Altstadtverein Fürth _______
Fürth abfällig als „bayerisches Jerusalem“. In den 1980er Jah ren wurde der Begriff von den Medien entdeckt. Schließlich setzte sich der Begriff „Fränki sches Jerusalem“ durch, dies mal mit einer positiven Konno tation. Ein gutes Beispiel, das eindrucksvoll demonstriert, wie jüdische Geschichte und Kultur heute als Projektionsfläche funktionieren kann. Fürth war und ist ein Ort, an dem kulturellreligiöse Minderheiten leben. Diese Erfahrung prägt eine Stadt - macht sie aber nicht au tomatisch toleranter als andere Städte. Zurück zum Museum, welche Funktionen soll es erfüllen? Es soll sammeln, bewahren, forschen und vermitteln. Leider gibt es bei manchen nach wie vor die antiquierte Vorstellung: Dass in einem Museum Objekte in Vitrinen stehen und das war es dann. Museen sind jedoch mehr, sie sind .Kommunikati onszentren". Hier kann man sich weiterbilden, sich austau schen, recherchieren, forschen anhand von Ausstellungen und Veranstaltungen, mit einem Be such der Bibliothek, der Nut zung des Archivs und fachliche Auskünfte der wissenschaftli chen Mitarbeiter.
Ist der projektierte Anbau illuso risch geworden, welche Funk tionen könnte er erfüllen? Der Anbau würde auch optisch die Einheit von Ausstellungsbe reich, Bibliothek. Archiv und wissenschaftlicher Arbeit nach außen tragen. Gerade die Bi bliothek wird sehr oft von Wis senschaftler aus dem In- und Ausland, aber auch interessier ten Fürther Bürgern genutzt. Falls die Stadt Fürth bauen möchte, so habe ich bereits meine Bereitschaft signalisiert, bei der Spendenakquise mitzu wirken. Der Anbau könnte im Rahmen der „sozialen Stadt“ realisiert werden. Das hieße, 60% der Kosten würden sub ventioniert werden. Die Ent scheidung müsste noch dieses Jahr fallen, sonst verfällt diese
.Dem Andenken..' Foto: Markus Köhler.
Möglichkeit. Das Grundstück würde dann noch über Jahre eine häßliche Lücke in der Stadtlandschaft bilden.
Inwieweit bedrohen die diversen finanziellen Kürzungsvorschläge die Arbeit des Museums? Es liegen derzeit drastische Kürzungsvorschläge vor. Schon jetzt sind wir unterbesetzt, schaffen es jedoch die Kernbereiche unsere Arbeit mehr oder weniger abzudecken - von der personellen Besetzung gleichen wir einem Wagen mit vier Rei fen ohne Ersatzrad. Wenn ich den Wagen fahren will, kann ich keinen Reifen abmontieren. Kürzungen habe ich bereits letztes Jahr vorgenommen. Jede weitere Kürzung gefährdet den Fortbestand der Museums arbeit und käme einer verzöger ten Schließung gleich. Das heißt keine Wechselausstellungen, keine Veranstaltungen und Bil dungsarbeit. Ein Museum, das nur noch am Wochenende ge öffnet hat. Unser Museum hat nun Mal eine bestimmte Größe mit seinen zwei Häusern in Fürth und in Schnaittach. Insge samt bespielen wir 750 Qua dratmeter Ausstellungsfläche ich kann nicht einfach eine Ecke
abreißen und es kleiner ma chen. Ich hoffe, dass die verant wortlichen Politiker, in den kommenden Hauhaltsklausuren eine vernünftige Entscheidung treffen, das Museum auf ein ge sundes finanzielles Fundament zu setzen, damit wir Planungs sicherheit haben. Fürth wäre übrigens das erste Jüdische Museum in Deutschland, wo das Leistungsspektrum so dra stisch eingeschränkt werden würde.
Böse Zungen behaupten, man che wollen aus dem Museum ein ehrenamtliches Heimatmu seum mit jüdischem Schwer punkt machen. Abgesehen da von: Im Rundfunkmuseum gibt es außer dem Leiter keinen wis senschaftlichen Mitarbeiter [siehe gesondertes Interview, Anm. Red.]. Was sagen Sie dazu? Im Gegensatz zum Rundfunk museum oder anderen kulturhi storischen Museen bewegen wir uns bei der Erforschung und Vermittlung jüdischer Geschich te und Kultur auf emotionalem Terrain. Ehrenamtliche Mitar beit an Museen ist ohne Frage eine Bereicherung, aber die in haltliche Arbeit muss professio
nell betrieben werden. Das heißt mit Mitarbeitern, die die entsprechende wissenschaftli che und museumspädagogi sche Ausbildung haben. Nur so kann annähernd die objektive Distanz zum Forschungsobjekt garantiert werden Stellen Sie sich vor, wir würden statt aus gebildete Ärzte oder Anwälte, Leute in den Krankenhäusern und den Gerichtssälen einset zen, die keine universitäre Aus bildung haben, sondern alles im Selbststudium erlernt haben?
Sehen Sie angesichts der gene rell schlechten Allgemeinstim mung in Deutschland auch eine abnehmende Lust, sich dem „leidigen“ Thema Judentum zu widmen? Nein, ich sehe in der deutschen Gesellschaft nach wie vor ein großes Bedürfnis, sich mit der Geschichte und Gegenwart jüdi scher Kultur zu beschäftigen. Es ist auch allemal verständlich, wenn sich Deutsche für die NSGeschichte und der Schoa in teressieren. Denn sowohl die schönen wie auch die Schatten seiten der Geschichte gehören zur nationalen Identität eines Landes. Interview: Alexander Mayer