Nürnberger Sodafabrik

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Die Nürnberger Sodafabrik wurde 1872 als Aktiengesellschaft gegründet und 1874 an der Stadtgrenze auf einem großen Areal auf der Nürnberger Seite der Höfener Straße errichtet.[1] Direktor war Julius Giese, ein Mitbegründer der Badischen Anilin- und Sodafabrik (BASF), die er 1871 verließ.[2]


GeschichteBearbeiten

 
Ausschnitt aus einem Stadtplan von 1896, der die Lage der Sodafabrik zeigt

Es bestanden Kooperationen mit der benachbarten Chemischen Fabrik Theod. Oppler & Co., hauptsächlich im Tausch und Verkauf von Grundstücken. Die Unternehmer Giese und Oppler regelten ihre Grundstücksgeschäfte so, dass ein Zufahrtsweg von der Nürnberger Landstraße zum Oppler'schen Fabrikgrundstück entstand. In diesen Weg baute die Nürnberger Sodafabrik ihren Abwasserkanal, der zusammen mit Opplers Kanal in die Pegnitz führte. Dieser Privatweg der Chemiefabriken wurde später zur heutigen Ludwig-Quellen-Straße.[2]
Die Sodafabrik war auch Eigentümer des lediglich an die Bohrgesellschaft verpachteten Geländes an der Pegnitz, auf dem ursprünglich nach Bodenschätzen gesucht, aber dann das Heilwasservorkommen entdeckt und als König-Ludwig-Quelle benannt wurde.[3] Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde das Gelände der Sodafabrik von der heute noch bestehenden GfE - Gesellschaft für Elektrometallurgie mbH übernommen.[4]

Die von der Nürnberger Sodafabrik verursachten Umweltverschmutzungen sorgten für jahrelange Streitereien und Gerichtsprozesse, die letztendlich die Stadt Fürth gewann.

Aus der Fronmüllerchronik lässt sich die Historie dieser Prozesse folgendermaßen zusammentragen:

