Gründungsvater der jüdischen Gemeinde Nürnberg: Isaak Loewi
Die Anfänge im 19. Jahrhundert
Seit der Ausweisung der Juden aus Nürnberg 1499 blieb ihnen der ständige Aufenthalt in der Stadt untersagt. Ausnahme bildeten:
- Simon Wolfskehl aus München, angestellt als Lotto-Kollekteur, 1807
- Karoline Lewi, ein armes, gut beleumundetes 16-jähriges Mädchen aus Fürth, das keinen Handel treiben, sondern lediglich weibliche Handarbeiten erlernen wollte[1], 1824
Es gab aber im Laufe der nachfolgenden Jahre sog. Licenzscheine, die Juden erlaubten sich tageweise in Nürnberg aufzuhalten, um Handel zu treiben. Dies war besonders im Hopfenhandel der Fall, wurde aber von der Obrigkeit argwöhnisch beobachtet.[2]
Der 16. Mai 1850 brachte eine Wende, als Joseph Kohn nach heftigen Debatten im Magistrat mit 9 gegen 8 Stimmen als Bürger aufgenommen wurde.[3] Am 10. September 1852 beantragten Hirsch Scherer, Löb Hopf und Joseph Friedmann das jüdische Neujahrsfest[4] sowie den wochendrauf fallenden Versöhnungstag mit noch sieben anderen Glaubensgenossen unter Zuziehung des geprüften Religionslehrers Vorhaus aus Fürth im Haus der Weinwirtswitwe Bayer in der dritten Etage begehen zu dürfen. Dies wurde genehmigt unter der Bedingung, dass damit „kein nach aussen dringendes Geräusch verbunden sey.“[5]
Am 8. März 1855 forderte der Stadtmagistrat Nürnberg vom Distrikts-Rabbinat Fürth ein Verzeichnis der seit 3 Jahren in Nürnberg geborenen israelitischen Kinder um Impflisten anlegen zu können. Loewi antwortete am 11. März 1855 vielsagend: „dass die Israeliten der Stadt Nürnberg zur Zeit sich dem unterfertigten Rabbinate noch nicht angeschlossen haben, wonach für die unterfertigte geistliche Behörde weder Berechtigung noch Verpflichtung gegeben war, Zivilstandsregister für dieselben zu führen oder überhaupt deren religiöse Bedürfnisse wahrzunehmen und zu befriedigen. Deshalb befindet man sich auch nicht in der Lage dem jenseitigen verehrlichen Ansinnen für jetzt entsprechen zu können. Sollte jedoch der Stadtmagistrat sich veranlasst sehen, die Israeliten der Stadt Nürnberg zu beauftragen, sich an einen Rabbiner anzuschliessen, so erklärt sich der Unterfertigte bereit, einen Dienstvertrag abzuschliessen und allen daraus hervorgehenden Amtsobliegenheiten bereitwillig und pünktlich nachzukommen.“[6]
Die Angelegenheit ruhte bis zum 18. Dezember 1856, als die sechs in den städtischen Gemeindeverband aufgenommenen Juden vor dem Magistrat zu Protokoll gaben, sie wollten sich dem Rabbinatssprengel Fürth anschließen – falls es denn nötig sei. Loewi wies den Anschluss an den Fürther Rabbinatssprengel am 31. Dezember 1856 aufgrund des „religiösen Indifferentismus“ der in Nürnberg wohnenden Israeliten zurück.[7] Eine Deputation der halb widerstrebenden Nürnberger Israeliten begab sich aber zu Loewi um sich zu entschuldigen und vereinbarte ein jährliches Gehalt von 100 fl., wenn er sie in seinen Sprengel mit aufnähme. Mit Schreiben Loewis vom 1. Februar 1857 erklärte dieser sich daraufhin bereit, rabbinische Funktionen in Nürnberg zu übernehmen.[8] Die Genehmigung der Regierungsbehörde erfolgte am 23. Februar 1857 „dass der beantragte Anschluss der Israeliten zu Nürnberg an die Cultusgemeinde zu Fürth … gutgeheissen werde.“[9]
Jüdische Gemeinde Nürnberg als Filialgemeinde von Fürth
Am 29. März 1857 lud Isaak Loewi sämtliche acht ansässigen Mitglieder in die Wohnung des Hopfenhändlers Loeb Hopf als des ältesten Gemeindemitgliedes ein. Sechs von ihnen erschienen mit dem Religionslehrer Asyl.[10] Es wurde beschlossen:
- die Konstituierung der israelitischen Kultusgemeinde der kgl. Bayerischen Stadt Nürnberg, als Filiale von Fürth
- die Kultusgemeinde besteht aus ordentlichen Mitgliedern die in Nürnberg ansässig sind und ausserordentlichen Mitgliedern, die in einer anderen Gemeinde ansässig sind und in Nürnberg mit polizeilicher Permission wohnen.
