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[[Datei:Ausstellung Süddeutsche Lebensmittelwerke.JPG|mini|left|Stand der Süddeutschen Lebensmittelwerke bei einer Leistungsschau während der [[Fürther Kirchweih]] 1935]]
 
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[[Datei:August Bauernfreund AG 1929.jpg|mini|rechts|Logo: August Bauernfreund AG Ende der 1920er Jahre]]
 
[[Datei:August Bauernfreund AG 1929.jpg|mini|rechts|Logo: August Bauernfreund AG Ende der 1920er Jahre]]
[[August Bauernfreund]] kam ursprünglich aus Nürnberg, verlagerte den Standort seines Unternehmens jedoch [[1917]] nach Fürth. Er übernahm die Gebäude des insolvent gewordenen Maschinenfabrikanten [[J. W. Engelhardt & Co.]] in der Karolinenstraße 106 - 108, nachdem dort eine militärische Zwischennutzung (sog. [[Engelhardtskaserne]]) aufgegeben wurde. Dort baute Bauernfreund seine Geschäfte auf ca. 3 ha aus, unter anderem mit dem bayerischen Staat. So konnte er wöchentlich bis zu 500 Schweine und ca. 40 bis 70 Stück Großvieh schlachten und weiterverarbeiten. Zunächst belieferte er während des [[1. Weltkrieg]]es das bayerische Heer, anschließend baute Bauernfreund seine Geschäftsbeziehungen mit der Landesregierung aus. Gleichzeitig belieferte er während des 1. Weltkrieges die sog. Kriegerfamilien vor Ort mit Suppen, Knochen, Kesselsuppe und billiges Fleisch zur Sicherung des Lebensunterhalts. Auch spendete er Lebensmittel an das Lazarett des Roten Kreuzes und verteilte im Winter 1924 vor dem Rathaus täglich ca. 3 hl Suppe kostenlos an die Bevölkerung.  
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[[August Bauernfreund]] kam ursprünglich aus Nürnberg, verlagerte den Standort seines Unternehmens jedoch [[1917]] nach Fürth. Er übernahm die Gebäude des insolvent gewordenen Maschinenfabrikanten [[J. W. Engelhardt & Co.]] in der Karolinenstraße 106 - 108, nachdem dort eine militärische Zwischennutzung (sog. [[Engelhardtskaserne]]) aufgegeben wurde. Dort baute Bauernfreund seine Geschäfte auf ca. 3 ha aus, unter anderem mit dem bayerischen Staat. So konnte er wöchentlich bis zu 500 Schweine und ca. 40 bis 70 Stück Großvieh schlachten und weiterverarbeiten. Zunächst belieferte er während des [[1. Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]] das bayerische Heer, anschließend baute Bauernfreund seine Geschäftsbeziehungen mit der Landesregierung aus. Gleichzeitig belieferte er während des Krieges die sog. Kriegerfamilien vor Ort mit Suppen, Knochen, Kesselsuppe und billiges Fleisch zur Sicherung des Lebensunterhalts. Auch spendete er Lebensmittel an das Lazarett des Roten Kreuzes und verteilte im Winter 1924 vor dem Rathaus täglich ca. 3 hl Suppe kostenlos an die Bevölkerung. <ref>Hermann Stoller: Anton Fehr - Lindenberger Politiker der Weimarer Republik, Geschichts- und Museumsverein Lindenberg e. V., Homepage, online abgerufen am 9. Juni 2020, 23:51 Uhr, PDF-Skript, S. 19 ff.</ref>
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Auch war kurzzeitig [[1923]] der künftige bayerische Landwirtschaftsminister [[wikipedia:Anton Fehr|Anton Fehr]] und ehemalige [[wikipedia:Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft|Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft]] Mitglied im Aufsichtsrat der Bauernfreund A. G. Diese Verbindung sollte indirekt den Geschäften Bauernfreunds dienen, allerdings nutzte dies später auch der Nationalsozialist Julius Streicher für seine politische Hetze gegen den "Volksschädling Bauernfreund" bzw. "Wurstjud Bauernfreund". Hintergrund der späteren Auseinandersetzungen war, dass durch die Reichsregierung [[1925]] gewisse Kontingente von Gefrierfleisch zollfrei gestellt wurden, um mäßigend auf den Fleischpreis einzuwirken. Dies bewirkte aber eine Stärkung der ausländischen Importe, während die inländischen Anbieter von der Zollfreiheit zunächst nicht profitierten und somit wirtschaftlich einen Nachteil hatten. Auf mehrfache Intervention, vor allem durch das bayerische Landwirtschaftsministerium bei den Berliner Ministerien, konnte [[1927]] ein Ausgleich für die Fleischhersteller erzielt werden.<ref>Hermann Stoller: Anton Fehr - Lindenberger Politiker der Weimarer Republik, Geschichts- und Museumsverein Lindenberg e. V., Homepage, online abgerufen am 9. Juni 2020, 23:51 Uhr, PDF-Skript, S. 19 ff.</ref>  
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Am [[9. November]] [[1918]] wurde in Folge der allgemeinen Unruhen nach Ende des Ersten Weltkrieges die Fabrik von Mitgliedern des kurz zuvor gegründeten Arbeiter- und Soldatenrates besetzt und die dort lagernden Lebensmittel zur Linderung der vorherrschenden Lebensmittelnot an die Bevölkerung verteilt.<ref>Konrad Grünbaum: "Das „Rote“ Fürth von 1918-1922. In: [[Fürther Heimatblätter]], 1977 / Nr. 6, S. 154</ref>
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[[1923]] war der künftige bayerische Landwirtschaftsminister [[wikipedia:Anton Fehr|Anton Fehr]] und ehemalige [[wikipedia:Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft|Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft]] kurzzeitig Mitglied im Aufsichtsrat der Bauernfreund A. G. Diese Verbindung sollte indirekt den Geschäften Bauernfreunds dienen, allerdings nutzte dies später auch der Nationalsozialist Julius Streicher für seine politische Hetze gegen den "Volksschädling Bauernfreund" bzw. "Wurstjud Bauernfreund". Hintergrund der späteren Auseinandersetzungen war, dass durch die Reichsregierung [[1925]] gewisse Kontingente von Gefrierfleisch zollfrei gestellt wurden, um mäßigend auf den Fleischpreis einzuwirken. Dies bewirkte aber eine Stärkung der ausländischen Importe, während die inländischen Anbieter von der Zollfreiheit zunächst nicht profitierten und somit wirtschaftlich einen Nachteil hatten. Auf mehrfache Intervention, vor allem durch das bayerische Landwirtschaftsministerium bei den Berliner Ministerien, konnte [[1927]] ein Ausgleich für die Fleischhersteller erzielt werden.<ref>Hermann Stoller: Anton Fehr - Lindenberger Politiker der Weimarer Republik, Geschichts- und Museumsverein Lindenberg e. V., Homepage, online abgerufen am 9. Juni 2020, 23:51 Uhr, PDF-Skript, S. 19 ff.</ref>  
    