  • 1872: Am 19. September beschloß der Magistrat, gegen die von einer Aktiengesellschaft beabsichtigte Anlage einer Sodafabrik in der Nähe der Fürther Kreuzung unter der Bedingung keine Erinnerung zu erheben, daß die Einrichtung und Betrieb der Fabrik auf die von der Direktion angegebene Weise erfolge und daß alle jene Vorsichtsmaßregeln zur Anwendung gelangen, welche in einem vom Chemiker Dr. Langhans erhaltenen technischen Gutachten als erforderlich zur Verhütung einer Benachtheiligiung der Stadt Fürth bezeichnet worden sind.
  • 1876: Oekonom J. L. Kühl,[5] Besitzer des Hauses Nr. 1 am Höfener Weg, machte schon seit längerer Zeit die Bemerkung, daß das Wasser seines an der Sodafabrik liegenden Brunnens sich verschlechtere. Auf seine Anzeige, daß das Wasser in neuerer Zeit ganz sauer geworden sei, wurde eine chemische Untersuchung desselben angeordnet, welche das Resultat ergab, daß die Verunreinigung offenbar von dem im Freien aufbewahrten Abfall der Sodafabrikation herrührt, und daß das Wasser auf das Liter 724 Milligramm Kalkgehalt aufwies, sodaß es als völlig ungenießbar erschien. Da durch die Anhäufung der Fabrikationsrückstände im Freien, wo sie dem Regen ausgesetzt sind, eine allgemeine Inficirung des dortigen Terrains, aus welchem auch das hiesige Grundwasser seinen Zufluß erhält, zu befürchten stand, so erschien Abhilfe dringend geboten. Schon bei Ertheilung der Concession wurde durch den Vertreter der hiesigen Stadt die Bedingung gestellt, und von Seite der Sodafabrik die Verbindlichkeit eingegangen, daß Stoffe, welche durch Regenwasser löslich sind, im Freien nicht aufbewahrt werden dürfen, um ein Verderben des Grundwassers zu verhüten. Nachdem die Sodafabrik die eingegangene Verbindlichkeit nicht einhält, so wurde beschlossen, mit allem Nachdruck gegen dieselbe aufzutreten. Es wurde deshalb an das K. Bezirksamt Nürnberg der Antrag gestellt, gegen die Sodafabrik strafend einzuschreiten, eine Untersuchung an Ort und Stelle vorzunehmen und nach dem Resultat derselben gegen die Sodafabrik vorzugehen. Die civilrechtlichen Ansprüche des Kühl bleiben selbstverständlich vorbehalten.
  • 1877: Nachdem die Sodafabrik den ihr vom Magistrate gemachten Auflagen nicht nachgekommen war, so wurde in der Magistratssitzung vom 12. Juli beschlossen, die derselben gestattete Erlaubniß, einen Röhrenkanal nebst Pumpwerk an der Pegnitz anzulegen, zu widerrufen und ihr aufgegeben, spätestens bis in acht Tagen die Rohrleitung zu beseitigen. Dieser Auflage kam die Sodafabrik nicht nach, sondern legte ein zweites Gutachten des Professors Dr. Kämmerer in Nürnberg vor, in welchem derselbe konstatirte, daß das Zerfließen der Kalkabfälle und das Einsickern in den Boden nicht mehr stattfinde. Zugleich hat die Sodafabrik das Bezirksamt Nürnberg ersucht, eine Untersuchung durch Sachverständige nochmals vornehmen zu lassen. Ferner hat sich der Direktor der Fabrik beschwerdeführend an die Regierung mit der Erklärung gewandt, daß die verlangte Entfernung der Rohrleitung gleichbedeutend sei mit dem Einstellen des Fabrikbetriebes und der Entlassung von ca. 130 Arbeitern. Der Magistrat beschloß mit Rücksicht auf das vorgelegte neuerliche Gutachten, welches wesentlich von dem früher abgegebenen abweicht, ein weiteres Gutachten von Professor Langhans einzuholen, vorausgesetzt, daß die Sodafabrik die Kosten desselben trägt, von der Ausführung der Beseitigung der Rohrleitung einstweilen bis zum Ergebniß des Gutachtens abzustehen, endlich Beschwerde gegen den Auftrag der K. Regierung, den Magistratsbeschluss zu sistiren, zu erheben.
  • 1878: Das K. Bezirksamt Nürnberg wurde in der Sitzung vom 8. Januar ersucht, die Sodafabrik aufzufordern, eine wasserdichte Grube zur Aufnahme der Kalkabfälle herzustellen und die Flüssigkeit durch den Kanal in den Fluß zu leiten.
  • 1881: Wegen der Auflagerung der Kalkrudimente und Verderbniß des Pegnitzwassers sind wieder ernste Differenzen mit der Sodafabrik entstanden, sodaß der Magistrat am 10. Febr. sich zu folgenden Beschlüssen veranlaßt sah: die Sodafabrik sei aufzufordern, den Kanal zur Pegnitz binnen 14 Tagen zu beseitigen, ferner sei das Kgl. Bezirksamt Nürnberg zu ersuchen, wegen Auflagerung der Kalkrückstände Strafeinschreitung zu veranlassen unter Androhung der Konzessionsentziehung, endlich sei magistratischerseits Strafanzeige zu erstatten wegen Errichtung des Klärbassins ohne gewerbspolizeiliche Genehmigung. [...]. Gegen den vom Magistrate gefaßten Beschluß, daß der Sodafabrik wegen Nichteinhaltung der Concessionsbedingungen aufgegeben wird, die Röhrenleitung aus dem gemeindlichen Boden zu entfernen, war Seitens der Fabrikdirektion Beschwerde erhoben worden. In Verbescheidung derselben spricht die Kgl. Regierung aus, daß sie nicht in der Lage sei, den angefochtenen Beschluß abzuändern oder aufzuheben, da der Magistrat als der gesetzlich bestellte Vertreter der Gemeinde, nicht aber in seiner Eigenschaft als Polizeibehörde Beschluß gefaßt habe. Von diesem Bescheide sei der Sodafabrik Kenntniß zu geben, mit dem Beifügen, daß die Beseitigung der Röhrenleitung binnen Monatsfrist zu bewerkstelligen sei.
  • 1883: Nachdem die Sodafabrik mit ihrer Beschwerde wegen des Magistratsbeschlusses, die Rohrleitung in die Pegnitz zu entfernen, vom Ministerium abgewiesen worden war, übrigens in neuerer Zeit keine Klagen mehr laut wurden, beschloß der Magistrat am 1. Februar folgenden Vergleichsvorschlag zu machen: „Unter der Bedingung, daß die Sodafabrik anerkennt, daß die Bewilligung zur Rohrleitung eine widerrufliche ist und sie auch keinen Anspruch auf die Einräumung eines Nothservituts habe, sie alle bisher erwachsenen Prozeßkosten trägt, zieht der Magistrat seinen Beschluß zurück.“ [...]. In der Magistratssitzung vom 22. März wurde bekanntgegeben, daß der Vertreter der Sodafabrik es abgelehnt hat, auf den Vergleich in der vom Magistrate gewünschten Form einzugehen. Der Prozeß hat deshalb nun seinen weiteren Fortgang zu nehmen.
  • 1884: Vom Oberlandesgerichte wurde das Urtheil in Sachen der Stadtgemeinde Fürth gegen die Nürnberger Sodafabrik verkündet. Es handelte sich um die vom Magistrate verlangte Entfernung der von der Fabrik bis zur Pegnitz führenden Leitungsrohre, soweit eine Strecke auf dem Doos-Dambacher Wege in Frage kommt. Während das Landgericht zu Gunsten der Sodafabrik entschieden hatte, lautet das Urtheil des Oberlandesgerichtes zu Gunsten des Magistrates. [...]. In der Magistratssitzung vom 11. Dez. theilte in Sachen Stadtgemeinde Fürth gegen die Sodafabrik der Seitens der Gemeinde aufgestellte Anwalt Dr. Pemsel mit, daß die von der Sodafabrik eingelegte Revision vom Oberlandesgericht als unbegründet zurückgewiesen worden ist. Somit hat die Stadtgemeinde den langwierigen Prozeß entgiltig gewonnen.

