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Burgervereinigung St. Michael — Altstadtbläddla

okumentation des alten jüdischen Friedhofes Weitgehend unbeachtet von der Fürther Öffent­ lichkeit arbeitet Frau Gi­ sela Blume seit fast sechs Jahren intensiv an der In­ ventarisierung und Doku­ mentation des alten jüdi­ schen Friedhofes an der Rosenstraße in Fürth. Vor zwei Jahren hat sie die Aufnahme der ca. 6.500 noch vorhandenen Grabsteine vollendet. Seitdem erstellt sie die Dokumentation, die in etwa zwei Jahren erschei­ nen soll. Mehr als 40 Stunden pro Woche ar­ beitet Frau Blume inten­ siv daran. Bei soviel eh­ renamtlichem Engage­ ment fragt man sich nach dem Auslöser: Dies war ein Artikel von Frau Stadtheimatpflegerin Bar­ bara Ohm im Buch „Kleeblatt und Davidstern“. Darin las sie 1990, daß bislang eine genaue Inventarisierung fehlt, und alle Inschriften bald verwittert sein werden. Ein Telefonat mit Frau Ohm brachte das Rad ins Rollen: „Frau Blume, wenn sie es nicht tun. dann wird nichts passie­ ren". So machte sich Frau Blume, die eine Woche nach der Reichskristall­ nacht im Saarland gebo­ ren wurde, aber seit ih­ rer frühesten Kindheit in Fürth lebt, ans Werk, ohne zu ahnen, welche umfangreiche Arbeit auf sie wartete. Im Gegensatz zum gerin­ gen Interesse innerhalb Fürths genießt das Engage­ ment von Frau Blume weltweit große Beach­ tung. In ihrem Arbeitszim­ mer stapeln sich Briefe aus der USA, Israel und England mit Anfragen von Nachfahren ehemaliger 26

Fürther Juden, ob sie In­ formationen über die Lage der Grabsteine ihrer Vor­ fahren geben könne. Die Nachforschungen gehen aber weit über die Inven­ tarisierung der Grabsteine hinaus. Im Staatsarchiv Nürnberg, im Leo-BaeckInstitute, New York und in den „Central Archives

For The History Of The Jewish People“, Jerusalem konnte Frau Blume wichti­ ge Hintergrundinforma ­ tionen zur Familienge­ schichte und zu den Le­ bensläufen der in Fürth bestatteten Juden sam­ meln.

Kriminalistische Methoden Die Inschriften auf den Grabsteinen befinden sich teilweise in einem solch schlechten Zu­ stand, daß die Namen der hier Bestatteten nicht mehr identifizierbar sind. Ein Beispiel ist der oben

abgebrochene Grabstein (vgl. Abbildung rechts), auf dem Frau Blume le­ diglich das Sterbedatum 28. Adar 5643 nach dem jüdischen Kalender er­ kennen konnte, das dem 6. April 1883 nach unse­ rer Zeitrechnung ent­

spricht. Mit Hilfe der Personenstandsregister im Staatsarchiv Nürnberg erfuhr Frau Blume, daß ein Jitzchak Bär Fränkel an diesem Tag in Furth verstarb. Das Akrostikon. d.h. die rechte senk­ rechte Leiste der hebräi­ schen Buchstaben auf dem Grabstein bestätigte Frau Blumes Ergebnis. Hier steht: Jitzchak Dov, das entspricht dem deut­ schen Isaak Bär. Er wurde am 22.12.1795 in Fürth geboren, heira­ tete am 29.8.1818 Hanna Rosenkopf und lebte mit seinen sechs Kindern in der Königstr. 49 (nicht mit heutiger Hausnum­ merierung identisch). Von diesen sechs Kin­ dern sind noch drei Grä­ ber auf dem Fürther jüdi­ schen Friedhof identifi­ zierbar. Eine weitere Eigenheit des jüdischen Friedhofes in Furth kann sich Frau Blume zur Hilfe machen, wenn der Name des Ver­ storbenen nicht mehr lesbar ist. Es ist die Grab­ steinformel für „Hier ruht“. Bei jüdischen Män­ nern steht in der Regel: „Hier ist begraben", bei Frauen „Hier ist verbor­ gen". Aber auch die häufigen Symbole auf den Grab­ steinen verraten uns et­ was über den Beruf, die religiöse oder soziale Stellung des hier Bestat­ teten. Segnende Hände bezeichnen das Grab ei­ nes Kohen, das sind die Nachfahren des Priesters Aaron, eine Kanne schmückt das Grab von Leviten, den Dienern im Tempel. Ein Messer sagt, daß hier ein Mohel begra­ ben ist. der die Beschnei-