Modehaus Fiedler

Version vom 2. August 2018, 10:06 Uhr von Zonebattler (Diskussion | Beiträge) (Nicht mehr verfügbare YouTube-Videos entfernt.)
Das ehemalige Modehaus Fiedler (2009)

Das ehemalige Modehaus Fiedler lag in der Rudolf-Breitscheid-Straße 9-13, unweit der Fußgängerzone.

Gründung

Im Jahr 1866 gab es neben den sog. Bierkrawallen auch die Gründung eines Fürther Modehauses, so zumindest würde es 100 Jahre später heißen. Doch zunächst fiel die Gründung des künftigen Unternehmens im Oktober 1866 eher bescheiden aus. Im Hinterzimmer der damaligen Weinstraße 13 (heute Rudolf-Breitscheid-Straße 13) gründete Katharina Wipplinger einen Strickereiladen.[1] Die in Fürth geborene Firmengründerin war die vierte von insgesamt sieben Geschwistern und verließ schon mit 13 Jahren die Heimat, um im Ausland ihr Geld zu verdienen. Von einem ihrer Auslandsaufenthalte im Elsass brachte sie schließlich die Idee, die Kenntnisse und die ersten Kontakte für ihr Geschäft in Fürth mit. Zuvor verdiente die inzwischen 24-jährige Wipplinger ihren Unterhalt noch als Handarbeitslehrerin für Schüler, Hausfrauen und Damen der Gesellschaft aus Nürnberg.[2]

Mit 300 Gulden, die sie sich bei Pfarrer Maximilian Röder geliehen hatte, gründete sie im Oktober 1866 in einem Hinterzimmer ihr Geschäft.[3] Laut eigenen Angaben lief das Geschäft bereits nach einem Jahr so gut, dass sie 1867 in einen größeren Raum in die Weinstraße 7 neben dem später errichteten Parkhotel umzog. Zur gleichen Zeit handelte in Nürnberg ein gewisser Hermann Fiedler mit Borten und Litzen. Der 1830 in Frohnau/Annaberg (Erzgebirge) geborene Handelsvertreter war beruflich häufig in Fürth - und so entwickelte sich aus dem beruflichen Kontakt bald auch eine solide Liebesbeziehung. Im Jahr 1873 heirateten beide in der Nürnberger Sebalduskirche.[4]

1. Generation (1866 - 1908)

 
Katharina Wipplinger und Hermann Fiedler

Am 5. Januar 1874 eröffnete offiziell die Fürther Tapisseriewarenhandlung in dem ehem. Geschäftsraum von Katharina Wipplinger, jetzt Fiedler. Der Stadtchronist Fronmüller wusste 1874 zu berichten, dass es sich um einen schönen Laden handelte.[5] Nach eigenen Angaben hielt der Aufschwung stetig an, so dass bereits 1876 der nächste Umzug in größere Räume anstand. Das Angebot wurde erweitert um feine Wäsche, Schürzen und Strickwaren. Der Umzug wurde in der Nacht mit Wäschekörben vollzogen, da Hermann Fiedler jede Umsatzeinbuße vermeiden wollte. Der neue Standort begünstigte den Umzug; es ging erneut lediglich über die Straße, dieses Mal in die Weinstraße 6. Das Ehepaar hatte inzwischen zwei Kinder - die Söhne Heinrich und Karl -, wobei Karl die Firma später übernehmen sollte. [6]

 
Das Modehaus um 1900

Der neue Laden in der Weinstraße 6 besaß zum ersten Mal auch Schaufenster, so dass die Geschäftsinhaber und die inzwischen drei Angestellten der Fürther Bevölkerung ihre Ware besser präsentieren konnten. 1878 folgte die erste Filiale Hermann Fiedler in der Ludwigstraße 52 in Nürnberg. Geschäftsführer war der angeheiratete Hans Leo. Im August 1884 bezog man Räumlichkeiten in der damaligen Weinstraße Nr. 31.[7] 1890 erfolgte die nächste Geschäftserweiterung. Das Eckhaus Weinstraße 9 wurde gekauft, das vielen Fürthern noch als das Modehaus Fiedler bekannt ist und der letzte Standort bis zur Schließung war.

