Kneipenstopp - noch aktuell? Ergebnis einer Umfrage und Wirklichkeit.
Schlagwörter bergen eine große Gefahr in sich: sie sind »griffig«, entwickeln daher aber auch schnell ein Eigen leben. so daß man sie immer auf das eigentlich gewollte hin abklopfen muß. Nicht anders geht es der vielberedeten und bisher ach so erfolglosen »Aktion Kneipenstop« in unserem Altstadtviertel. Wir mußten uns deshalb fragen, ob wir denn mit diesem Anliegen vor der Mehrheit unserer Mitglieder getragen werden oder ob nicht etwa die Vor standschaft einer Fiktion hinterherläuft.
Hier gleich das Ergebnis: Die überwiegende Mehrheit der Mitglieder sprach sich bei einer schriftlichen Befragung für die Fortsetzung der Aktion aus. Eine Überraschung war für uns vor allem auch die große Zahl der Rückmeldungen; ein herzliches Dankeschön unseren Mitgliedern dafür!
Trotz dieser positiven Reaktion müssen wir immer wieder in der Öffentlichkeit unser Anliegen interpretieren und verteidigen. Denn allzu oft begegnet man dem Einwand: »Was wollt ihr denn, die Kneipen sind doch prima, ori ginell, belebend»! Belebend, gewiß! Und die Wiederbe lebung der Altstadt bleibt auch weiterhin das Generalziel der Bürgervereinigung. Zu einer lebendigen Altstadt ge hören selbstverständlich auch gastronomische Betriebe aller Schattierungen. Und so gesehen haben wir ja auch nichts gegen Kneipen, um diesen flapsigen Ausdruck weiter zu verwenden; wir mögen sie sogar recht gerne! Zu einer lebendigen Altstadt gehören aber auch Geschäfte und Dienstleistungsbetriebe, vor allem aber Menschen, welche ein solches Viertel nicht nur als Freizeitmuseum oder Amüsierviertel, sondern auch als Wohnquartier an nehme können. Nicht, daß eines das andere ausschlösse! Und wer in der Altstadt wohnen will, muß auch eine größere Zahl von Gaststädten in Kauf nehmen als etwa in einer Stadtrandsiedlung und dazu wirderauch bereit sein. Allerdings ist in Fürth schon lange die Marke errreicht, bei der das berühmte Faß überzu laufen beginnt. Jede weitere Kneipe, vor allem wenn sie ein junges Publikum anspricht, bedeutet ein weiteres Ansteigen des Störpegels: Verkehr, zugeparkte Gehsteige, Lärm aus offenen Fenstern, Türen schlagen und »fröhliche« Heimkehrer: Für Anwohnereine ständige Quelle gerechten Ärgers. Der Ruf nach der Polizei erschallt zwar nicht völlig ungehört, aber auch diese Institution scheint überfordert.
Bebauungsplan 001 - Bestandsschutz als Lösung!? Kurz vor Redaktionschluß dieses Altstadtbläddlas wurde der Entwurf des Bebauungsplanes 001 der Öffentlichkeit vorgestellt. Nun endlich liegt er vor, der Bebauungsplan 001, der die Verknei pungstendenz im Altstadtviertel St. Michael lösen oder zumindest lindern soll. Zwar vorerst nur im Entwurf, aber der recht mühselige Weg bis zur Verabschiedung im Stadtrat und zur Rechtsverbindlichkeit hat soeben be gonnen. Im Verfahren der vorgezogenen Bürge rbeteiligung nach § 2a des Bundesbaugesetzes, das seit dem 29.8.1983 läuft, hat nun zuerst jeder Bürger das Recht, Anregungen und Kritik vorzu bringen.
