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Alcstadtverein ________ Fürth

unter anderem per E-Mail an das Jüdische Museum: „Unser Großvater Sigmund Dottenheimer wurde am 18. Oktober 1887 in Gunzenhausen gebo­ ren und er wurde in einem Kon­ zentrationslager ermordet. Unser Vater, Fredi Joel Dottenheimer, wurde am 31. Oktober 1913 in Gunzenhausen gebo­ ren, emigrierte 1937 in die Ver­ einigten Staaten und starb am 5. Juli 1986.. Soweit wir wis­ sen, gibt es keine weiteren Fa­ milienangehörigen. Sigmunds Frau und seine drei anderen Kinder, Kurt, Irene und Werner wurden alle in Konzen­ trationslagern ermordet... Der Verlust seiner Mutter, sei­ nes Vaters, seiner Schwester und seiner beiden Brüder war außerordentlich schmerzhaft für unseren Vater. Als Folge davon sprach er nicht viel über sein Leben vor der Emigration in die Vereinigten Staaten.“ Faye Dottheim-Brooks und ihr Bruder stellten im November 2000 einen schriftlichen Antrag auf Restitution, wobei sie nach Anerkennung ihrer Ansprüche eine Leihgabe des Tora Schil­ des an das Museum in Aussicht stellten. Das Jüdische Museum empfahl der Stadt Fürth die Anerken­ nung der Ansprüche, die nach schon erwähnten anfänglichen Widerständen ihren formaljuri­ stischen Rechtsstandpunkt auf ­ gab, so daß eine einvernehmli­ che „Vergleichs- und Freistel­ lungsvereinbarung“ abge­ schlossen werden konnte. Das Museum und die Eigentümer vereinbarten vertraglich, daß das prächtige Tora Schild wei­ terhin als Objekt in der Dauer­ ausstellung des Museums blei­ ben konnte.

und Gegenwart herzustellen". Der New York Times war diese außergewöhnliche Geschichte immerhin einen fast ganzseiti­ gen Artikel wert, ohne die an­ fänglichen kommunalen Vorbe­ halte - die den Nachkommen in den USA natürlich nicht verbor­ gen blieben - hätte nicht nur das Museum, sondern auch die Stadt Fürth und ganz Deutsch­ land an internationaler Reputa­ tion gewinnen können.

Das Nürnberger Frieda Dottenheimer mit Ihren drei Söhnen, rechts Fredi Dettenheimer, der ein zige aus der Familie der den Holocaust überlebte. Foto: Fam. Dottheim-Brooks.

genden Erkenntniswert, beson­ ders natürlich für die betroffene Familie, aber auch für den Mu­ seumsbesucher wie für Wis­ senschaft und Forschung. Viele Museen und öffentliche Einrichtungen zögern, intensive Recherchen zu möglichen Raubkunst-Objekten ihrer Sammlungen zu beginnen, die Gründe sind unterschiedlich­ ster Art, wie für den Fall der „Stürmer-Bibliothek" weiter un­ ten gezeigt werden soll. So lei­ tet sich die Reputation eines Museums auch vom kunsthi­ storischen Wert seiner Samm­ lung ab, und das oben be­ schriebene Tora Schild ist eines der hervorragendsten Objekte im Fürther Museum.

„Andererseits" so Bernhard Pu­ rin „ist die Aussagekraft der Ob­ jekte gerade für Jüdische Muse­ en von zentraler Bedeutung, weil Judaica in mehrfacher Wei­ se Erinnerungsträger sind: Für die, die sie einst verwendeten, hatten sie ihren festen Platz in Alltag und Festtag... Heute erinnern sie aber nicht nur an jüdisches Leben, sondern auch an die Schoa, als die Men­ schen, die diese Gegenstände einst benutzten und ihnen Be­ deutungen zuwiesen, vertrieben und ermordet wurden... Wir haben durch diesen Fall gelernt, daß der .Museums­ wert' eines Objekt größer wird, wenn es gelingt, eine Verbin­ dung zwischen Vergangenheit

Gewinn für Gewissen

und Wissenschaft Das Tora Schild erhielt mit die­ ser Geschichte einen überra-

Fred Dottenheimer auf dem Schiff in die Emigration (zweiter von rechts) Foto: Farn Dottheim-Brooks.

Gegenbeispiel Julius Streicher und der Verlag seines widerwärtigen NSMachwerkes „Der Stürmer" sammelten in den 1930er und 1940er Jahren - aus welchen Gründen auch immer - in gro­ ßen Mengen von Juden geraub­ te Bücher, die im „Braunen Haus" (Marienstraße 11 in Nürnberg), in den Redaktions­ räumen des NS-Hetzblattes „Der Stürmer" und im Pleikers­ hof (Landkreis Fürth) als letztem Wohnsitz Streichers verwahrt, dort von den Amerikanern 1945 aufgefunden und dann zu­ nächst in der ßärenschanzkaserne eingelagert wurden. Nach Darstellung der Israeliti­ schen Kultusgemeinde Nürn­ berg (im folgenden: IKG) wur­ den diese ca. 8.000 - 10.000 Bücher damals von den Ameri­ kanern der IKG übereignet. An dieser Version sind zwar gut begründete Zweifel laut gewor­ den, die Stadt Nürnberg hat aber die Eigentumsrechte der IKG de facto (und/oder de jure?) anerkannt, ein Mitarbeiter des Stadtarchivs kommentierte dies wie folgt: „Seit ca. 1997/98 ist die .Stürmer'-Bibliothek zum Depositum der IKG mutiert". Die Bücher blieben aus Platz­ gründen dennoch damals wie heute im Bestand der Nürnber­ ger Stadtbibliothek, wo sie als „Leihgabe der IKG“ firmieren.