[[1933]] verließ Bauernfreund mit seiner Familie Fürth zunächst in Richtung Frankreich, ehe ihm und der Familie die Ausreise in die USA gelang.<ref>Werner Röder (Hrsg.): Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933 - 1945, Institut für Zeitgeschichte - Research for Jewish Imigration, New York/US, Bauer - ursprünglich Bauernfreund, S. 37 ff.</ref> Sein Betrieb war jedoch weiterhin Zielscheibe der politischen Hetze durch die Nationalsozialisten. Mit Reichsfluchtsteuer versehen und einer frühen Arisierung wurde das Unternehmen bereits 1934 in „arische Hände“ gegeben und bestand bis Kriegsende weiter, zum Teil unter Zuhilfenahme von Zwangsarbeitern. Am 21. Februar 1945 wurden die Produktionsgebäude in der Karolinenstraße durch einen [[Luftangriff vom 21. Februar 1945|Luftangriff der Alliierten]] massiv beschädigt. Dabei kamen insgesamt 54 Beschäftigte (regulär Angestellte, Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene) der Firma ums Leben, insbesondere durch einen Bombenvolltreffer des Schutzraums.<ref>Auswertung der Beurkundungen des Standesamtes durch Peter Frank (Fürth), 2015</ref> Kurz vor Kriegsende wurde das gut gefüllte Lager der Firma für die Bevölkerung geöffnet bzw. geplündert, was mit chaotischen Szenen und Verletzten einher ging.<ref>* ''[[Wilhelm Peetz]] - Ein Südstädter Urgestein erinnert sich''. In: Auf in den Süden! Geschichte der Fürther Südstadt, S. 35</ref> Nach Kriegsende wurde der Betrieb wieder aufgenommen. Bauernfreund versuchte ab 1946 aus dem Ausland im Rahmen eines Restitutionsverfahrens wieder an sein beschlagnahmtes Vermögen heranzukommen. Sein ehemaliger Schulfreund, der spätere Bundeskanzler [[Ludwig Erhard]], half Bauernfreund dabei. [[1951]] ging das Unternehmen in Konkurs, ab [[1954]] firmierte unter dieser Adresse die [[Fränkische Pelzindustrie Märkle & Co.]]
 
