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«________________ Das Leben im frühen Mittelalter Ab wann man vom Ende der Antike und vom Beginn des frühen Mittelalters sprechen kann, ist umstritten - sicher ist aber in die­ sem zeitlichen Zusammenhang der Stammesverband der Franken zu nennen, der sich in der Endphase des römischen Reiches in der Gegend am Niederrhein etabliert. Ursprünglich ein loser Zusammenschluss verschiedener germanischer Ver­ bände, wachsen sie unter dem Herrschergeschlecht der Merowinger ab dem Ende des 5. Jahrhunderts zu einer starken Macht heran. Sic erobern in der Folgezeit große Teile Galliens und dehnen Ihr Einflussgebiet im 6. bis 8. Jahrhunderts durch Landnahme auch auf die Landschaften an Rhein und Main aus. Hierzu gehören Teile der Region, die uns heute als „Franken“ bekannt ist. Die Könige der Merowinger geben also einer ganzen Epoche

Alt stad tvere in Fürth

von Anke Mattern-Davis

ihren Namen - sie selbst verlieren jedoch zunehmend an Einfluss und werden zu „Marionettenkönigen“. Die eigentliche Macht wird von den Hausmeicm, den Verwalter des Reiches ausgeübt. Mitte des 8. Jahrhunderts werden aus Stellvertretern selbst Herrscher: Pippin der Jüngere, ein Karolinger, wird zum König der Franken gesalbt. Der bedeutendste Vertreter der Karolinger ist sicher Karl der Große; er wird im Jahre 800 in Rom vom Papst zum Kaiser gekrönt. Gegen Ende des ersten Jahrtausends kann man - wenn auch dies umstritten ist - vom Ende des frühen Mittelalters sprechen. Die Kaiser stellen jetzt die Ottonen, ein sächsisches Adelsgeschlecht; so beendet Kaiser Otto 1. im Jahr 955 die verheerenden L'ngamcinfällc mit der Schlacht auf dem Lechfeld und konsoli­ diert damit das Reich.

Das Lehenswesen - Gesellschaftliche Strukturen im frühen Mittelalter Die Entwicklung

Zur Zeit der Merowinger ist die Gesellschaft aufgeteilt in eine höhergestellte Schicht der „Edlen“ und der freien Bauern, Hörigen und Sklaven, die in ver­ schiedenen Abhängigkeitsgraden an die Mächtigeren gebunden sind. Jedoch gilt noch der alte germanische Grundsatz des freien Bauern-Kriegers, der mit dem Schwertrecht auch ein Selbstbestim­ mungsrecht besitzt. Er zieht im Kriegsfall mit seinem Gefolgsherm in den Kampf. Für Ausrüstung und Verpflegung muss er dabei selber aufkommen. Dies ändert sich in frühkarolingischer Zeit. Kriegszüge finden häufiger statt und die Gesellschaft differenziert sich in zunehmendem Maße. Kleinen Bauern fällt es schwer, die kostspielige Be­ waffnung der Reiterkrieger zu finanzie­ ren. Außerdem sind sie durch die Intensivierung der Landwirtschaft stärker an Haus und Hof gebunden. Der Pflicht zur bewaffneten Teilnehme an Kriegs­ zügen können sie sich entziehen indem sie sich in die Abhängigkeit von adligen Grundherren und Klöstern begeben. Recht und Pflicht zur eigenen Ver­ teidigung entfällt, sie müssen sich aber dafür zur Abgabe von Naturalien und Dienstleistungen verpflichten und sinken damit zu Hörigen herab. Einigen, bereits wohlhabenderen Bauern dagegen bietet sich durch die Kriegszüge die Chance, ihren Wohlstand durch Erwerb von Beute und Land noch zu ver­ größern. Sie erweitern ihre Macht und können in den Adel aufsteigen. Hörige und Freie

