LIEBE MITBÜRGERINNEN UND MITBÜRGER, LIEBE FREUNDE DER FÜRTHER ALTSTADT! Wer in den letzten Monaten aufmerksam über den Waag platz gegangen ist, w ird festgestellt haben, daß Tür und Schaufenster der Geschäftsstelle der Bürgervereinigung mittlerweile recht ansehnlich geworden sind. Aktuelle The men (derzeit noch das „M odell Verkehrsberuhigte Zone Gustavstraße") sollen dort in informativer und gefälliger Form jeweils für längere Zeit allen interessierten Zeitge nossen nahegebracht werden, Im Inneren der Geschäfts stelle sieht es freilich immer noch nicht so ordentlich aus, daß man sie schon „o ffiz ie ll einweihen" oder gar zu be stimmten Sprechstunden besetzen könnte. Arbeiten kann man freilich darin.
Sollte die Tatsache, daß es sich lediglich um die Rückfront eines Hauses handelt — die freilich das Erscheinungsbild des Waagplatzes entscheidend mitbestimmt —.d ie zustän dige Behörde (Jury?) daran gehindert haben, auch nur „einen Fingerbreit von St. Bürokratius' Wegen abzuwei chen"? Eine spezifische Würdigung dieser Baumaßnahme hätte die besonderen Bemühungen der Bürgervereinigung um den Waagplatz in die Bewertungskriterien miteinbe ziehen müssen. Im übrigen hätte es der Stadt Fürth recht gut angestanden, die Bürger Vereinigung Altstadtviertel St. Michael anläßlich der Fassadenprämiierung für ihre vielfältigen Bemühungen um die Wiederbelebung der gesamten historischen Altstadt exemplarisch und symbolisch „per nobler Geste" zu hono rieren. Jedoch hatte man wohl auch hier zu viel von ihr er wartet — wie schon so o ft (wie o ft denn noch?). Anderer seits sind klare Feindbilder ohne allzu aufgeweichte Fron ten auch 'was Schönes — ein edler Trost in grauen Fürther Tagen! Ganz anders sehen das die Bürger dieser Stadt - auch außer halb des St. Michaels-Viertels. Als Beispiel für viele ver gleichbare Bitten an die Bürger Vereinigung mag folgender Brief gelten: „... der freie Platz neben dem Haus Tannenstraße 1, so fu h r ich, soll 1980 m it Eigentumswohnungen bebaut w e " den. Er wechselte in den vergangenen Jahren mehrmals den Besitzer (Stadt Fürth — Firma Grundig — wiederum Stadt Fürth, je tz t eine Baugesellschaft}. Ich b itte Sie, sich dafür (vorsorglich} einzusetzen, daß eine bis zu r Sigmund-NathanStraße reichende Häuserzeile m it gepflegten Sandstein fassaden aus der Z e it vor dem 1. Weltkrieg n ich t etwa durch einen fantasielosen Bauklotz verunstaltet wird. E in Sichtbetonmonstrum am Ende dieser Straße sprich „Gesamtschule" (neuer Teil} — ist mehr a/s genug fü r ein Stadtviertel, dessen alte Häuser den Krieg nahezu unbeschadet überstanden haben. M it freundlichen Grüßen, Annemarie Rosenauer" (Anschrift ist der Bürgervereinigung bekannt)
Die Geschäftsstelle der Bürger Vereinigung am Waagplatz Ein weiterer attraktiver Blickpunkt im unmittelbaren Um feld des Waagplatzes ist mittlerweile gut angekommen: die bereits im vergangenen „Altstadt-Bläddla" angekün digte Privatinitiative „Spiel + Kunst im Pavillon" hat sich inzwischen zu einem echten Altstadt-Treff entwickelt. Den drei Frauen, die sich so intensiv um dieses Wieder belebungsprojekt bemühen, gebührt die volle Anerkennung aller Altstadtfreunde. Die Bürgervereinigung hatte ihr vorletztes Renovierungs projekt, die Fassadenfreilegung am Waagplatz (Rückseite des Hauses Königstraße 65), zum städtischen Wettbewerb „Fassadenprämiierung 1979" angemeldet, in der H o ff nung, auch einmal „offizielle Anerkennung" zu finden. In einem schablonenhaften Schreiben des für den Wettbewerb zuständigen Stadtarchivars wurde formell mitgeteilt, daß „nach den geltenden Richtlinien nicht alle Voraussetzungen für eine beispielhafte Restaurierung erfüllt sind", und so „eine Prämiierung ... leider nicht erfolgen" konnte. Eine genauere, sachliche Erläuterung, nach welchen Richtlinien diese Auswahl und Beurteilung geschah, war nicht dabei.
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Wie viele andere Schreiben bzw. Anrufe bei der Bürger vereinigung zeigt auch dieses die allgemeine Unzufrieden heit des Bürgers m it den Maßnahmen oder Nicht-Maßnah men seiner Verwaltung bzw. seiner gewählten Vertreter im Stadtparlament. Weil er dieses D efizit erkennt, wendet er sich folgerichtig an Bürgerinitiativen, die ihm als A n s p re c ^ partner geeignet erscheinen (siehe hierzu auch A r t i l n i „A k tio n Verkehrsberuhigte Zone Gustavstraße" in dieser Ausgabel). Mag man im vorliegenden Fall auch anderer Meinung über das Schulgebäude sein und es durchaus als gelungene A r chitektur betrachten — so ändert dies nichts am grundsätz lichen Dilemma, in dem sich der Bürger sieht: die viel und gern zitierte „Bürgernähe" stellt sich allzu o ft als bloßer Verbalismus dar und erweist sich tro tz mancher „Annähe rungsversuche" immer noch zu sehr als „Verwaltungs ferne". Trotz einiger ökologischer Bedenken entschloß sich die Bür gervereinigung, einen Christbaum am Waagplatz aufzu stellen. Die Stadt Fürth zog dankenswerterweise m it, und so steht nun ein recht stattliches Exemplar m itten in der Fürther Altstadt. Dekoriert wurde der Baum von der Bür gervereinigung in ihren Farben; ebenso sorgte sie für eine angemessene „Belichtung". Das neue Jahr steht bevor, aber auch ein neues Jahrzehnt. Eigentlich Anlaß für Rückblick und Zukunftsperspektive. Statt einer pseudobesinnlichen Betrachtung über das, was man im Vergangenen geleistet oder auch sich geleistet hat,