[[1933]] verließ Bauernfreund mit seiner Familie Fürth zunächst in Richtung Frankreich, ehe ihm und der Familie die Ausreise in die USA gelang.<ref>Werner Röder (Hrsg.): Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933 - 1945, Institut für Zeitgeschichte - Research for Jewish Imigration, New York/US, Bauer - ursprünglich Bauernfreund, S. 37 ff.</ref> Sein Betrieb war jedoch weiterhin Zielscheibe der politischen Hetze durch die Nationalsozialisten. Mit Reichsfluchtsteuer versehen und einer frühen Arisierung wurde das Unternehmen bereits 1934 in „arische Hände“ gegeben und bestand bis Kriegsende weiter, zum Teil unter Zuhilfenahme von Zwangsarbeitern. Am 21. Februar 1945 wurden die Produktionsgebäude in der Karolinenstraße durch einen [[Luftangriff vom 21. Februar 1945|Luftangriff der Alliierten]] massiv beschädigt. Dabei kamen insgesamt 54 Beschäftigte (regulär Angestellte, Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene) der Firma ums Leben, insbesondere durch einen Bombenvolltreffer des Schutzraums.<ref>Auswertung der Beurkundungen des Standesamtes durch Peter Frank (Fürth), 2015</ref> Kurz vor Kriegsende wurde das gut gefüllte Lager der Firma für die Bevölkerung geöffnet bzw. geplündert, was mit chaotischen Szenen und Verletzten einher ging.<ref>* ''[[Wilhelm Peetz]] - Ein Südstädter Urgestein erinnert sich''. In: Auf in den Süden! Geschichte der Fürther Südstadt, S. 35</ref> Nach Kriegsende wurde der Betrieb wieder aufgenommen. Bauernfreund versuchte ab 1946 aus dem Ausland im Rahmen eines Restitutionsverfahrens wieder an sein beschlagnahmtes Vermögen heranzukommen. Sein ehemaliger Schulfreund, der spätere Bundeskanzler [[Ludwig Erhard]], half Bauernfreund dabei. [[1951]] ging das Unternehmen in Konkurs, ab [[1954]] firmierte unter dieser Adresse die [[Fränkische Pelzindustrie Märkle & Co.]]
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Zur unmittelbaren Nachkriegszeit:
 
Zur unmittelbaren Nachkriegszeit:
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''Nach dem Krieg gab es mal eine Phase, wo wir kaum noch etwas zu essen hatten. Meine Eltern sind dann zu der Fabrik in der Karolinenstraße gegangen und haben dort um Lebensmittel gebettelt. Wie sie darauf gekommen sind, kann ich nicht sagen. Von einem Militärangehörigen, offensichtlich ein Amerikaner, wurden dann Rinderknochen durchs Fenster auf die Straße gereicht, die konnte man Auskochen. Ich kann mich noch gut an das permanente Muhen der Rinder erinnern, die dort in einem großen Holzverschlag gehalten wurden. Das ging jeden Tag schon frühmorgens los, als es noch dunkel war und störte uns beim Schlafen, obwohl wir auf der anderen Seite der Bahnlinie in der [[Hornschuchpromenade]] gewohnt haben. Und auch wenn wir als Kinder nicht wussten was dort vor sich ging, taten uns die Tiere leid, weil die so laut und erbärmlich geschrien haben. Das ging jahrelang so.''<ref>Zeitzeugenbericht, [[FürthWiki:Über FürthWiki#Archiv FürthWiki|Archiv FürthWiki]], Aktennr. '40'</ref>
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''Nach dem Krieg gab es mal eine Phase, wo wir kaum noch etwas zu essen hatten. Meine Eltern sind dann zu der Fabrik in der Karolinenstraße gegangen und haben dort um Lebensmittel gebettelt. Wie sie darauf gekommen sind, kann ich nicht sagen. Von einem Militärangehörigen, offensichtlich ein Amerikaner, wurden dann Rinderknochen durchs Fenster auf die Straße gereicht, die konnte man auskochen. Ich kann mich noch gut an das permanente Muhen der Rinder erinnern, die dort in einem großen Holzverschlag gehalten wurden. Das ging jeden Tag schon frühmorgens los, als es noch dunkel war und störte uns beim Schlafen, obwohl wir auf der anderen Seite der Bahnlinie in der [[Hornschuchpromenade]] gewohnt haben. Und auch wenn wir als Kinder nicht wussten was dort vor sich ging, taten uns die Tiere leid, weil die so laut und erbärmlich geschrien haben. Das ging jahrelang so.''<ref>Zeitzeugenbericht, [[FürthWiki:Über FürthWiki#Archiv FürthWiki|Archiv FürthWiki]], Aktennr. '40'</ref>
    
== Literatur ==
 
== Literatur ==
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