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Altstadtverein Fürth ________

Ein großer Tei) der Bücher aus der „Stürmer-Bibliothek“ stammt nicht aus dem Besitz der Kul­ tusgemeinde vor 1933, son­ dern wurde aus dem Besitz ge­ flohener, verschleppter und ermordeter Juden zusammen­ geraubt, war also ursprünglich Besitz von Privatpersonen, von denen durchaus noch Erben vorhanden sind oder vorhanden sein könnten. Eine im Jahre 2000 durchge­ führte Ausstellung zu diesem Bestand namens „Spuren und Fragmente“ schuf einen - wenn auch unfreiwilligen, weil ur­ sprünglich von ihr nicht beab­ sichtigten - Ansatz für die aktive Restitution von Raubgut.

„Spuren und Frag­ mente“ Die im Jahr 2000 in den Räu­ men der Stadtbibliothek Nürn­ berg gezeigte Ausstellung „Spuren und Fragmente“ wurde in der Tagespresse als bahn­ brechend gefeiert, die allgemei­ ne Begeisterung von Publizisten und Politikern gipfelte schließ­ lich in der Forderung nach einer dauerhafte Präsentation. Ein kompetenter Beobachter kommentierte dies demgegen­ über als „offenkundige(n) Ver­ such, zugleich die Nürnberger jüdische Geschichte zu mono­ polisieren und mit öffentlichen Finanzmitteln eine Gegen Veran­ staltung zu dem in Acht und Bann getanen Jüdischen Muse­ um Franken in Fürth und Schnaittach aufzuziehen." Was war der Inhalt dieser zu­ nächst hochgelobten Ausstel­ lung? Anläßlich der Vorberei­ tungen zum 950jährigen Stadt­ jubiläum war der damalige Oberbürgermeister Scholz an die Israelitische Kultusgemein­ de Nürnberg (IKG) herangetre­ ten, sie möge einen Beitrag zu den entsprechenden Feierlich­ keiten leisten. Anhand von Ein-

Exlibris von Siegfried Heymann im Buch. Das Sondertecht der gemeinen Juden ■ schäft zu Fürth. • von Friedrich Neubürger. Die Ausstellung,Souren und Frag­ mente" stellte anhand ähnlicher Einträge die Lebensgeschichte der Buchbesit­ zer nach - so jedenfalls der Anspruch. Scan: Jüdisches Museum Franken.

trägen (z.B. Exlibris) in Büchern der „Stürmer-Bibliothek“ wur­ den Leben und Schicksal vor­ nehmlich der jeweiligen Besit­ zer nachgezeichnet. Veranstal­ ter waren damit die IKG und die Stadt Nürnberg mit ihrer Stadtbibliothek. bearbeitet wurde die Ausstellung von einem Mitglied der IKG. der als ABM-Kraft bei der Stadtbibliothek beschäftigt war. Als „Zeitzeuge, Leihgeber. Mittelbeschaffer, kreativer Rat­ geber. Korrekturleser und Ken­ ner jüdischer Geschichte und Religion" stand der langjährige 1. Vorsitzende der IKG „zur Ver­ fügung". Schon die Grundanlage der Ausstellung hätte die Aufmerk­ samkeit auf die zentrale Frage der Restitution lenken müssen, die jedoch von „Spuren und Fragmente“ links liegen gelas­ sen wurde. Auch in einer erst im August 2002 verfaßten nachträglichen Bilanz des Aus­ steilungsmachers findet man

keine Silbe zu dieser angesichts der Ausstellungskonzeption doch geradezu unumgängli­ chen Frage. Es entstand der ungute Ein­ druck, daß diese Frage implizit mit der Behauptung umgangen werden solle, die „Stürmer-Bi­ bliothek“ lasse sich „zu einem bedeutenden Teil aus der Israe­ litischen Gemeindebibliothek Nürnberg abfeiten“, wie es im Ausstellungskatalog heißt

Restitution in

Nürnberg Im August 2002 räumte der Nürnberger Stadtrechtsdirektor Hartmut Frommer unumwun­ den ein, daß lange nichts ge­ schehen sei und „Nürnberg spät dran sei“: „Ehrlich gesagt, sind wir nicht sehr weit. Die Stadt hat hier nicht sonderlich rasch gehandelt.“ Allerdings lei­ tete das Nürnberger Stadtarchiv

bei begründeten Ansprüchen immer sofort eine Restitution ein. Um so mehr verwundert das völlige Fehlen dieser Frage­ stellung bei der Ausstellung „Spuren und Fragmente“. Die Restitution von wertvollen Kupferstichen des Kupferste­ chers Johann Alexander Boener - der um 1 ZOO auch viele ein­ zigartige Ansichten von Fürth anfertigte - an Margarete und Carol Meyers aus New Jersey (USA) im Juli 2002 durch Ulrich Großmann, Direktor des Ger­ manischen Nationalmuseums, und die entsprechende Bericht­ erstattung in den Nürnberger Nachrichten (H. P. Reitzner: „Raubkunst schlummert in Ar­ chiven“) legten selbst unsensi­ blen und selbstgerechten Zeit­ genossen eine explizite Stel­ lungnahme nahe Zudem hatte Bernhard Purin und das Jüdische Museum in Fürth beispielhaft vorgeführt (siehe oben), was unter einer aktiven Restitution zu verstehen ist. Das Warten auf eher vereinzelte und zufällige Anfragen ent­ spricht kaum einer Erfüllung dieser moralischen Pflicht und so formulierte der IKG-Vorsitzende dann auch endlich im Au­ gust 2002: „Wir werden den Bestand im Internet veröffentli­ chen. Und wir werden Frank Harris, der in den USA einen Newsletter herausbringt, der an 1200 ehemalige NürnbergFürther Gemeindeglieder oder deren Nachkommen geht, um Veröffentlichung bitten. Jeder bekommt sein Eigentum zu­ rück, wir verstehen uns nur als Treuhänder“. Sehr lobenswert, besser wären solche Aktivitäten schon vor Jahrzehnten gewesen, als viele der nicht ermordeten ehemali­ gen Eigentümer noch lebten. Die Ausstellung „Spuren und Fragmente“ hatte aber noch ganz andere Reaktionen zur Folge. 5