Bis es aber soweit kam, mußte sich die Bürgervereinigung als Hauptverfechter eines Kneipenstopps viele Anfein dungen gefallen lassen - und wird dieses wahrscheinlich auch noch in Zukunft müssen. Denn die Befürworter eines Kneipenviertels sehen meistens nur ihr eigenes abend liches Vergnügen, ohne auf die Anwohner Rücksicht zu nehmen. Der neue Bebauungsplan wird daran auch nicht viel ändern, wenngleich er eine weitere Steigerung der Lärmbelästigung verhindern hilft. Daher heißt es auch so sinnig in den Planungsunterlagen: »Die Reaktion aus der dort (gemeint ist das St. Michaelsviertel) ansässigen Bevölkerung zeigen, daß der durch die Besucher der Lokale verursachte Lärm von Bewohnern als Störung empfunden wird«. Der Bebauungsplan 001 soll als nichtqualifizierter Bebau ungsplan gemäß § 30 BBauG erlassen werden, d.h. er umfaßt als einzigen Inhalt die Festlegung der Anzahl an zulässigen »Schank- und Speisewirtschaften«. Das ganze Planungsgebiet (Königstraße - Helm platz - Mühlstraße Henri-Dunant-Straße - Pegnitzstraße - Regnitzufer) wird als Misch gebiet ausgewiesen. Nach der Baunutzungsver ordnung soll in Mischgebieten eine friedliche Koexistenz von Wohnen und Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich (?) stören, gewährleistet werden. Die Aufstellung eines Bebauungsplanes ist notwendig, war längst überfällig, um eine rechtliche Handhabe gegen die weitere ungebremste Errichtung von Kneipen zu haben, da Ordnungsamt und Bauamt mit ihren Möglichkeiten keine ausreichenden Mittel bisher besitzen.
Gefordert ist nun endlich die Stadt! Nachdem ordnungs rechtliche Maßnahmen nichts bringen, hilft - wenn über haupt - allein ein Bebauungsplan. Und auf diesen, längst in Aussicht gestellten und immer wieder zerredeten Plan richtet sich unsere Hoffnung. Dürfen wir es als kleinen Lichtblick werten, daß als vorbetreitende Maßnahme zwar keine sogenannte »Veränderungssperre« nach § 14 Bun desbaugesetz (BBauG) beschlossen wurde. - dazu fehlte wohl der Schneid - die Behörde aber von der Möglichkeit Gebrauch macht, nach § 15 BBauG Entscheidungen über Bauanträge für 12 Monate zurückzustellen?
Was bedeutet das im Klartext? Für das Michaelsviertel ist zwar noch kein Bebauungsplan vom Stadtrat offiziell beschlossen; man ist aber in der Meinungsbildung soweit gediehen, daß man »demnächst« einen beschließen wird (oder hat man sich schon wieder anders besonnen??) Jetzt hätte man die Möglichkeit, eine Veränderungssperre zu beschließen; das würde bedeuten, das wertsteigende Veränderungen an Grundstücken nicht vorgenommen und genehmigungsbedürftige Anlagen nicht errichtet werden dürfen. Soweit hat man sich aber (leider) nicht getraut. Wir wollen aber sehr hoffen, daß man von der eben schon skizzierten Möglichkeit des § 15 BBauG künftig Gebrauch macht und über Bauanträge, welche dem künftigen Plan entgegenlaufen (also z.B. für Kneipen) zunächst nicht entscheidet. Dazu gehört sicher gelegentlich ein wenig Schneid, aber der ist bei der Stadt Fürth ja vorhanden - oder ist jemand anderer Ansicht? Ro
Der Entwurf des Bebauungsplanes teilt das Plangebiet in die Teilgebiete A und B. Bestandsschutz heißt dabei das Zauberwort, das im Planungsgebiet A gewährleisten soll, daß außer den bisher bestehenden Kneipen - in ihrer zu gelassenen Betriebsfläche - keine weiteren Schank- und Speisewirtschaften mehr errichtet werden dürfen. Damit ist auch gesichert, daß Kneipen nicht vom Erdgeschoß auf das gesamte Haus, vor allem dem Keller, ausgedehnt werden dürfen. (Fortsetzung S. 11) Altstadt-Bläddla 15/83
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