Pinkasim zu Querelen mit Schneider- und Metzgerzunft
Wichtige Entscheidungen des Gemeindevorstandes wurden schriftlich in Form eines Protokolls[1] in Büchern festgehalten. Darin befinden sich neben Regeln, Erlassen und Statuten auch Anweisungen, die das Alltagsleben organisieren sollten.
Vereinzelt gab es in Fürth Auseinandersetzungen zwischen der jüdischen Gemeinde und christlichen Zünften, etwa wenn sich letztere durch die Konkurrenz jüdischer Händler eingeschränkt sahen. Im Jahr 1753 ließ beispielsweise die Schneiderzunft Waren eines jüdischen Kleiderhändlers beschlagnahmen.
Zwischen 1753 und 1755 lieferten sich die Metzgerzunft und die Gemeindeschächter einen Kampf um die Fleischpreise. In beiden Fällen ersuchte die Gemeinde die Obrigkeit um rechtliche Klärung der Angelegenheit.
Pinkas 6. Mai 1753[2]
Feiber, Sohn des Isserlein Heilbronner, beschwerte sich im Mai 1753, dass die Schneiderzunft ihm seine zum Verkauf bestimmten Kleider abgenommen hat, woraufhin drei Vorsteher nach Cadolzburg reisen, um sich für ihn einzusetzen.
- In der Amtszeit des Monatsvorstehers Zacharias, Sohn des Vorstehers und Führers Herrn Schalom Segal
- Sonntag, den 2. Ijjar 513 [nach der kleinen Zeitrechnung].[3]
- Es erscheint Feiber, Sohn des Herrn Isserl[ein] Heilbronner, und beschwert sich lautstark darüber, dass die Schneiderzunft ihm [seine zum Verkauf bestimmten] Kleider abgenommen und schon dem Oberamt in Cadolzburg übergeben hat. Deswegen wurde beschlossen, dass die Herren Vorsteher und Führer B[enjamin] Berlin, Eisak Pessels und Leib Cohen auf Kosten des Vorstands nach Cadolzburg reisen sollen, um zu sehen, wie sich diese Angelegenheit klären lässt, damit der oben genannte Feiber die Kleider wieder zurückbekommt.
- der geringe Zachari[as], Sohn des verstorbenen und berühmten, gelehrten Herrn Schalom Moses Segal seligen Angedenkens aus Fürth Moses Hezfel
- In der Amtszeit des Monatsvorstehers Zacharias, Sohn des Vorstehers und Führers Herrn Schalom Segal
Pinkas 19. August 1753[4]
Bekanntmachung in der Synagoge, dass die Ware der Metzger wegen verbotener Preisabsprachen boykottiert werden und jeder Haushalt künftig nur die Hälfte seines Wochenbedarfs kaufen soll
- Bekanntmachung in Sachen Fleisch, vorgetragen in der Synagoge am Sonntag, dem 19. Menachem 513 [nach der kleinen Zeitrechnung][5]
- Hört zu, [Mitglieder] der heiligen Gemeinde!
- Im Namen der vornehmen Vorsteher und Führer wurde befohlen, [Folgendes] bekanntzumachen:
- Man hat in Erfahrung gebracht, dass die [christlichen] Metzger eine Verabredung getroffen haben über die Menge [Vieh], die jeder von ihnen wöchentlich [gemäß dem jüdischen Gesetz] schächten darf und was jeder darüber hinaus [zum Verkauf] benötigt, soll er [auf nichtrituelle Weise] schlachten müssen.
- Auch zum Schaffleisch haben sie erstmals eine Absprache zur Verteuerung getroffen, um sowohl für das gute als auch das minderwertige Fleisch einen höheren Preis zu erzielen. Dabei ist bekannt, dass das Fleisch für 5 Kreuzer[6] verkauft wird, obwohl es nicht mal 14 Speziespfennige wert ist – noch dazu in Zeiten, wo das Vieh ohne Wert ist. Darüber hinaus gibt es als Gegenmaßnahme der Obrigkeit, ihre Pracht sei erhaben, [ein Dekret], dem zufolge das Vorhaben der Metzger von der Obrigkeit ausdrücklich verboten ist.