Ab 1891 wurde das Gebäude mehrfach umgebaut. Das einst klassizistische Doppelhaus von 1837 gehörte zu den ältesten Gebäuden in der Straße.[8] Neben dem Ausbau der Geschäfts- und Verkaufsräume und dem Aufstocken des Gebäudes wurden auch verschiedene gasbeleuchtete Schaufenster eingebaut. Letztere waren für die damalige Fürther Bevölkerung eine absolute Attraktion. 1907 starb Katharina Fiedler im Alter von 65 Jahren, ein Jahr später ihr 78-jähriger Ehemann Hermann Fiedler. Aus der Ehe stammen drei Söhne; Karl der Clevere, wie sein Spitzname war, übernahm die Geschäftsführung.[9]

2. (1908 - 1946) und 3. Generation (1946 - 1982)

 
Verkaufsraum und Lichthof, um 1950
 
Karl und Emilie "Milla" Fiedler

Karl Fiedler wurde durch seine Eltern gut auf die Geschäftsführung vorbereitet. Er erhielt eine kaufmännische Ausbildung und absolvierte während der Ausbildung verschiedene Auslandsaufenthalte. 1912 heiratete er Emilie Wündisch aus Rothenburg o. T., die ebenfalls aus der Textilbranche stammte. 1913 kam der erste Sohn Herrmann und 1914 Tochter Lotte auf die Welt. Die Ehe und das Betriebsleben wurden mehrfach auf die Probe gestellt. Bereits 1914 wurde er an die Front des 1. Weltkrieges berufen. Das Geschäft wurde von der Ehefrau bis zum Kriegsende geführt. Dem Krieg folgte die Inflation mit bescheidenen Geschäftsjahren. Erst ab 1923 liefen die Geschäfte wieder besser, so dass es ab 1925 erneut zu größeren Umbauten kam. Bereits 1922 ließ Karl Fiedler den Innenhof überdachen, um so die Geschäftsräume zu erweitern. Jetzt wurde das Nebenhaus Hindenburgstraße 11 mit einem Spezial-Herrengeschäft eingerichtet sowie das Gebäude Hallstraße 9 erworben. Die Gebäude wurden miteinander verbunden, der Mittelpunkt der Gebäude ist jetzt ein großer Lichthof. Pünktlich zum Weihnachtsgeschäft wurden am 1. Dezember 1925 die Räumlichkeiten eröffnet. Karl Fiedler starb 1934 im Alter von 57 Jahren bei einem Bergunfall in den Alpen.[10]

 
Kirchweihumzug mit Modehaus Fiedler 1964
 
Herrmann und Ingeborg Fiedler

Die Witwe Emilie "Milla" Fiedler führte die Geschäfte weiter, bis sie 1938 den Betrieb an den Sohn Herrmann Fiedler übergab. Dieser hatte eine Ausbildung in der Schweiz und bei diversen deutschen Textilhandelshäusern absolviert. Kurz nach Kriegsbeginn wurde auch er zum Kriegsdienst eingezogen. Bis zu seiner Rückkehr 1946 aus der Gefangenschaft leitete erneut seine Mutter die Geschäfte. In der Kriegsgefangenschaft hatte Herrmann Fiedler seine zukünftige Ehefrau in Oranienburg bei Berlin kennengelernt - Ingeborg Kley.

Nach dem Krieg gab es kaum Ware. Der Aufschwung begann erst wieder ab 1949 mit den Jahren des sog. Wirtschaftswunders. Zu den Neuheiten im Modehaus Fiedler gehörte jetzt eine neue Damenoberbekleidungsabteilung mit Fertigkleidung. Das Ehepaar bekam 1946 die Tochter Marion, 1948 die Tochter Susanne und im Februar 1951 den Sohn Roland Fiedler.

 
Ansicht von 1950

Zwischen 1953 und 1955 erfolgten erneut größere Umbauten. So wurde die Sandsteinfassade abgeschlagen mit der Konsequenz, dass in den 1980er Jahren das Gebäude nicht mehr im Bestand der Baudenkmäler der Stadt Fürth aufgenommen wurde. Auch im Innenbereich gab es Veränderungen. So wurde die Verkaufsfläche mit knapp 1.000 qm weitestgehend einheitlich gestaltet. Der Kunde konnte selbst die Ware auswählen und anprobieren - ein bis dahin eher ungewöhnliches Konzept. Ab 1964 wurden die Grundstücke Rudolf-Breitscheid-Straße 11 und 13 erworben und bis 1966 umgebaut. Inzwischen hatte das Modehaus Fiedler 2.800 qm Verkaufsfläche.[11]

Hermann Fiedler war begeisterter Theaterbesucher. Er gehört zu den Initiatoren und Gründungsmitgliedern des Fördervereins des Theater Fürths, dem heutigen Theaterverein Fürth e. V.


