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Altstadtverein _______ Fürth

„Was von vorher übrig ist Die Geschichte der Familie Krautheimer Der Verein zur Förderung des Jüdischer) Museums Franken hat von einem Mitglied der aus Fürth stammenden Familie Krautheimer die bisher größte Einzelspende in der Geschichte des Museums erhalten. Mit die­ ser Spende wurde die Grundla­ ge für einen Erweiterungsbau auf dem benachbarten Grund­ stück geschaffen. Hier wird auch die Bibliothek des Muse­ ums unter dem Namen „Kraut­ heimer Studienbibliothek für jü­ dische Geschichte und Kultur“ ihren Platz finden. Aus diesem Anlaß zeigt das Jü­ dische Museum Franken in Fürth zwischen 26. November 2003 und 31. März 2004 eine Ausstellung über die Familie Krautheimer und die 1911 von ihr gestiftete Säuglingskrippe in der Fürther Oststadt, die bis 1966 bestand. Seit dieser Zeit nutzen das Helene-Lange-Gym­ nasium und die Grundschule Maistraße das Gebäude für Un­ terrichtszwecke.

Neben einer Reihe von Expona­ ten aus dem Originalinventar der Krautheimer-Krippe werden zahlreiche Dokumente und un­ bekannte Fotos aus dem Fami­ lienbesitz gezeigt. Ein besonde­ rer Blickfang der Ausstellung ist ein nahezu unbekanntes Bild des Münchner Malers Ludwig von Zumbusch (1861-1927). Das 1912 entstandene Gemäl-

Ludwig von Zumbusch .Blondchen'. 1912 (Seemann Verlag. Leipzig)

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Ausstellung .Was von vorher übrig ist...' Die Geschichte der Familie Krautheimer. Jüdisches Museum Franken (JMF)

de „Blondchen“, das Lotte Krautheimer, die damals drei­ jährige Tochter der Stifter zeigt, wird erstmals in einem Museum präsentiert. Prof. Dr. Richard Krautheimer (1897-1994), geboren in Fürth, zählt zu den bedeutendsten Kunsthistorikern des 20. Jahr­ hunderts. Nach seiner erzwun­ genen Emigration lehrte er ab 1935 in den USA. Sein Hauptin­ teresse galt den frühchristlichen Basiliken in Rom sowie der frü­ hen italienischen Kunst bis zur Renaissance. Nach seiner Eme­ ritierung lebte er in Rom, wo er die Ehrenbürgerschaft erhielt.

Ausgehend von seiner 1988 in einem Brief formulierten Ant­ wort auf die Frage nach dem Sinn eines Jüdischen Museums in Fürth nach der Schoa reflek­ tiert die Ausstellung „Was von vorher übrig ist ...* die viel­ schichtige Familiengeschichte Krautheimer.

Richard Krautheimers Mutter Martha stiftete 1911 in Erfül­ lung des Testamentes ihres ver­ storbenen Ehemannes Nathan Krautheimer 1911 die schon er­ wähnte Kinderkrippe. Ziel der überkonfessionellen Einrich­ tung. die vom St.-JohannisZweigverein geführt wurde, war es, die hohe Säuglingssterblich­ keit zu dieser Zeit zu senken und zur Entlastung erwerbstäti­ ger Frauen Säuglinge und Kleinkinder zu betreuen. Als karitative Stiftung steht die Krautheimer-Krippe in der lan­ gen Tradition sozialen Engage­ ments in der jüdischen Gesell­ schaft. Das religiöse Gebot der Wohltätigkeit (hebr. zedaka) verpflichtet den Einzelnen zu solidarischer Hilfeleistung ge­ genüber verarmten Glaubens­ genossen. Über ein wohtdurchdachtes Finanzsystem, das den Einzelnen nach seinen Möglich­ keiten belastete, entwickelte sich im 18. Jahrhundert auch in

Fürth ein auf Vereinen basieren­ des autarkes Versorgungssy­ stem.

Die 1871 erfolgte rechtliche Gleichstellung und der mit wirt­ schaftlichem Erfolg verbundene Aufstieg vieler Juden in die Schicht des Bürgertums führte zu einer verstärkten Akkulturati­ on an die umgebende Mehr­ heitsgesellschaft und zu einer Ausdehnung der Stiftungstätig­ keit auf die Gesamtgesellschatt. So entstanden neben unzähli­ gen überkonfessionellen Wohltätigkeitsstiftungen zahlreiche kulturelle und soziale Einrich­ tungen. Brunnen und Skulptu­ ren, die das Fürther Stadtbild bis heute prägen. Nach 1933 schlossen die Nationalsoziali­ sten Juden ohne formale Sat­ zungsänderungen von Stif­ tungsleistungen aus und ver­ suchten, das Wissen um die Verdienste der jüdischen Stifter zu tilgen.