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Burgervereinigung St. Michael _ Altstadtbladdla be.“), worauf Faust sei­ ner Margarete begeg­ nete (zu Mephistos Ent­ setzen: „Ich sag Euch, mit dem schonen Kind, geht’s ein für allemal nicht geschwind. Mit Sturm ist da nichts ein­ zunehmen; wir müssen uns zur List beque­ men“) und sich der Tragödie erster Teil entwickelte, die wie­ derum an eine Knei­ pentragödie jüngerer Tage erinnert: Die letz­ te Frau, die man in Großbritannien hängte, war die Wirtin Ruth El­ lis. Sie erschoß am Ostersonntag 1955 in ihrem Pub einen Stammgast (Stichwort: unglückliche Liebe). Also von wegen: „Wer die Wirtin kränkt, wird aufgehängt".

Zurück zu Goethe: In seinem realen Leben vergnügte er sich unter anderem im Artico Cafe Greco in Rom (sehr sehenswert, aber Tummelplatz für Touri­ sten; in der Via Condotti 86 nahe Piazza di Spagna, Capuccino ä sieben Mark); daselbst verkehrten nebenbei auch Casanova. Baude­ laire. Schopenhauer, Franz Liszt, Mendels­ sohn, Wagner und Nietzsche. Selbst in Schwabach hielt Goe­ the nicht im Rathaus, sondern in der Gast­ stätte Zum Weißen Lamm inne. Auch in an­ deren Ländern waren die Nationaldichter nicht selten Stammgä­ ste in Kneipen, so zum Beispiel der Portugiese Fernando Pessao im Cafe A Brasileira (für Lissabon-Besucher ein Muß und noch kein Tummelplatz für Touri­ sten, am Largo do Chiado). Der ägypti­ 8

sche Schriftsteller und Nobelpreisträger Na­ gib Machfus (Erzählun­ gen, u.a.: „Die Kneipe Zur schwarzen Katze“) wurde letztes Jahr in seinem Stammlokal von islamischen Fundamen­ talisten schwer ver­ letzt.

im 19. Jahrhundert wuchs auch die Zahl der Gaststätten. Grun­ de waren die ländliche Herkunft der Arbeiter dort hatte das Gast­ haus neben der Kirche schon immer eine zen­ trale Stellung der Wunsch nach Gesellig­

Das Wirtshaus nahm deswegen auch eine zentrale Stellung in der Arbeiterbewegung ein. so schrieb der Arbei­ terführer Karl Kautsky 1891 in der Zeitschrift „Die neue Zeit“: „Das einzige Bollwerk der politischen Freiheit des

Die älteste Gaststätte Furths um 1900.

Kneipe und Arbei­ terbewegung Mit Beginn der Indu­ strialisierung und der explosionsartigen Ver­ größerung der Städte

keit und vor allem aber die katastrophalen Wohnverhältnisse der Arbeiterschaft. Die Kneipe mußte das Wohnzimmer erset­ zen.

Proletariats, das ihm so leicht nicht konfisziert werden kann, ist das Wirtshaus. Der Tem­ perenzler mag darüber die Nase rümpfen, aber das ändert nichts an der