SodaherstellungBearbeiten

Josef Kerschensteiner beschreibt 1874 in seinem Buch "Die Fürther Industrie in ihrem Einflusse auf die Gesundheit der Arbeiter" die Herstellung der Soda in der Fabrik folgendermaßen:

Die Fabrication der Soda geschieht hier nicht mehr nach dem bisher üblichen Leblanc'schen Verfahren, sondern nach der, erst neuerdings auf der Weltausstellung prämiirten Methode, s. g. „Ammoniak-Methode“ von Honigmann in Aachen, durch welche das Glaubersalz zerlegt, d. i. die Schwefelsäure vom Natron getrennt und durch Kohlensäure ersetzt wird, wozu schliesslich das Auslaugen, Krystallisiren und Calciniren der so gewonnenen rohen Soda kommt.[6]

LiteraturBearbeiten

Siehe auchBearbeiten

EinzelnachweiseBearbeiten

  1. Von der Maschinenfabrik Augsburg AG wurden 1873 zwei Dampfmaschinen (6 PS, 25 PS) an die Sodafabrik geliefert, eingetragen ist hier der Vermerk "Fürther Kreuzung 13"; siehe Datensammlung Dampfkraftanlagen GIESELER (Abruf 30.01.2018) - online
  2. 2,0 2,1 Claudia Frosch-Hoffmann: Chemie zwischen Nürnberg und Fürth - Das Leben des Chemikers Dr. Theodor Oppler. Naturhistorische Gesellschaft Nürnberg e. V., Abhandlungen Band 48/2017, S. 76
  3. Franz Kimberger/Rolf Kimberger: Bad Fürth – Wunschtraum und Wirklichkeit. Teil 1, Fürther Geschichtsblätter 1/2003, S. 8, 9
  4. Homepage der GfE
  5. Kiel, Joh. Leonhard laut Adressbuch 1886, S. 199
  6. J. Kerschensteiner: Die Fürther Industrie in ihrem Einfluss auf die Gesundheit der Arbeiter. München 1874, S. 9 - online-Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek

BilderBearbeiten