Lichthof 1928

 
Lichthof im Modehaus Fiedler, 1930
 
100 Jahre Modehaus Fiedler, Broschüre

Der Neubau (Erweiterung) beim Mode-Warenhaus Hermann Fiedler nach Abbruch der bisherigen Gebäude zwischen Hallstraße und Hindenburgstraße (spätere Rudolf-Breitscheid-Straße) ab 7. Juni 1928 wurde am Samstag, den 1. Dezember 1928 als „Fiedler-Lichthof“ eingeweiht und getauft. Das Erdgeschoss war durch einen 350 qm großen Lichthof überbaut worden. Zwei Treppen führten nach oben auf eine 3 m breite Galerie auf drei Seiten. Über dem Lichthof lag auf 6 Pfeilern ein Glasdach mit 100 qm und in einer Höhe von 6 Metern über dem Fußboden. Das Ganze diente auch einer geschmackvollen Spezifizierung der Warengattungen. Die Fassaden an der Hallstraße und der Hindenburgstraße waren vollständig umgebaut worden. Geplant hatte das Projekt Architekt Louis Fiedler, Nürnberg. Ausführung der Bauarbeiten wurde durch die Firma Johann Gran vorgenommen[12]. Zur Eröffnung des Lichthofes kam viel Fürther Prominenz, u.a. der Oberbürgermeister Dr. Robert Wild persönlich. Über die Eröffnung und deren Reden zum Lob der Geschäftsführung Fiedlers wurde anschließend ausführlich in der Presse berichtet. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Lichthof „in einer Blitzaktion übers Wochenende mit Holzplatten in zwei Etagen aufgeteilt wurde um mehr Platz zu schaffen"

In der einschlägigen Literatur wird die Abbildung des Lichthofs fast immer mit dem Lichthof im Kaufhaus Tietz verwechselt. Die Broschüren und Geschäftsunterlagen des Modehauses Fiedler, auf denen dieser Lichthof eindeutig zugeordnet werden kann, widersprechen allerdings unmissverständlich dieser Interpretation[13].

4. Generation (1982 - 2003)

 
Roland Fiedler, ca. 1980

1982 übernahm mit Roland Fiedler (geb. 12. Februar 1951 - gest. 07. Februar 2016), dem jüngsten Sohn der Familie, die 4. Generation das Geschäft. In seiner Ära entstand 1985 im City-Center die Boutique Fiedler IN und die Firma Roland Teppich- und Gardinenhaus GmbH. 1986 folgte in der Karolinenstraße 42-44 in Nürnberg ein Fiedler-Haus mit knapp 1.700 qm.

 
Das Ende des Modehauses Fiedler im Juni 2013

2003 endete die Geschichte des Familienunternehmens Fiedler in einer Insolvenz. Aufgrund der finanziellen Notlage war das Ende der Geschäftstätigkeit zum 31. März 2003 vorgesehen, allerdings konnte der Betrieb doch noch durch den Verkauf an einen pakistanischen Investor in London (Global Eximps), rückwirkend zum 1. November 2002, kurzfristig gerettet werden.[14] Zur Global Eximps gehörten vor allem Produktionsstätten für Haus- und Heimtextilien in Asien, wodurch sich die Produktionskosten deutlich minimieren ließen. Die neue Geschäftsleitung der noch 85 verbliebenen Angestellten bestand aus drei langjährigen Mitarbeitern des Unternehmens: Klaus Nixdorf, Doris Maurer und Franz Güßbacher. Der bisherige Alleininhaber und Geschäftsführer Roland Fiedler zog sich mit 51 Jahren aus der Unternehmensführung zurück, die Immobilie blieb jedoch weiterhin in Familienbesitz. Global Eximps, der neue Eigentümer, konnte aber per Option das Gebäude innerhalb der nächsten fünf Jahre übernehmen, wozu es jedoch nicht mehr kam. Nur kurze Zeit später, im April 2003, stellte der neue Eigentümer erneut einen Insolvenzantrag. Bis Ende Juni 2003 lief der Abverkauf der Bestandsware, ehe der Betrieb für immer eingestellt wurde und die restlichen 62 noch verbliebenen Mitarbeiter ebenfalls gekündigt wurden.[15]

