moll transponiert (Originaltonart a-moll) und überwiegend die Notenführung der Gesangstimme verwendet. Ursprünglich wollte Mayer die für das Stück charakteristische Gitarrenbegleitung mitklingen lassen, das Glockenspiel konnte dies technisch aber nicht leisten.[16] Der Zeitversatz zur Mittagsstunde dient dazu, nicht akustisch mit dem Geläut der Kirchenglocken in Konflikt zu treten.[11][17] Die beste Wiedergabequalität kann in der Bäumenstraße gehört werden.

Durch einen technischen Defekt bei Reinigungsarbeiten im Rathausturm schwiegen die Glocken seit Mai 2022. Weder das Glockenspiel um 12:04 Uhr noch der Glockenschlag für die Uhrzeit waren seitdem zu hören. Später stellte sich heraus, dass der Defekt nicht reparabel ist und die gesamte Steuerung ausgewechselt werden muss. Am 7. Februar 2023 wurde der Auftrag zur Reparatur an die Firma "Bayreuther Turmuhren" (Eckersdorf) erteilt, die Instandsetzungsarbeiten waren am 1. Juni 2023 abgeschlossen, seitdem ist (in verbesserter Form) das Stundenläuten wieder zu hören.[18]. Die offizielle Wiederinbetriebnahme erfolgte am 27. Juni 2023. Zukünftig sind jedoch nur noch sechs Lieder im Repertoire (zuvor 43): Stairway to Heaven, Europahymne (Freude, schöner Götterfunken), Hochzeitsmarsch (aus dem Sommernachtstraum von Mendelssohn-Bartholdy), "Fröhliche Weihnacht überall" und für Franken „Wohlauf die Luft geht frisch und rein“. Aus gegebenem Anlass und auf ein kostenloses Angebot der Bayreuther Turmuhren hin wurde noch "Imagine" einprogrammiert. Abgesehen von "Stairway to Heaven" konnte bei allen Stücken auf vorgefertige Files der Branche zurückgegriffen werden. Für "Stairway to Heaven" stellte wiederum Alexander Mayer einen auf die Möglichkeiten des Glockenspiels abgestimmten Notensatz zur Verfügung.

Die Frage nach der Melodie des Glockenspiels am Fürther Rathausturm zur Mittagszeit (Stairway to Heaven) war inzwischen mehrfach Thema von Fernseh-Quizsendungen, so zum Beispiel in Wer weiß denn sowas? vom 4. Februar 2021 mit etwa 4 Millionen Zuschauern und in Deutschlands größte Geheimnisse vom 6. Oktober 2024.[19]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Chronik der Stadt Fürth (Buch), S. 291 f.
  2. Auslöser dafür war die sog. Hermann-Göring-Abgabe. Die „gespendeten Metalle wurden als „Geschenk der Deutschen Nation“ zum „Führergeburtstag“ am 20. April 1940" erstmals überreicht. Siehe [Nr. 35] Verordnung zum Schutz der Metallsammlung des Deutschen Volkes vom 29. März 1940, in: Gerhard Werle: Justiz-Strafrecht und polizeiliche Verbrechensbekämpfung im Dritten Reich, 1989, S. 304 – online
  3. Stadtarchiv Fürth, Nürnberger Nachrichten - Fürther Ausgabe, 7. Februar 1948, S. 3
  4. Gert Kuntermann: Fürth 1960/61. Städtebilder Verlag, 2007, S. 41; Samstag, 31. Dezember 1960.
  5. Fürther Nachrichten vom 8. Dezember 1950: Wieder Glockenklang vom Rathausturm
    Fürther Nachrichten vom 30. Dezember 1950: Rathaus-Glocken läuten wieder
    Autorenkollektiv: Fürth 1950, Aufbruch in die neue Demokratie. Städtebilder Verlag, 2001, S. 92, 96.
  6. Fürther Nachrichten vom 8. Dezember 1950: Wieder Glockenklang vom Rathausturm
    Fürther Nachrichten vom 30. Dezember 1950: Rathaus-Glocken läuten wieder
    Autorenkollektiv: Fürth 1950, Aufbruch in die neue Demokratie. Städtebilder Verlag, 2001, S. 92, 96.
  7. Annelene Raasch: Glockenspiele aus Meissener Porzellan, Verlag Hauschild, Bremen 1994, S. 73.
  8. Gert Kuntermann: Fürth 1960/61. Städtebilder Verlag, 2007, S. 41; Samstag, 31. Dezember 1960.
  9. Autorenkollektiv: Fürth 1956/57. Städtebilder Verlag, 2004, S. 15; Samstag, 9. Juni 1956.
  10. Volker Dittmar: Fürther Rathaus erhält eine klangvolle Note. In: Fürther Nachrichten vom 30. November 2006 - online.
  11. 11,0 11,1 Alexander Mayer: Glockenspiel auf dem Fürther Rathaus (PDF-Datei)
  12. Johannes Goecke: Glocken als Attraktion. Das Publikum strömte zur Premiere in den Rathaushof ; in: Fürther Nachrichten, Ausgabe vom 3. November 2007 - online auf webarchive.org
  13. Johannes Alles: Ein Glockenspiel für den Rathausturm. In: Fürther Nachrichten vom 27. Juli 2007 - online
  14. Johannes Goecke: Glocken als Attraktion. In: Fürther Nachrichten vom 3. November 2007
  15. Hans Schmidt: Artikel in der Neuen Musikzeitung
  16. Glockenspiel als mp3-Datei
  17. Johannes Goecke: Glocken als Attraktion - Das Publikum strömte zur Premiere in den Rathaushof. Fürther Nachrichten vom 3. November 2007
  18. Pressemitteilung Stadt Fürth 23. Juni 2023 199/23 - Endlich wieder mit "Stairway to Heaven" in die Mittagspause
  19. Kabel Eins: Deutschlands größte Geheimnisse. Sendung vom 6. Oktober 2024 (8:30 bis 14:40 Min.:Sek.). (Joyn).

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