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Altstadtverein _______ Fürth
Kirchweihwoche einmal anders Jetzt liegt sie wieder hinter uns, die lange Kirchweihwo che, inzwischen sind es ja schon fast zwei Wochen. Ren tenreform, Gesundheitsre form. Arbeitslosigkeit, öffentli chen Finanzen kurz vor dem Bankrott, menschlich-morali scher Bankrott zahlreicher Persönlichkeiten des öffentli chen Lebens ... etc. etc. - die Fürther Kirchweih ficht dies al les nicht an. Apropos: Glauben Sie, in einer Zeit mit vielen Sorgen zu leben? Wer da glaubt, schlimmer wie 2003 kann es nicht mehr kommen, dem sei der folgende Blick auf die Kirchweihwoche vor 88 Jahren empfohlen.
Kirchweih 1915 Sie fing nicht gut an, die Fürther Kirchweihwoche im düsteren Jahr 1915. Fortge setzt gingen fast täglich Er satztruppen an die Front. „Die Brust der Soldaten wurde mit Herbstblumen geschmückt", mit Musik und Trommelklang ging es die von Freunden, Be kannten und Verwandten ge säumten Straßen entlang zum Bahnhof. Dort trafen im Gegenzug am Michaelistag frühmorgens 167 Verwundete aus den Kämpfen in der Champagne ein, wo Franzosen und Briten eine für alle Seiten verlustreiche Offen sive eröffnet hatten, innerhalb von zwei Wochen starben allei ne auf deutscher Seite fast doppelt so viele Soldaten wie Fürth seinerzeit Einwohner zählte. Schulen, Turnhallen und ande re Gebäude in Fürth waren mit durchschnittlich 1700 Verwun deten belegt. Wehrkraftjungen fuhren mit Eichenlaub be kränzten und blauweißen Tuch drapierten Wagen durch die Stadt und sammelten für die Lazarette eingemachte Früch te, Marmelade und Fruchtsäf te. 10
Erntedankzug vor dem Ersten Weltkrieg am Marktplatz. Foto: Stadtarchiv Fürth.
Lebensmittelpreise
Kirchweihfest
steigen
Am 3. Oktober 1915 fand das Kirchweihfest in der Michaelis kirche statt, am selben Morgen trafen wieder 165 Verwundete aus der Champagne ein: „Die Verbände und Kleider waren zum Teil noch mit Blut be fleckt“. Fast gleichzeitig zogen „mit klingendem Spiel“ Ersatztruppen des 21. Infanterie Regi ments zum Bahnhof. Die Stadt Fürth gab bekannt, daß ihr „durch Nichtabhaltung der öffentlichen Kirchweihe ein Schaden von 15.400 Mark ent stehe, die vor dem Kriege an Platzgebühren eingingen“. Gleichzeitig berichtete die Kriegsfürsorge, daß sie im Sep tember 613.000 Mark ausge geben habe. Die genannten Summen er scheinen heute vergleichsweise niedrig, aber diese Beträge hat ten damals eine ganz andere Bedeutung. Dies läßt sich mit zwei Zahlen verdeutlichen: 1913 verdienten 80 Prozent der Fürther Steuerpflichtigen weni
Mit gemischten Gefühlen nahmen die Fürther die neuen Brot- und Getreideverordnungen auf. Der Brotpreis wurde auf 19 Pfennig das Pfund Schwarzbrot festgelegt, das nur 45 Gramm schwere Ein heitsweißbrot (heute würde man Brötchen sagen) durfte nicht mehr als 3 Pfennig kosten Seit November 1914 waren die Lebensmittelpreise drastisch gestiegen, die Stadt versuchte mit einem eigenen Lebensmit telverkauf und eben auch mit der Brotverordnung gegenzu steuern. „Im Gebiete der Stadt Fürth darf nur ein weißes und ein schwarzes Einheitsbrot her gestellt und verkauft werden“. Die Zusammensetzung von Brot und Gebäck legte die Stadt fest, vor allem die Verwendung von Weizenmehl wurde begrenzt. So hieß es zum Beispiel: „Ku chen dürfen im Stadtbezirk nur hergestellt werden, wenn sie höchstens 10 Prozent Getreide mehl enthalten“.
ger als 150 Mark monatlich, eine Dreizimmer Wohnung ko stete durchschnittlich 22 Mark Miete. Am Kirchweihmontag blieb zu mindest eines beim alten: Die städtischen Beamten und Ar beiter hatten nachmittags dienstfrei. Für die restlichen Fürther war wenig mehr gebo ten als eine groß angelegte Sammlung alten Papiers sowie von Woll- und Webzeugresten für die Kriegsinvalidenfürsorge: „Das Nahen des Sammelwa gens wird durch Glockenzei chen bekannt gegeben", (ver gleichen Sie hierzu das Titelbild des vorliegenden Altstadtbläddlas). Gleichzeitig begann eine weite re Sammlung für deutsche Kriegsgefangene in Rußland, denen durch Vermittlung neu traler Staaten Geschenke zuge leitet werden konnten: „Da der Winter vor der Türe steht, ist vor allem die Beschaffung von wol lenem Unterzeug, Wäsche und dergleichen Bedarfsgegenstän den für unsere deutschen