- Daher wurde durch den Vorstand, Gott schütze und erhalte ihn, beschlossen, die Öffentlichkeit aufzurufen, dass niemand mehr so viel Fleisch wie bisher kaufen darf, also so viel, wie er bisher pro Woche verbraucht hat. Von heute an soll jeder nur noch etwa die Hälfte davon kaufen. Wenn also ein Haushalt bislang eine viertel Seite genommen hat, so darf er jetzt nur noch ein Achtel nehmen. Schaffleisch hingegen darf überhaupt nicht mehr gekauft werden, auch Kopf und Lunge [nicht], es sei denn für einen Kranken, Gott behüte!, oder für ein [religiös] gebotenes Festmahl.
- Jeder, der den Befehl des Vorstands übertritt, ist wie jemand, der [die rabbinischen Gesetze] zu Erlaubtem und, mehr noch, Verbotenem [missachtet]. deshalb [muss] sich jeder Hausherr [an den Befehl] halten. Diese Angelegenheit sei [euch] ans Herz gelegt wie das [in der Schrift] gesagte: Und du sollst deinen Gott fürchten.
- Dieser [Befehl] soll so lange gelten, bis der Vorstand [den Kauf] entweder wieder erlaubt oder das Verbot noch weiter [ausdehnt]. Während ### ### wird man von Seiten des Vorstands, Gott schütze und erhalte ihn, das Nötige anweisen, [nämlich] wie zu agieren und vorher zu wägen ist. Über jeden, der sich danach richtet, komme Segen und Glück,[7] Amen.
Pinkas 9. September 1753[8]
Beschluss, zwei Vorsteher nach Ansbach zu senden, um dort ein Memorandum gegen die Absprachen der Metzger zu übergeben.
- In der Amtszeit des Monatsvorstehers Herrn Seligmann Crails[heim]. Sonntag, der 10. Elul 513 [nach der kleinen Zeitrechnung].[9]
- Bei der Versammlung des Vorstands und der Steuererheber wurde für gut befunden, dass zwei [Mitglieder] des Vorstands nach Ansbach [reisen] sollen, um dort ein Memorandum zu den [christlichen] Metzgern zu übergeben. Sie sollen sich bemühen, gnädige [Unterstützung] dafür zu erhalten, dass die Metzger keine Absprachen treffen dürfen. Als Deputierte nach Ansbach wurden die Herren Vorsteher und Führer Benjamin Berlin und Eisak Pessels bestimmt.
- …
- Seligmann Crail[s]h[eim]
- Benjamin Berlin
- In der Amtszeit des Monatsvorstehers Herrn Seligmann Crails[heim]. Sonntag, der 10. Elul 513 [nach der kleinen Zeitrechnung].[9]
Pinkas 8. Mai 1755[10]
Drei Deputierte sollen vom Geleitskommissar eine Anordnung zum Ende des Schächtens durch christliche Metzger erreichen.
- In der Sache der Metzger wurde beschlossen, dass die drei Deputierten Herr B[enjamin] Berlin, Herr E[isak] Pessels und der Monatsvorsteher zum Herrn Geleitskommissar gehen und diesem anzeigen sollen, dass der Vorstand die Schächter angewiesen hat, bei den Metzgern, die auch [nichtkoscher] schlachten.[11] nichts [mehr] zu schächten. [Der Geleitskommissar möge] das Exekutions[schreiben] vornehmen.
- …
- der geringe Zachari[as] Klev
- Benjamin Berlin
- In der Sache der Metzger wurde beschlossen, dass die drei Deputierten Herr B[enjamin] Berlin, Herr E[isak] Pessels und der Monatsvorsteher zum Herrn Geleitskommissar gehen und diesem anzeigen sollen, dass der Vorstand die Schächter angewiesen hat, bei den Metzgern, die auch [nichtkoscher] schlachten.[11] nichts [mehr] zu schächten. [Der Geleitskommissar möge] das Exekutions[schreiben] vornehmen.
Pinkas 11. Mai 1755[12]
Die Strafe zweier Metzger, die mehr geschächtet haben als laut Dekret erlaubt war, wird unter der Bedingung aufgehoben, dass sie in Zukunft weder Preisabsprachen treffen noch koscher schlachten.