Die Stadt Fürth hatte das Fiedler-Areal in einer Zwangsversteigerung gekauft, um es einem künftigen Investor für ein Einkaufszentrum anbieten zu können. Seit 2009 war das Fiedler-Areal, gemeinsam mit dem ehemaligen Parkhotel und dem gegenüberliegenden sog. Wölfelareal, für den Bau des Einkaufszentrums Neue Mitte im Gespräch. Der Erhalt der Gebäude wurde von keinem Investor vorgesehen, alle Pläne gingen von einem vollständigen Abriss aus. Die Schaufenster wurden eine Zeit lang noch von Fürther Einzelhändlern regelmäßig dekoriert. Ebenfalls fanden in den ehem. Verkaufsräumen mehrfach Kulturveranstaltungen statt, zuletzt im Mai 2009. Am 25. Juni 2013 begannen schließlich die Abrissarbeiten am Fiedler-Gebäude für das geplante Einkaufszentrum in der Rudolf-Breitscheid-Straße - auch Neue Mitte genannt.[16] Gegen Ende Juli 2013 war das Gebäude des ehem. Fiedler-Gebäudes vollständig abgerissen.

Roland Fiedler, der letzte Geschäftsinhaber, betrieb zuletzt eine Handelsvertretung in Lauf a. d. Pegnitz.

Literatur

  • 75 Jahre Modehaus Fiedler, Selbstverlag Modehaus Fiedler, Fürth, 1941
  • 100 Jahre Mode - 100 Jahre Fiedler. 1866 - 1966, Selbstverlag Modehaus Fiedler, 1966, 40 S.
  • Fiedler, Hermann, Modehaus. In: Adolf Schwammberger: Fürth von A bis Z. Ein Geschichtslexikon. Fürth: Selbstverlag der Stadt Fürth, 1968, S. 119
  • 125 Jahre - Ihr Einkaufsziel im Herzen von Mittelfranken: Selbstverlag Modehaus Fiedler, Fürth, 1990 - online abrufbar

Lokalberichterstattung

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. 125 Jahre - Ihr Einkaufsziel im Herzen von Mittelfranken: Selbstverlag Modehaus Fiedler, Fürth, 1990, S. 2
  2. 75 Jahre Modehaus Fiedler, Selbstverlag Modehaus Fiedler, Fürth, 1941, S. 2
  3. 125 Jahre - Ihr Einkaufsziel im Herzen von Mittelfranken: Selbstverlag Modehaus Fiedler, Fürth, 1990, S. 2
  4. 125 Jahre - Ihr Einkaufsziel im Herzen von Mittelfranken: Selbstverlag Modehaus Fiedler, Fürth, 1990, S. 3
  5. Chronik der Stadt Fürth. 2. Auflage,1887; 2., vielfach vermehrte und verbesserte Ausgabe, fortgesetzt bis zur neuesten Zeit und mit Register versehen., S. 430
  6. 125 Jahre - Ihr Einkaufsziel im Herzen von Mittelfranken: Selbstverlag Modehaus Fiedler, Fürth, 1990, S. 4
  7. Fronmüllerchronik, 1887, S. 616
  8. Fürther Geschichtswerkstatt e. V. (Hrsg.) - Die Fürther Weinstraße - Vom Feldweg zur Stadtmitte, Fürth, 2008, S. 15
  9. 125 Jahre - Ihr Einkaufsziel im Herzen von Mittelfranken: Selbstverlag Modehaus Fiedler, Fürth, 1990, S. 5
  10. 125 Jahre - Ihr Einkaufsziel im Herzen von Mittelfranken: Selbstverlag Modehaus Fiedler, Fürth, 1990, S. 5
  11. 125 Jahre - Ihr Einkaufsziel im Herzen von Mittelfranken: Selbstverlag Modehaus Fiedler, Fürth, 1990, S. 6
  12. Rieß-Chronik, Band 1928, S. 182 und Sonderband 1928, S. 168
  13. Claudia Ziob: War es Tietz oder Fiedler? Rätsel um ein Bild: Wie der Lichthof des Modehauses an den Kohlenmarkt kam. In: Fürther Nachrichten vom 29. August 2016
  14. Modehaus Fiedler von Global Eximps übernommen. In: TextilWirtschaft vom 27. November 2002 - online abgerufen am 17. Mai 2018 | 18:55 Uhr
  15. Renate Platen: Endgültiges Aus für Mode Fiedler. In: TextilWirtschaft vom 23. Juni 2003, online abgerufen am 17. Mai 2018 | 18:52 Uhr
  16. Johannes Alles: Bagger reißt das Fiedler-Gebäude ein. In: Fürther Nachrichten vom 26. Juni 2013 online abrufbar

Bilder