- Verwaltung und Ordnung aller Kultusangelegenheiten nur durch ordentliche Mitglieder
- Solange die Mitgliederzahl nicht zwanzig erreicht gibt es nur einen Kultusvorsteher
- Die Beitragspflichtigen sind in vier Klassen eingeteilt.
Die Kultusgemeinde hatte bei der Konstituierung lediglich acht Mitglieder, die übrigen 36 waren ein rechtloses Anhängsel. Der Magistrat Nürnbergs versagte aber die behördliche Bestätigung wegen der mangelnden Anzahl und berief sich dabei auf das Edikt vom 10. Juni 1813, § 24. Die Regierungsentschließung gab dem Magistrat recht und so mussten sich die Nürnberger Juden der Kultusgemeinde Fürth anschließen.[11] Mit Datum der Versammlung vom 29. März schrieb Löb Hopf an den Vorstand des israelitischen Religionsvereins Fürth, um für Beerdigungen auf dem Fürther Friedhof[12] für die Nürnberger Juden anzufragen.
Loewi gelang es mit scharfsinnigen, listigen Begründungen schließlich am 11. September 1858 einen Ministerialerlass der bayerischen Regierung zu erwirken, der zur Folge hatte dass die Nürnberger Israeliten sich nicht als Einzelpersonen Fürth anschließen mussten, sondern eine eigene Gemeinde als Filialgemeinde Fürths konstituieren durften.
Zweiter Versuch einer Gemeindebildung in Nürnberg: Der Religionsverein
Am 1. Februar 1859 kamen 17 Israeliten zusammen und vereinigten sich zu einem israelitischen Religionsverein, egal ob sie in Nürnberg wohnten oder bloß eine Aufenthaltskarte innehielten. Diese Übereinkunft beinhaltete:
- die Errichtung einer Religionsschule
- regelmäßige feiertägliche Gottesdienste
- die Fürsorge für ritualmäßiges Fleisch
- die Sorge für Beerdigungen
- der Anschluss an das Rabbinat Fürth[13]
Der Rabbiner präsentierte Falk Vorhaus aus Fürth für die Schächterfunktion.[14] Ab 1862 war der Erwerb eines eigenen Grundstückes für einen Friedhof unausweichlich, da die Fürther wegen des beschränkten Raumes eine Mitbenutzung ihres Friedhofs zum 1. Oktober 1862 aufkündigten.[15] Die Anzahl jüdischer Familien nahm ständig zu und so wurde der Antrag gestellt, den Religionsverein in eine Kultusgemeinde umzuwandeln. Nach regierungsamtlicher Zustimmung wurde im Amts- und Intelligenzblatt vom 7. Juli 1862 die Konstituierung der israelitischen Kultusgemeinde durch den Magistrat zur öffentlichen Kenntnis gebracht.[16]
Die Kultusgemeinde Nürnberg
Zunächst stand als dringlichste Maßnahme die Errichtung eines Friedhofs an. Da sich nicht nur der Kauf eines geeigneten Grundstücks[17], sondern auch die behördlichen Genehmigungen hinzogen, musste die Fürther Gemeinde Ausnahmeregelungen bis Ende 1863 erlassen. Die erste Beerdigung[18] war am 28. Februar 1869 mit einem Weiheakt des Friedhofs durch Rabbiner Isaak Loewi verbunden. Nun galt es noch eine Umfassungsmauer, ein Leichenhaus und eine Leichenordnung zu erstellen. Für letzteres legte Loewi einen Entwurf vor.[19]
Für die Gottesdienst stellte man den Antrag im Augustinerkloster Räumlichkeiten verwenden zu dürfen, nachdem angemietete Gasthauszimmer zu klein geworden waren. Dies wurde aber abschlägig beschieden. Letztlich blieb der Bau einer Synagoge unausweichlich und mit Kauf eines geeigneten Grundstückes am 4. März 1867 endlich angegangen.[20]