- In der Amtszeit des Herrn Monatsvorstehers Benjamin Berlin. Sonntag,
am Monatsbeginn des Siwan 515 [nach der kleinen Zeitrechnung].[13]
- Am vergangenen Freitag hat man zwei Metzgern aus dem Markgräfischen das Schächten verboten, weil sie den Befehl unseres Herrn, des Herzogs, seine Pracht sei erhaben, wegen der Knappheit [koscheren] Fleisches missachtet hatten. Aus diesem Grund hatten sie am späten Donnerstag noch vier Tiere geschächtet.
- Mit dem heutigen Tag wird die Strafe wieder aufgehoben, [und zwar] unter der Bedingung, dass sie keine erneuten Absprachen treffen oder [koscher] schlachten, sei es [im Herrschaftsgebiet] unseres Herrn, des Herzogs, seine Pracht sei erhaben, oder in dem unseres Herrn Dompropsts, seine Pracht sei erhaben. [Wenn sie diese Bedingung ignorieren] wird das Verbot wieder erneuert.
- Dies wurde den Schächtern sogleich mitgeteilt. Sollten sie Metzger treffen, welcher der beiden Zünfte[14] sie auch immer angehören, die [den Befehl] übertreten, so sollen sie bei diesen nicht mehr schächten.
- …
- Benjamin Berlin
- der geringe Zachari[as], Sohn des verstorbenen, berühmten Herrn Schalo[m] Moses Segal seligen Angedenkens aus Fürth
- Am vergangenen Freitag hat man zwei Metzgern aus dem Markgräfischen das Schächten verboten, weil sie den Befehl unseres Herrn, des Herzogs, seine Pracht sei erhaben, wegen der Knappheit [koscheren] Fleisches missachtet hatten. Aus diesem Grund hatten sie am späten Donnerstag noch vier Tiere geschächtet.
Einzelnachweise
- ↑ Pinkas = פנקס, pl. Pinkasim = פנקסים)
- ↑ Zitiert nach: Stefan Litt (Hg.): „Jüdische Fürsprache - Quellen aus Gemeindeprotokollbüchern (pinkasim) des aschkenasischen Kulturraums 1586-1808“ in: „Archiv Jüdischer Geschichte und Kultur“, Band 5, 2021, S. 274 f
- ↑ entspricht: 6. Mai 1753
- ↑ Zitiert nach: Stefan Litt (Hg.): „Jüdische Fürsprache - Quellen aus Gemeindeprotokollbüchern (pinkasim) des aschkenasischen Kulturraums 1586-1808“ in: „Archiv Jüdischer Geschichte und Kultur“, Band 5, 2021, S. 277 ff
- ↑ entspricht 19. August 1753
- ↑ 5 Kreuzer entspricht etwa 25 Pfennige
- ↑ Bibel: Spr. 24,25
- ↑ Zitiert nach: Stefan Litt (Hg.): „Jüdische Fürsprache - Quellen aus Gemeindeprotokollbüchern (pinkasim) des aschkenasischen Kulturraums 1586-1808“ in: „Archiv Jüdischer Geschichte und Kultur“, Band 5, 2021, S. 279 f
- ↑ entspricht: 9. September 1753
- ↑ Zitiert nach: Stefan Litt (Hg.): „Jüdische Fürsprache - Quellen aus Gemeindeprotokollbüchern (pinkasim) des aschkenasischen Kulturraums 1586-1808“ in: „Archiv Jüdischer Geschichte und Kultur“, Band 5, 2021, S. 284
- ↑ damit sind generell christliche Metzger gemeint
- ↑ Zitiert nach: Stefan Litt (Hg.): „Jüdische Fürsprache - Quellen aus Gemeindeprotokollbüchern (pinkasim) des aschkenasischen Kulturraums 1586-1808“ in: „Archiv Jüdischer Geschichte und Kultur“, Band 5, 2021, S. 285 f
- ↑ entspricht: 11. Mai 1755
- ↑ Die dompröpstlich-bambergische und die markgräflich-ansbachische Metzgerzunft