Altstadtverein ________ Fürth
fang bis Ende darzustellen, war anhand der Objektlage kaum zu erfüllen. Die Ausstellung kippt ziemlich häufig weg, weil die Objekte fehlten und viele Repli ken eingesetzt werden. Ge schichte ist immer fragmenta risch und läßt sich nicht kom plett rekonstruieren, dies ist ja letztendlich auch tröstlich. An spruch und das, was ein Muse um leisten kann, müssen über einstimmen Mit Fragmenten sind Eindrücke und Anstöße zu liefern. Wenn der Besucher mehr wissen will, dann ist die ser Anspruch erfüllt. Für mich war die dem Jüdischen Muse um in Fürth angeschlossene Literaturhandlung immer ein Gradmesser für den Erfolg. Die Vermittlungsmöglichkeiten durch eine Stunde Museumsbesuch sind relativ gering. Aber wenn dann jemand ein Buch oder gar mehrere Bücher zum Thema kauft, dann war das Mu seum ein Erfolg. Seit drei Jah ren haben wir relativ konstante Besucherzahlen im Museum, aber die Buchhandlung hat ih ren Umsatz verdoppelt, der Er folg ist da. Aus dieser Anschau ung resultiert auch der Wunsch nach einem Infozentrum mit Bi bliothek, die direkt dem Muse um angeschlossen sind. Sie würden Besucher auffangen, die mehr wissen wollen. Altstadtbläddla: In Fürth gibt es wie auch andernorts Versu che, Lokalgeschichte zu mono polisieren. Was sind die Auswir kungen? Purin: Es ist bedauerlich, wenn Schlagworte wie „Toleranz“ und andere unreflektierte Einschät zungen vorherrschen. Solch ein Beharren verhindert, daß der Historiker neue Erkenntnisse er langt. Ich will als Beispiel die Bedeutung Fürths für den he bräischen Buchdruck anführen. Im Vergleich mit Wilhermsdorf oder Sulzbach erlangte dieses Gewerbe in Fürth relativ spät an Bedeutung, die Qualität war dann nicht die beste. Im 18. Jahrhundert war es oft Praxis, zur Aufwertung falsche Druckorte in Büchern anzugeben, so 18
Jn wenigen Jahren leben die letzten Augenzeugen der Shoa nicht mehr...' Foto (alter Jüdischer Friedhof): A Mayer
gaben Fürther Druckereien Sulzbach oder Amsterdam an. Der umgekehrte Fall ist nicht ein einziges Mal belegt, nie ha ben andere Druckorte Fürth zur Aufwertung angegeben. Das ist ein schöner Beleg für die relativ geringe Qualität der Fürther Produkte. Das Beharren auf die Behauptung, die Qualität des Fürther Buchdrucks sei eine herausragende, verstellt den Blick auf andere Fragestellun gen. Zum Beispiel war es eine große Leistung der Druckereien in Fürth, für die breite Masse günstige Gebetbücher herzu stellen. Das Beharren auf Le genden fördert nicht den Er kenntnisgewinn.
Altstadtbläddla: Welche Be deutung hatte Franken für die Jüdische Geschichte im Ver gleich mit anderen deutschen oder mitteleuropäischen Regio nen? Purin: Neben Rheinland Pfalz und bayerisch Schwaben ist Franken eine der Landschaften mit der größten Dichte an jüdi schen Gemeinden. Fürth hatte dabei seit dem 17. Jahrhundert eine herausragende Bedeu tung, weil die Gemeinde zahlen mäßig sehr groß war. Hier in Fürth wird aber manches we gen des fehlenden Blickes über
den Tellerrand überschätzt. Fürth ist keinesfalls mit Prag, Frankfurt oder Altona vergleich bar. Im bayerischen Maßstab und in Süddeutschland hatte Fürth jedoch sehr wohl große Bedeutung.
Altstadtbläddla: Die NSDAP hatte in Franken weit über durchschnittliche Wahlergeb nisse. In der Juliwahl 1932 la gen im Deutschen Reich von den zehn Wahlkreisen mit den höchsten NSDAP-Stimmenan teilen nicht weniger als sechs in Franken: Rothenburg mit 76%, Uffenheim 73%, Neustadt/ Atsch 68%. Ansbach Land 66%. Gunzenhausen 65% und Dinkelsbühl 63%. Hatte das et was mit spezifischen Ausprä gungen des Judentums in Fran ken zu tun? Purin: Nein, Antisemitismus braucht keine Juden, in Uffen heim beispielsweise gab es 1933 ganze 50 Juden, das wa ren 1,9% der Bevölkerung. Altstadtbläddla: Was für Wünsche hegen Sie für Fürth? Purin: Ich hoffe auf eine kluge Personalentscheidung in bezug auf die Leitung, und daß mein Nachfolger die Möglichkeit hat, eine gute Museumsarbeit zu lei sten, möglichst frei von Einfluß
nahmen und Interventionen. Ich hoffe, daß sich die Menschen, die sich für das Museum enga giert haben, dies weiterhin ma chen. und daß diejenigen, die anderer Meinung zur Konzepti on des Museums sind, die Au tonomie einer solchen Einrich tung tolerieren. Altstadtbläddla: Hoffentlich berichten Sie in München und in der Welt nur von den positi ven Seiten unserer Stadt. Purin: Das wird nicht ganz ein fach sein, da - zumindest in der Fachwelt - die Auseinanderset zungen um das Jüdische Muse um sowie Inhalt und Form der vorgebrachten Kritik eigentlich nur Kopfschütteln ausgelöst ha ben. Aber es ist natürlich schon auch so, daß ich neben den Er innerungen an diese Absurditä ten auch das eine oder andere Positive von Fürth nach Mün chen mitnehmen werde.
Altstadtbläddla: Besten Dank für das milde Urteil! Wir danken Ihnen für das Gespräch und wünschen Ihnen viel Glück für die Zukunft.
Das Interview führte Alexander Mayer.