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Altstadcverein Fürth _______
Verwandte in ganz Europa Der folgende Artikel entstand im August 2002 - also vor mehr als einem Jahr - anläßlich des Stadttheater Jubiläums, kam aber aus unterschiedlichen Gründen weder in den Fürther Nachrichten noch im letzten Altstadtbläddla zum Zuge. Wegwerten wollte ich ihn nicht, so daß Sie im folgenden zum 101jährigen Jubiläum einen Beitrag über das Stadttheater lesen können.
Das Fürther Stadttheater ist ein herausragendes Bauwerk in Fürth und steht exemplarisch für die Stilepoche des Historis mus, die Fürth in baulicher Hin sicht so grundlegend geprägt hat. Das Stadttheater spiegelt die Zeit seiner Entstehung wie der, ist aber auch untrennbar verbunden mit dem Architektenduo Fellner und Helmer, die für stilistische Bezüge in ganz Europa sorgten.
Zeit des Theaterbaus Die Architekten Ferdinand Fell ner (1847-1916) und Hermann Gottfried Helmer (1849 - 1919) wirkten in einem Zeitraum, der sich ziemlich genau mit der Le bensdauer des Wilhelminischen Kaiserreiches deckt. Während die Regierenden schon bald nach der Reichsgründung von 1871 über den kommenden großen Krieg nachdachten, fand das Bürgertum immer mehr Freude an Fortschritt, Wohl stand und Einkommen, mit de nen die lästigen, vermeintlich mittelalterlichen metaphysi schen Fragestellungen nach dem Sinn unserer Existenz bei seite gedrängt werden konnten. Es war aber auch die Zeit des europäischen Theaterbaus, zwi schen 1848 und dem Ersten Weltkrieg entstanden auf dem europäischen Kontinent mehr als 1500 Theaterneubauten.
Die Opera Garnier in Paris war für viele Architekten des Historismus ein Vorbild. Foto: A Mayer
Der Historismus Die zweite Hälfte des 19. Jahr hunderts und der Beginn des 20. Jahrhunderts wurde von den Zeitgenossen als eine Epo che größter Umbrüche aller Le bensbereiche empfunden. Ei nerseits herrschte in diesen Jahren ein kaum gebrochener Fortschrittsglaube, andererseits flüchtete man angesichts der immer unübersichtlicheren, oft als „heillos“ empfundenen Ge genwart in eine mythisch ver klärte Geschichte. Der Spagat zwischen rationaler Technik und vielfach irrationaler Gei steshaltung, die sich in entspre chender Stilistik ausdrückte, kennzeichnete nicht nur die Ar chitektur jener Jahre, sondern auch das Lebensgefühl und da mit die ganze Kultur der Epo che, was ideologisch haarsträu bende Folgen haben sollte. Architektonisch waren die Fol gen dagegen eher liebenswert und landen ihren Ausdruck im Historismus. Der Historismus sucht die Aussage einer ver gangenen Stilform, die sich wiederum aus mehr oder min der fundierten Geschichts
kenntnissen ableitete. Die italie nische Protorenaissance galt als Sinnbild für die wohlhaben den italienischen Städte in der Übergangszeit vom Mittelalter zur Neuzeit und wurde folge richtig im Fürther Rathaus zi tiert. Das Barock repräsentierte Macht. Wohlstand und Würde, so griffen wohlhabende Bürger die alten Repräsentationsfor men auf, um dem neuen Geld den Anstrich von Herkommen und Alter zu geben. Der Rekurs auf die griechische Antike ver wies auf das Ideal der Demo kratie und des Gemeinschafts geistes, aber vor allem auch auf die Anfänge des Theaters. Ba rock und griechische Antike werden in der Fassade des Fürther Stadttheaters ausgiebig zitiert, bei der thronenden alle gorischen Frauengestalt - an hand der dreisaitigen frühgrie chischen Leier wohl als Muse zu identifizieren - scheint mir etwas Jugendstil und Symbolis mus anzuklingen, die teilweise in der Tradition des Historismus zu sehen sind, andererseits aber auch schon eine Gegenbe wegung darstellen. Feliner&Helmer gestalteten die
ganz überwiegende Zahl ihrer Theaterfassaden in der Art einer antiken „Tempelfront" mit Gie bel, in Fürth unterbrochen durch einen von „korinthischen" Säulenpaaren gestütztem Por talbogen.
Geschichte des
Theaters Nun hatte der Rekurs auf den griechischen Ursprung des Theaters viele Bruchstellen, vor allem hatten im antiken Athen noch die ganze freie Einwohner schaft im Dionysostheater Platz, der Geburtsstätte der Tragödie. Nahebei im Olympieion finden sich noch heute erhaltene ko rinthische Säulen, deren Bau form am Fürther Stadttheater zitiert wurde. Das griechische Theater war zunächst tief im Kult eines Got tes verwurzelt, aber schon das römische diente nur mehr der Unterhaltung. Im Mittelalter mußte für das Theater wieder ein neuer Ansatz gefunden wer den, sie bot sich in Oster- und Weihnachtsspielen, die dem Volk das Evangelium nahebrin3