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Altstadtverein _______ Fürth

Fränkisches Jerusalem Ade? Im Heft 37 brachten wir ein „Abschiedsin­ terview“ mit Bernhard Purin. Seit nunmehr zwei Jahren hat Dani­ ela Eisenstein die Lei­ tung des Jüdischen Museums Franken in Fürth übernommen. Inzwischen ist das Museum in eine finan­ zielle Krise geraten, die diese Einrichtung in ihrer Existenz als in­ ternational anerkann­ te Institution bedroht. Stadtheimatpfleger Alexander Mayer sprach mit der Muse­ umsleiterin.

Geschichte und Kultur erinnern, also sie zu er­ forschen, zu bewahren und zu vermitteln, aber auch die Aktualität und Vielfalt jüdi­ schen Lebens heute zu zei­ gen. In Franken wie in Schwa­ ben gab es ein besonders rei­ ches jüdisches Leben, wie es in anderen Tei­ len Deutsch­ lands nicht un­ bedingt der Fall war. Fürth ent­ Frau Eisenstein, wie wickelte sich fühlen Sie sich hier in nach der Ver­ Fürth, haben Sie sich treibung der eingelebt? Daniela Eisenstein leitet das Jüdische Museum Fürth Franken. Foto: A. Mayer Juden aus Ich habe mich in der Nürnberg 1499 Zwischenzeit gut ein­ gelebt. Die Arbeit ist erfolgreich, Andere Schwerpunkte der Mu­ zu einem wichtigen Zentrum jü­ dischen Lebens in Süddeutsch­ wir haben ein neues Kapitel auf­ seumsarbeit? geschlagen, alte Streitereien Die Vermittlung per se. Das land. haben sich erledigt. Ich habe heißt Wechselausstellungen auch kein Interesse, an Diskus­ und Veranstaltungen. Darüber Wie sehen Sie unser Museum sionen anzuknüpfen, die ich hinaus müssen wir uns stärker im nationalen Vergleich? persönlich nicht miterlebt habe. mit der Provenienzforschung Drei jüdische Museen spielen in Das wäre eine Verschwendung und der genealogischen For­ der Oberliga, wenn ich das so von Energie. Die sollten wir schung beschäftigen, sofern die ausdrücken darf. Zunächst na­ stattdessen lieber in die Muse­ Mittel hierfür gesponsert wer­ türlich Berlin, dann ist Frankfurt den können. umsarbeit stecken. zu nennen, das erste jüdische Museum in Deutschland, und Was sind die Schweipunkte der Wie würden Sie die Stellung das Jüdische Museum Franken Museumspädagogik mit Schu­ und die Geltung unseres Muse­ Fürth und Schnaittach. Mün­ chen wird nach seiner Eröff­ len und Jugendlichen am Jüdi­ ums einschätzen? schen Museum? Das Museum nimmt in der re­ nung in drei Jahren ebenfalls Es gibt drei Schwerpunkte, er­ gionalen Bildungs- und Kultur­ eine prominente Rolle spielen. stens die Vermittlung der jüdi­ landschaft eine einzigartige schen Geschichte und zweitens Stellung ein. Wir leisten in der Wie wird das Fürther Museum des jüdischen Lebens. Drittens Bildungsarbeit, der museums­ international wahrgenommen? über das spezifisch jüdische pädagogischen Vermittlung jü­ Die Ausstellungskonzeption hat Thema hinaus die didaktische discher Geschichte und Kultur in internationalen Fachkreisen Anbindung an aktuelle Fragen gerade bei Jugendlichen und hohe Anerkennung gefunden • kulturell - religiöser Minderheiten Schulen Pionierarbeit. Ein jüdi­ Sowohl inhaltlich wie auch äs­ in Deutschland. Gerade heute, sches Museum in Deutschland thetisch ist die Konzeption Jüdi­ also in einer Zeit, in der Rechts­ hat einen völlig anderen Stellen­ sches Museum Franken hervor­ extremismus und Antisemitis­ wert wie ein entsprechendes ragend. Ich erhalte auf interna­ mus wieder in zunehmendem Museum in den USA. In tionalen Kongressen stets ein Maße beunruhigen, ist die Ar­ Deutschland besteht das Be­ hervorragendes Echo. So zuletzt beit mit Jugendlichen und dürfnis, Einrichtungen zu schaf­ in New York und Berlin auf der Schulen sehr wichtig. fen, die an die einstige jüdische Tagung des Council of Ameri­ 10

can Jewish Museums und der Association of European Jewish Museums.

Reicht es aus. überwiegend das reiche jüdische Leben darzu­ stellen, vielleicht sind die Reak­ tionen der Umwelt gerade in Deutschland wichtiger? In Bezug auf die NS-Zeit ergän­ zen sich das Dokumentations­ zentrum in Nürnberg und das Jüdische Museum Franken. Während das Dokumentations­ zentrum die „Täter“-Perspektive thematisiert, bieten wir eine innerjüdische Sicht. Ich setze hier auf eine verstärkte Koope­ ration durch gemeinsame Ver­ anstaltungen, Symposien und ähnliches. Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem reichen jüdi­ schen Leben in Franken und den sehr hohen Wahlergebnis­ sen der NSDAP in Franken? Ich kann da kein abschließen­ des Erklärungsmuster abgeben. Ein Phänomen des Antisemitis­ mus ist, das er auch ohne Ju­ den funktioniert. Tatsache ist jedoch, dass die reiche jüdische Geschichte Frankens zerstört wurde. Als Jüdisches Museum sehen wir es als unsere Aufga­ be. an diese Geschichte zu erin­ nern. Wichtig dabei ist, dass sie nicht losgelöst, sondern als in­ tegralen Teil der deutschen Ge­ schichte vermittelt wird. Man kann das beispielsweise sehr gut in der Alltagsgeschichte de­ monstrieren, so etwa anhand von Sprachgewohnheiten, wie etwa in Franken das „Lachoudisehe“, aber auch anhand der Beteiligung deutscher Juden am politischen, gesellschaftli­ chen und kulturellen Gesche­ hen in Deutschland. Wie ausgeprägt war die vielzitierte Fürther Sonderstellung? Die ursprüngliche Bezeichnung bayerisches Jerusalem war nicht positiv behaftet, Der Wie­ ner Satiriker Saphir beschrieb