Altstadtverein _______ Fürth
Der Pfarrhof Unser Haus gehörte zu den Häusern, die rund um den Pfarrhof (das Pfarrhöfla) stan den. Der Hof enthielt die Pfarr gärten und einen Hof, auf dem ein Wagner, Beuschel, sägte und hämmerte. Sein Holzvorrat, die Balken, diente uns als Sitz und zur Erprobung unserer Klet terkünste. Beim Klettern über Balken und Wagen kamen Ho sen und Hände nicht selten mit der dort unvermeidlichen Wa genschmiere in Berührung, nicht zur Freude der Mutter. Der Hof diente der Länge nach als Durchgang von der Gustavstraße zur Pfarrgasse, war aber im übrigen ganz abgelegen vom Verkehr, der ja damals über haupt noch nicht viel bedeutete. Der Länge nach veranstalteten wir auch manchmal Wettläufe. Die paar Leute, die ihr Weg hier durchführte, waren uns fast alle bekannt und sind mir noch gut im Gedächtnis. Die „Gestalt" ei ner Oettelsauer Schülerin, mit unförmlichen, schwarzen Radhut und Shawl; der Austräger einer christlichen Zeitschrift, der im Pfarrhof aus Achtung vor dem geistlichen Stande nur mit abgezogenem Hute lief; der Ba der Beck, der viel Seifenschaum aus seinem Schälchen auf die Straße schleuderte, wenn er Herrn Beuschel, den Wagner meister und Veteranen von 1870/71 rasiert hatte, der Schnittwarenhändler Raab mit seinem Kaiser-Wilhelm-Bart, auf dem Weg in seinen Garten am Espan; der Herr Schutz mann Meisel, Vater vieler Kin der im „roten Haus“, dessen Frau von ihrer Wohnung aus (in der Pfarrgasse) einen schönen Überblick über den Pfarrhof hal te. „Rauf. Kaffee! Wer kann moch, kann drunt bleim.“ Die Frau Beuschel, bleich und schwerhörig ging ganz auf in unaufhörlichem Schaffen und Putzen für die Familie. Sie war eine edle Seele und opferte sich auf, froh, wenn sie ihren älte sten Sohn Johannes ausbürsten durfte. Ihre einzige Ruhestunde 4
Pfarrhofam 16. April 1949. Foto: Vitzethum.
war vielleicht am Sonntag Nachmittag 2-3 Uhr. Da war sie immer im Nachmittagsgottes dienst.... Aus dem hohen Dachfirst des 1. Pfarrhauses ragte ein Schlot, eine Art Kasten, den Blechdekkel des Kastens konnte man von innen heben und offnen und stand dann da oben wie in einem Aussichtstürmchen. Wenn auch die Besteigung die ses „Juchhes" der Besteigung des Kirchturms nicht gleich kam, eine große Gaudi war es doch, wenn uns Gerhard (Lind ner) mit hinauf nahm und wir dann von oben denen im Gar ten und Hof zuschreien und zuwinken konnten und zuschau en, wie die Beuschelsfrauen „die Gass“ kehrten oder der Konrad mit einem schweren Hammer auf ein werdendes Rad einschlug. Wenn wir den Michaelsturm
bestiegen, dann war auch Ger hard der Führer. Ein Hauptspaß war es, wenn man sich nach dem Läuten an den Glockensei len hoch emporziehen ließ, bis die Schwingungen der Glocken aufhörlen. Vom Kranz aus schaute man auf den Kirchplatz hinunter, wo in der Pause Schulkinder wimmelten, und über die Schulhäuser weit hin aus ins grüne Pegnitztal, die Ludwigsbrücke entlang bis zum „Batzenhäusla“ jenseits des Pegnitztales. Vor unserer Zeit, bevor die Ludwigsbrücke gebaut war, konnte man sich bei Über schwemmungen um einen „Bat zen" übersetzen lassen zur Stadt, zu unteren Fischergass. Noch weiter drüben im Osten schaute die Kirche von Poppen reuth herüber. Dahinter wieder sah man Burg und Kirchturm von Nürnberg aus den Häusern ragen.
Fürth damals In der nördlichen Stadt, um die Michaelskirche, beim alten Rentamt, in der Gustav- und der unteren Königsstraße, am Schöißanger, da wohnten die armen Leute, Fabrikarbeiter und kleine Gewerbetreibende. Wenn man mittags von der Schule heimkehrte, waren die Straßen erfüllt von Arbeitern, die im Sturmschritt nach Hause strebten, um in ihrer Wohnung schnell zu Mittag zu essen und dann wieder dem Arbeitsplatz zuzustreben; wer den eiligen Männern nicht schnell genug Platz machte, konnte schon ein mal unsanft zur Seite gescho ben werden. Denjenigen Vä tern, deren Arbeitsplatz gar zu weit entfernt war, brachten die Frau oder Kinder das Essen in Tragtöpfen. Fahrräder hatten die Arbeiter damals noch nicht.