Die Mehrzahl der Landbevölkerung zur Zeit Karls des Großen besteht aus

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Hörigen. Dies geht von einer moderaten Abhängigkeit bis zu einem de facto sklavcnähnlichen Dasein. Oft ist der Unfreie an den Grund und Boden gebunden, den er bewirtschaftet und kann nur mit die­ sem zusammen veräußert werden. Hörige haben kein Waffenrecht und werden juris­ tisch als Sache betrachtet. Auch äußerlich ist der Unterschied zu den Freien durch eine kurze Haartracht sichtbar. Der kleine freie Bauer ist, obwohl rechtsund gerichtsfähig, durch Missernten und Schuldknechtschaft ständig in Gefahr, seinen freien Status an einen Grundherrn (Adel oder Klerus) zu verlieren. Die Zugehörigkeit zu seinem Stand ist dem Menschen durch Geburt vorgegeben. Dennoch gibt es auch in der frühmittelal­ terlichen Gesellschaft eine gewisse gesellschaftliche Mobilität. So kann ein Höriger durch einen rechtlich bindenden Akt von seinem Herm freigelassen wer­ den. Auch wenn ein Unfreier den geistli­ chen Laufweg einschlägt, muss er spätes­ tens mit der Priesterweihe freigelassen werden, denn ein Diener der Kirche darf offiziell keinen weltlichen Herrn über sich haben. Die Tatsache, ob jemand „frei“ oder „unfrei“ ist, sagt jedoch nicht unbedingt etwas über seine wirtschaftlichen Ver­ hältnisse aus. Ein höriger Bauer kann durchaus einen großen Hof bewirtschaf­ ten und auch Knechte und Mägde für sich arbeiten lassen. Die Grund Herrschaft

In der Karolingerzeit ist die Grund­ herrschaft das vorherrschende Prinzip, der Fronhof oder Wirtschaftshof das Zentrum eines bäuerlichen Wirtschafts­ raumes,

Die Grundherrschaft bedeutet das Verfügungsrecht über alle Personen (munt), Sachen und Rechtstitel (gewere) dieses Herrschaftsgebietes. Dennoch steht diesem Recht auch die Pflicht zur verantwortungsvollen Nutzung und dem Schutz der ihm anvertrauten Güter und Menschen gegenüber. Auch die Gerichts­ barkeit und somit das Gewaltmonopol liegt beim Grundherrn. (Abb. 1) Diesem Grundherren (Grundholden), einem Adeligen oder Kloster, sind die unfreien Bauern abgabepflichtig, einmal durch den „Zehnten“ also einem Zehntel der Ernte, sowie durch Abgabe von wei­ teren Naturalien und durch Arbeits­ leistungen auf dem Herrenhof. Diese Abgaben an den Grundherrn sind genau bestimmt und verzeichnet: .. Wuljärl ist ein abhängiger Mensch, ..... Er hat 10 Maß Wein Kriegsabgaben zu zahlen und drei Maß Wein sowie ein Ferkel für die Erlaubnis, sein Vieh auf der Wiese des Klosters zu weiden. Für seinen Landbesitz ist er verpflichtet, des Herrn Feld zur Winter- und Früh­ lingssaat aufzupflügen. Er muss das reife Korn vom Felde schaffen, er muss für den Herrn Holz fällen, muss Korn und Holz auf den Hof fahren, aufdem Hofarbeiten, soviel man ihm zu arbeiten befiehlt. Außerdem hat er dem Herrn in jedem Jahr drei Hühner und fünfzehn Eier zu liefern. Befielt man ihm. Wein zu fahren, hat er auch das zu tun. Aus dem Walde soll er 100 Schindeln auf den Hof brin­ gen. Auf der Wiese hat er ... Gras zu mähen. “ (Aus der Abtei St. Germain, aus

dem 9. Jahrhundert) Zum eigentlichen Grundhof gehört ein Landbesitz, der vom Grundherrn mit Hilfe der abgabepflichtiger Bauern