Verlust der Mitte Was geschieht, wenn ein Ort wächst und sich aus dehnt? Wo immer es möglich ist, bleibt der ursprüng liche Mittelpunkt erhalten. Um ihn legen sich, wie um einen Kern, konzentrisch immer neue Schalen, und jede Erweiterung gibt dem Zentrum ein neues Ge wicht. Die ersten Straßen bleiben die „Topadressen" für alle Zeit. Es gibt Städte, in denen der Verlauf der Hauptstraße in der City noch identisch ist mit der Trasse der Zentralachse zur Zeit der Römer - In Fürth ist das anders. Mit jeder Stadterweiterung ge rieten die Kirche, die „Altstadt" und damit eben auch die Gustavstraße mehr an den Rand, weil eine Ausdehung des Ortes nur nach Osten und Süden, also weg von den Flüssen, möglich war. Und ein Stadtkern, der exzentrisch wird, verliert leicht seine Mittelpunkt funktion. Er verliert an Bedeutung, wird vielleicht so gar vernachlässigt, - zugleich aber gehen an ihm vie le Veränderungen und Modernisierungen vorbei, die zwangsläufig die Jahrhunderte vorgenommen hät ten, wäre die Altstadt der Mittelpunkt geblieben.
Barbara Ohm Den Mitgliedern der Bürgervereinigung ist sie keine Unbekannte. Wer Barbara Ohm jemals auf den Mit gliederversammlungen erlebt hat, kann ahnen, welch engagierte Frau nun das Amt des Heimatpflegers der Stadt Fürth übernommen hat. Sie engagiert sich für eine Stadt, die sie lieben gelernt hat Vielleicht muß man wirklich - wie Barbara Ohm - als Nicht-Einhei mischer an diese Stadt herangehen, um ihre histori schen und baulichen Reize zu erkennen. Barbara Ohm hat es verstanden, erst einmal den Für thern zu zeigen, welche baulichen und historischen Kostbarkeiten diese Stadt beherbergt. Daraus erwuchs der Wunsch, diese Kostbarkeiten zu erhal ten und soweit nötig, zu restaurieren. Sehr bald erkannte Frau Ohm, daß man sich für diese Belange der Denkmalpflege aktiv einsetzen muß. Es ist dieses Engagement, welches sie veranlaßte, das Ehrenamt der Stadtheimatpflegerin zu übernehmen - ein Amt, das viel Kraft, Ausdauer und ein gutes Teil Verhand lungsgeschick erfordert Die Bürgervereinigung wünscht Frau Ohm viel Erfolg in ihrem Ehrenamt und bietet ihr gern die nötige Unterstützung an bei ihrer Arbeit in Fürth. Der heutige Beitrag der Stadtheimatpflegerin ist aus ihrem langjährigen Bemühen heraus zu verstehen, den 'Blick durch den Grauschleier' hindurch auf bau liche Schönheiten zu lenken, auf Kostbarkeiten der Gustavstraße. Anschauliche Stadtgeschichte Die Gustavstraße und ihre Häuser von Barbara Ohm Wenn die beiden Flüsse nicht wären, die Rednitz und die Pegnitz mit ihren feuchten Tälern und ihren Über schwemmungsgebieten. dann wäre etwas ganz anderes aus der Gustavstraße geworden. Eine kühne historische Spekulation? Ein durch nichts beweisbares Gedankenspiel? Die Geschichte Fürths, so wie sie gelaufen ist, hält dagegen. Unsere Gustavstraße, bis 1827 hieß sie Bauerngasse, ist die älteste (noch bestehende) Straße in Fürth, quer durch den Ort. vorbei an Kirche und Friedhof, vom Markt nach Osten, auf Nürnberg zu. 10
Altstadtbläddla 24/88
Erhaltenes Bild So finden wir um St. Michael herum, besonders in der Gustavstraße, an vielen Stellen noch das Erschei nungsbild des „alten Fürth" erhalten, so wie es bis zur ersten Stadterweiterung, etwa bis ins 18. Jahrhundert bestand. Nie hat es im Rahmen von „Modernisierun gen" einen großen Kahlschiag gegeben, ganz im Ge genteil: mit Verzögerung und nur an einzelnen Stel len, halt dort, wo sich eine Baulücke ergab, hinterläßt jede Phase unserer Stadtgeschichte in der Gustav straße eine Spur. Das macht einen Reiz dieser Straße aus: ein Kompendium der Fürther Baugeschichte vom Dreißigjährigen Krieg bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Geschwungen und gebogen Ein weiterer Reiz der Gustavstraße liegt in ihrem Ver lauf. Sie ist, wie alle alten Straßen des Ortes, nicht schnurgerade gebaut, sondern nimmt mit ihren Bie gungen und ihrem Ansteig und Gefälle die topogra phischen Gegebenheiten der Anhöhe um die Kirche auf. Weil sie Hauptstraße - und Durchgangsstraße war, ist sie aber lange nicht so verwinkelt wie all die kleineren Straßen und Gassen in der Nachbarschaft, etwa die Schindel- und die Pfarrgasse. Weil die Gustavstraße immer in ihrer Substanz erhal ten geblieben ist, sind auch alle späteren Bauten ihrer ursprünglichen schönen Schwingung gefolgt. Die Gustavstraße erzählt ein Stück Fürther Ge schichte, und jedes einzelne Haus tut das auch. Bauernhöfe mitten im Ort Was am Marktplatz noch augenfälliger ist, auch in der Gustavstraße kann man es entdecken, das bäuer liche Erbe. Bis ins 18. Jahrhundert hinein war Fürth von der Landwirtschaft und vom Handwerk geprägt. Als Bauform für diese Zeit steht das einfache Fach werk, so wie wir es an dem wunderschönen Haus Nr. 15 (leider noch nicht wieder hergerichtet) oder an dem liebevoll restaurierten Haus Nr. 13 sehen kön nen. Oder auch an Nr. 40. Es ist kein „repräsentatives" Fachwerk mit dem Reichtum an Verzierungen, die diese Bauform auch kennt, es ist ein konstruktives Fachwerk, das den Bedürfnissen des einfachen Marktfleckens entspricht. Bauernhöfe lagen an dieser Straße, an der Bauern gasse. Zwischen den Häusern 40 und 42 ist noch die typische Hofeinfahrt für die bäuerlichen Fahrzeuge