Seite:Altstadtblaeddla 001 1976 05.pdf/5

Diese Seite wurde noch nicht korrekturgelesen.

Ernst-Ludwig Vogel DENKMALS CHUT Z UND STADTSANIERUNG Denkmalpflege und Denkmalerhaltung sind in der Gegenwart fast überall zu einer aktuellen und ernstzunehmenden Aufgabe geworden. War früher die Konservierung einzelner bedeutender Monumente vor­ rangig, so geht es heute um die Bewahrung historisch gewachsener Zusammenhänge, um Ortskerne und Stadtquartiere als wich­ tige Voraussetzungen für ein menschen­ würdiges nicht nur sachlogisch orientiertes Leben.'War vordem insbesondere der natürliche Verfall zu bekämpfen, so sind heute unsere Altstädte vor allem vor der umfangreichen Zerstörung durch Neubauten und infrastrukturelle Veränderungen zu schützen? Und war in der Vergangenheit Denkmalpflege eine Angelegenheit einiger weniger besonders Interessierter oder Experten, so wirken derzeit große Teile der Bevölkerung an der Lösung der für unser aller Leben so bedeutsamen Pro­ bleme in Form von Bürgerinitiativen effek­ tiv mit. Über das kunsthistorisch und kultur­ geschichtlich wertvolle Einzel (bau) werk, hinaus verstehen wir heute als Denkmäler vor allem ganze Stadtbereiche, also En­ sembles wie Wohnquartiere, Straßen­ züge und Plätze oder Gebäudegruppen. Sehr alte Bauwerke aus früher Vergangen­ heit zählen hierunter ebensowie Zeugnisse aus der frühindustriellen Zeit des 19. Jahr­ hunderts, z.B. Fabrik- und Zechenanlagen oder die ersten Bahnhöfe. Denkmäler sind deshalb mehr als bloß museale Relikte ver­ gangener Epochen, sie sind Zeugen einer lebendigen Historie, die heute und auch noch morgen funktionalen, sozialen und ästhetischen Stellenwert besitzt.

Zukunftsorientierter, nicht nur renovie­ rungskosmetisch ausgerichteter Denkmal­ schutz wird somit ein wesentlicher Teil des Umweltschutzes und damit des Schutzes unserer gesamten Lebensqualität. In diesem Zusammenhang ist also auch

das Wohnen in einer humanen, weil bewußt gestalteten Umwelt notwendig, die es den Menschen ermöglicht, nach ihren sozialen

und kommunikativen Bedürfnissen zu leben. So bedeutet Denkmalschutz - ver­ knüpft mit jeder Art von Attraktionsund Freizeitwertsteigerung - Erhaltung, Wiederbelebung und Sanierung (im wahr­ sten Sinn des Wortes: Gesundung) ganzer Stadtviertel, die uns freilich oft als be­ lastendes Erbe der Vergangenheit geblie­ ben sind, wie es etwa im Fürther St.-Michaels-Viertel mit dem angrenzen­ den Gänsbergbereich deutlich abzulesen ist. Der weit verbreitete, oft blinde Fort­ schrittsglaube gestattet einer rigorosen Technokratie in Verbindung mit egoisti­ schen kapitalwirtschaftlichen Interessen, lückenhaften Gesetzen und unter Verken­ nung der nötigen Prioritäten bei mangeln­ dem Bewußtsein sowohl Verslumung und Zweckentfremdung einst intakter Wohn­ viertel als auch Kahlschlag, Stadtwüsten und damit verbundene Entsiedelung also. Für den umfassenden und weit inter­ pretierten Denkmalschutz bedeutet dies ein permanentes Ringen um die Einsicht von Kommunalpolitikern und Städte­ planern, von Grund- und Hausbesitzern ebenso wie von den persönlich betroffe­ nen, meist unterprivilegierten Altstadt­ anwohnern selbst. Erst dann, wenn Partikularinteressen hinter dem Gesamt-

5