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Altstadtverein Fürth_______

Resi Fellmer und ihre 500 Kinder Wer Resi Fellmer nicht kennt, der kennt das Altstadtviertel nicht, auch wenn er noch so viele Jah­ reszahlen von wichtigen Ereig­ nissen aufzählen kann. Resi zählt 73 Jahre und lebt am Eingang zum Kitchenplatz von 462 Mark Rente monatlich, Miete und Hei­ zung zahlt das Sozialamt. Aber Resi Fellmer ist nicht unglück­ lich und nicht unzufrieden wie viele andere Menschen, die das zehn - oder fünfzigfache an Geld zu Verfügung haben und in ih­ rem Leben vergleichsweise auf Rosen gebetet sind. Sie meint: „Wir Menschen in der Altstadt St. Michael sind nicht einsam. Man kennt sich, man grüßt sich und auch Hilfe ist da, wenn man sie braucht. Ich fühle mich in der Altstadt geborgen. Das Schön­ ste aber ist: Täglich kommen 500 Kinder an meinem Fenster vorbei." Beim Zeitschriftenhändler um die Ecke muß sie sich einmal täg­ lich melden, damit der weiß, daß alles in Ordnung ist. Der Friseur - ebenfalls um die Ecke - läßt ihr die Haare gratis schneiden. Oie Nachbarin quartiert die Resi kurzerhand nach einem Wohnungsbrand ein. Die Pfarrer von St Michael kümmern sich um sie und Resi erwähnt natür­ lich auch den Vorsitzenden des Altstadtvereins. Der Arzt sähe sie lieber im Heim, aber: „Ich liebe die Altstadt. Ich habe tausend Freunde hier.“

Flucht Eigentlich ist Resi Fellmer aus Neu-Hau oder Novo-Lehotä in der Slowakei, 130 Kilometer nordöstlich Bratislava. Als 16jährige wurde sie in das Deutsche Reich als landwirtschaftliche Ar­ beiterin verschickt, bekam als „Volksdeutsche“ aber jedes Jahr Urlaub, 1945 evakuierte die Wehrmacht Teile der deutschen Bevölkerung aus der Slowakei, darunter auch die Mutter von Resi Fellmer, sie kam zufällig in

das Espan-Lager in Fürth. Von dort gab die pflegebedürftige Frau einen Suchauftrag an das Rote Kreuz, um ihre Tochter zu finden. Das Rote Kreuz machte Resi Fellmer in der Ostzone aus­ findig, denn in das dortige Ge­ biet war die Tochter noch in Kriegszeiten verschickt worden. Auf den Brief hin floh Resi Fellmer 1947 aus der Ostzone. Sie wurde in Kassel aufgegriffen, die 20jährige galt aber noch als Jugendliche, weswegen sie nicht zurückgeschickt wurde und zu ihrer Mutter durfte.

Im Espan-Lager Nun lebte sie im Espan Lager mit ihrer pflegebedürftigen Mutter und weiteren 40 Menschen in ei­ nem Raum, arbeitete bei der Stadt Fürth, in einer Wirtschaft in der Gartenstraße, bei der Spielwarenfabrik Götz in der Jakobinenstr. Die Mutter vertrug das Lageressen nicht, und Resi Fellmer ekelte sich davor, so suchte man Unterschlupf bei der Schwester in Frankreich. Resi Fellmer konnte einen Arbeitsver­ trag als Haushaltshilfe erlangen und so trafen Mutter und Toch­ ter im September 1949 in Paris ein. Der Schwager verbot jedoch aus seinerzeit naheliegenden Gründen, deutsch zu reden, die Mutter konnte sich mit der Lan­ dessprache nicht anfreunden und wollte bald wieder zurück, so daß man im Januar 1952 wiederum im Espan-Lager ankam. Mitte 1952 fanden Mutter und zwei Töchter eine kleine Wohnung in der Maxstraße, Resi Fellmer fand eine Beschäftigung bei Grundig. Kurz darauf wurde sie lungen­ krank und mußte für 13 Monate in die Lungenheilklinik Engelthal. Danach war sie 50% behindert und eigentlich berufsunfähig, ging aber „freiwillig“ wieder zu­ rück zu Grundig, 96 Mark Rente waren auch damals nicht genug

zum Leben. 1962 gab sie eine andere Beschäftigung auf, da die Mutter wieder krank wurde und hielt sich mit Heimarbeiten und als Werberin für die Fränkische Tagespost über Wasser.

Der Comic-Laden 1967 eröffnete sie dann in der Gustavstraße 43 den legendären Laden für Second-Comics und Romanheftchen, der dann nicht weniger als 22 Jahre bestand: „Begonnen hat das ganze prak­ tisch aus dem Nichts. Für sechs Mark kaufte die frischgebacke­ ne Geschäftsfrau Bretter und baute sich daraus ein Regal, das

sie mit Packpapier bezog. Da anfangs noch keine Hefte im Tausch zu erstehen waren, be­ kamen die ersten Anlieferer ge­ brauchten Lesestoffs Gutschei­ ne zu späterer Einlösung. Das Regal wurde so immer voller, und schon bald war die Auswahl so groß, daß der Handel beginnen konnte... Hauptarbeit neben dem Sortieren der angekauften Druckstücke ist die Reparatur aus dem Leim geratener Bänd­ chen und zerissener Seiten. Un­ mengen von Klebefilm... gehen dabei drauf“ (aus einem Bericht der Fürther Nachrichten im Jah­ re 1983}. Diese Jahre waren die schönsten Zeit ihres Lebens gewesen,

Resi Fellmer undzwei der 500Kinder. die täglich an ihrer Haustüre vorbeikommen Foto.A. Mayer

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