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Bürgervereinigung St. Michael — Altstadtbläddla

höhnisch die alten Fen­ sterlaibungen des Geismann-Bräustübels. Wo früher Gasthäuser und Sudkessel standen, finden wir heute gähnende La­ derampenleere, riechen­ de Müllkontainer und bröselnde Sandsteinver­ blendungen. Wenige Schritte weiter tobt sich der Verkehr auf dem Königsplatz aus, nachdem sich zuvor die Stadtplanung ausgetobt hatte. Von einem Platz kann eigentlich keine Rede mehr sein, mehr von einem Blechstrudel oder einem zu klein gera­ tenen „Plärrer". Die letz­ ten Reste der alten Platz­ bebauung, unter ihnen ein barockes Hoffakto­ renpalais, in dessen Kel­ ler der jüdische Bauherrr eine bis zum Abriß erhal­ tenen „Ducke" (eigent­ lich Mikwe, jüdisches Ri­ tualbad) hatte errichten lassen, fielen dem „Sozial­ rathaus“ zum Opfer. Auf der anschließenden Nord- und Westspange geht niemand gerne zu Fuß weiter. Es fällt

schwer, sich vorzustellen, daß ungefähr hier einmal die Pegnitz entlangfloß und daß linkerhand, dort, wo jetzt seit fast zwanzig Jahren Autos auf proviso­ rischen Parkplätzen ste­ hen, einst ein dichtes Ge­ wirr von Fachwerk- und Sandsteinhäusern die Alt­ stadt einrahmte. Bald wird hier der Verkehr vierspurig branden, und während in anderen Städ­ ten die Mauern fallen, werden wir hier dem­ nächst eine Wand stehen haben.

Auf der alten Rednitzin­ sel zwischen Max- und Flutbrücke wird die Hal­ tung der Stadt gegenüber dem Individualverkehr vollends manifest. Sämtli­ che historische Gebäude dieser alten Keimzelle Fürths dürfen scheinbar bedingungslos geopfert werden. Zwischen Schlachthof (ein weiterer sinnloser Teilabriß) und Flutbrücke wird eine ein­ zige, siebenspurige, fast gigantomanisch zu nen­ nende Kreuzung entste­ hen. Auch das Fischhäusla fällt ja nicht der U-

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BAD

FÜR PLANSCH-ENTEN

J. KRAUSS SANITÄR und GASHEIZUNG

Fürth Blümenslr. 15 Tel. 0911-770942 I6

Bahn, sondern einer neu­ en Straßenbrücke zum Opfer. Verschwinden werden der Würzburger Hof und die Nachbarge­ bäude sowie der letzte Rest der Förstermühle, die einst diese Gegend mit ihrem Baukörper prägte. Verschwinden werden aber auch die lie­ bevollen Details, wie die Sandsteinbank vor der al­ ten Poststation, die ver­ mutlich barocken Reitern das Auf- und Absteigen erleichterte oder die In­ schrift, die man wohl nur in Fürth so antrifft: „Fischhäusla am Rednitz­ strand“. Im Kernbereich der Fürther Alt- und Innen­ stadt geht der Kahlschlag ebenfalls weiter. Stellen wir uns einmal in einer autofreien Minute in die Ludwig-Erhard-Straße in Höhe des Kohlenmarktes und blicken zurück in die Straßenflucht, zu der der Name Sterngasse (bei al­ ler Hochachtung für Er­ hard) doch besser paßt. Versuchen wir, uns vor­ zustellen, wie das hier ohne „Fürst" und „Haus zum Stern" aussehen könnte, frisch geteert und neu gestaltet. Den besten Eindruck bekom­ men wir wohl, wenn wir an der Fläche des Wert­

stoffkontainers stehen­ bleiben und die Rathaus­ remisen von hinten be­ trachten. Hier hat man schon vor Jahren Vorarbeit geleistet und mit der Amputation begonnen. So traurig wie das Spätherbstwetter ist die Tatsache, daß die an­ stehende Zerstörungs­ welle mittlerweile kaum noch aufgehalten werden kann. Wichtiger als sich an einzelnen Projekten festzubeißen, könnte es sein, in Fürth ein homogeneres Identifikations­ verhältnis zwischen Stadtstruktur und Be­ wohnern zu erzeugen. Hierzu müßte das Ge­ schichtsbewußtsein, be­ sonders das der Alltags­ und Sozialgeschichte, ge­ schärft werden. Als Rundgangsleiter beim Verein „Geschichte für alle" höre ich in Fürth mehr als anderswo Kom­ mentare wie: „Was braucht mer denn des alte Graffl Überhaupts?" Nur bei einem besseren Verhältnis der Bürger zur eigenen Geschichte wer­ den diejenigen, die auf der Ebene der Stadtver­ waltung unter „Moderni­ sierungsneurosen" lei­ den, demokratisch besei­ tigt. W.-H. Hergert