„Rabbiner Dr. Isaak Loewi in Fürth hat sich um die Gemeinde Nürnberg, das muss vor der Geschichte festgestellt werden, sehr verdient gemacht. Er hat die Gemeinde eigentlich ins Leben gerufen indem er … unter den in Nürnberg lebenden Israeliten, gegen innere und äußere Schwierigkeiten mutig kämpfend, eine gemeindliche Organisation zustande brachte. Er hat die Rechte der Nürnberger Juden gegen das Widerstreben der Behörden durch alle Instanzen hindurch tapfer verteidigt und ihnen zum Siege verholfen.“[21] Loewi unterstütze dann auch die Bemühungen einen eigenen Rabbiner anzustellen, da er durch seine Amtspflichten in Fürth an Festtagen verhindert sei, in Nürnberg Predigten abzuhalten.[22] Eine Stelle wurde wohl schon 1866 ausgeschrieben, aber dann doch erst am 28. Mai 1872 mit Dr. Levin besetzt, der sich mit 12 zu 7 Stimmen gegen einen Gegenbewerber durchsetzen konnte.[23]
Weblinks
- Rabbiner Bernhard Ziemlich: "Die Israelitische Kultusgemeinde Nürnberg von ihrer Entstehung bis zur Einweihung ihrer Synagoge", Gedenkschrift aus Anlass des 25jg. Bestehens der Synagoge, in Akte CAHJP, Gemeinde Nürnberg D-Nu2-16 online
- Nutzung des Friedhofs durch die Religionsgemeinde Nürnberg, 1857-1863, Akte CAHJP, Gemeinde Fürth D-Fu1-594 online
Einzelnachweise
- ↑ Magistrat Nürnberg, 26. April 1821, zitiert bei Bernhard Ziemlich: „Israelitische Kultusgemeinde Nürnberg“, 1900, S. 1f; dagegen protestierten Bezirksvorsteher Faber und Bürgermeister Scharrer
- ↑ „Im September 1854 brachten Isaak Hess und Abraham Fränkl aus Fürth auf den hiesigen Viehmarkt Lulaw und Ethrog zum Verkaufe, was der Aufsichtsbeamte des Viehmarktes beanstandete. Die beiden Handelsleute gaben zu Protokoll: Bereits seit ca. 30 Jahren finden wir uns alljährlich zur Zeit des Laubhüttenfestes am Viehmarkt dahier ein, um daselbst Zedernäpfel und Palmzweige an unsere Glaubensgenossen zu verkaufen. Darauf wurde der Verkauf dieser „Zedern“ frei gegeben. Siehe B. Ziemlich: Seite 3, Fußnote 2.
- ↑ B. Ziemlich, S. 4
- ↑ damals am 14./15. September
- ↑ B. Ziemlich, S. 6
- ↑ B. Ziemlich zitiert Akten des Stadt- und Distrikts-Rabbinats Fürth, Betreff die Filialgemeinde Nürnberg 1856-58, Fasc. 1
- ↑ B. Ziemlich: S. 9
- ↑ B. Ziemlich S. 10
- ↑ ebenda
- ↑ B. Ziemlich, S. 12f
- ↑ B. Ziemlich, S. 14
- ↑ siehe „Nutzung des Friedhofs durch die Religionsgemeinde Nürnberg“ in Akt CAHJP, Gemeinde Fürth D-Fu1-594
- ↑ B. Ziemlich, S. 22 f; Vereinsvorsitzender wurde Löb Hopf, Ausschussmitglieder: Lippmann Scherer, Elias Kohn, Simon Forchheimer und Simon Adler; als Verstärkung des Ausschusses wurden Joseph Hopf und Salomon Loew Erlbacher bestimmt
- ↑ B. Ziemlich, S. 25
- ↑ B. Ziemlich, S. 26
- ↑ B. Ziemlich, S. 32
- ↑ an der Fürther Straße, am sog. Bleiweissacker in der Nähe des Reuter-Brünnleins; siehe B. Ziemlich S. 37
- ↑ dies war die Leiche des Jakob Hirsch Marschütz
- ↑ B. Ziemlich, S. 47
- ↑ Vollendet wurde er mit dem Tag der Einweihung am 8. September 1874
- ↑ B. Ziemlich, S. 58
- ↑ B. Ziemlich, S. 59
- ↑ B. Ziemlich, S. 69