Seite:Altstadtblaeddla 042 2008.pdf/43

Diese Seite wurde noch nicht korrekturgelesen.

Altstadtverein Fürth

42/08

Die U-Bahn und der Denkmalschutz Die Kritik des Altstadtver­ eins St. Michael e.V. wendet sich nicht generell gegen die UBahn, sondern bezieht sich auf den Abriss der Gebäude Würz­ burger Straße 1 (in Fürth bes­ ser unter dem Namen „Fischhäusla“ oder „Cafe Wasser­ mann“ bekannt) sowie der An­ wesen Ludwig-Erhard-Straße 2 („Cafe Fürst“) und 4. Die Ge­ bäude stehen unter Denkmal­ schutz. Das zur Debatte stehende Haus Ludwig-Erhard-Straße (ehemals Sternstraße) 2 wur­ de in de zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erbaut und ist damit älter das Rathaus. Das Cafe Fürst selbst wurde am 24. Februar 1869 eröffnet, besteht also über 125 Jahre. Im Keller des Nachbarhauses Ludwig-Erhard-Straße 4 (auch lange Zeit im Besitz der Fami­ lie Fürst, soll auch abgerissen werden), einem Sandsteinbau aus dem Jahre 1887 im Stil der Neu-Renaissance, findet man einen alten Gang in den anste­ henden Sandsteinuntergrund. Der wohl etwas überspannten (Familien-) Sage nach soll das ein Schacht sein, der zur Zeit des 30 jährigen Krieges bis zur Alten Veste führte. Aber es könnte vielleicht der Eingang zu einer jüdischen Mikwe (ri­ tuelles Tauchbad) sein. Das Cafe Fürst entwickelte sich nach dem Zweiten Welt­ krieg zu einem Kristallisati­ onspunkt für Kultur und Po­ litik. In den meisten Groß­ städten waren die Theater und Schauspielhäuser zerstört, nicht so in Fürth. Viele Schau­ spieler fanden sich deswegen zwecks Broterwerbs in Fürth ein, weil dort außer dem Stadt­ theater viele kleine Bühnen wie zum Beispiel der Kristall­ palast in der Pfisterstraße unzerstört blieben. In Fürth trafen sich Grete Weiser, Hans Richter, Hedi Finkenzeller,

Carl Löwitz und Theo Lingen, um nur einige Namen zu nen­ nen. Die genannten Schauspie­ ler hatten ihren Stammtisch im Cafe Fürst und verprassten hier ihre Brotmarken. Gegenüber dem Cafe Fürst befindet sich das Anwesen Nr. 5: Geburtshaus von Ludwig Erhard. Der traf sich nach ge­ taner Arbeit nachmittags re­ gelmäßig mit seinem Duz­ freund Max Grundig im Cafe Fürst zum Karten- und Billard­ spielen. Auch Gustav Schicke­ danz, der Begründer des Ver­ sandhauses Quelle, war ein al­ ter Freund von Karl Fürst seni­ or. Max Grundig eröffnete im Haus Nr. 4, wozu er aufgrund

Opfer der U-Bahn: LudwigErhard-Straße 2 und 4 (Repro AB 29/1994)

seines Alters einen Vormund brauchte. Erst später wechsel­ te Grundig in die Schwabacher Straße Nr. 1, wo noch bis vor kurzem ein Radiogeschäft zu finden war. Die (Fürst-) Bekanntschaft mit Ludwig Erhard legte mit einen Grundstein zum kome­ tenhaften Aufstieg des Hauses Grundig: Erhard als Wirt­ schaftsminister sorgte dafür, dass Grundig den Zugriff zu einem Wehrmachtslager mit Elektroröhren erhielt, und das zu einem Zeitpunkt, als die Konkurrenz mangels Röhren noch gar nicht produzieren konnte. Das Aus für drei Generati­ onen Cafe Fürst wurde 1986/87 eingeläutet. Die Fürther Stadt­ verwaltung forderte Karl Fürst auf, das Haus im Rahmen des

Denkmalschutzes zu renovie­ ren. Dieselbe Stadtverwaltung übrigens, die heute das Cafe Fürst abreißen will. Die drin­ gend notwendige Renovierung wurde aufgrund der Auflagen des Denkmalschutzes für die Familie Fürst unerschwing­ lich. Karl Fürst verkaufte das Haus im Frühjahr 1988 an die Stadt Fürth. Das Vorgehen der Stadt lässt unseres Erachtens tief blicken: Man stellt Häu­ ser- wie die genannten Anwe­ sen Ludwig-Erhard-Straße 2 und 4 - unter Denkmalschutz, so dass den Besitzern die Re­ novierung zu teuer kommt, kauft sie billig auf und reißt sie dann ab. Auch das Anwesen Würz­ burger Straße 1 ist mit gelebter Fürther Geschichte verbun­ den. weiter auf Seite 42 ►

41