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das gleichzeitig ein hohes Maß an Ehrlichkeit. Unnahbare Menschen habe ich hier noch keine getroffen - im Gegenteil. Eigentliche sind alle ansprechbar, egal, ob der Schuh arg oder gar nicht drückt. Das beginnt spätestens zum Grafflmarkt: Frau Wirtin linkerhand der Werkstatt steht mit dem Klebeband auffor­ dernd in der Tür, um gemein­ sam unseren Platz einzuteilen und um anschließend darauf aufzupassen. Die Mannschaft des Cafes rechterhand der Werkstatt hilft mir, die Töp­ ferscheibe zwecks Vorführung „in den Brunnen“ zu transpor­ tieren. Und überhaupt - der Brun­ nen! „Spielplatz“ für Jung und Alt! Sei es, um darin zu plant­ schen, im Vorübergehen kurz die Hand unter den Wasser­ strahl zu halten oder abends auf den „Gewichtssteinen“ ein „sit in“ abzuhalten. Sitze ich in der Werkstatt an der Dreh­ scheibe, ist es interessanter als vor dem Fernseher - immer ist etwas los! Die Brunnenkrönung

Eines Tages im Sommer blicke ich von meiner Arbeit auf und sehe den Brunnen in einem ein­ zigartigen Kleid; eine Schaum­ krone verteilt sich von der Hand ganz oben über die beiden Scha­ len. Drei männliche Grazien, im Brunnen sitzend, genießen das Fußbad; ihre Schuhe ste­ hen abseits im Trockenen. Als sich die Szenerie aufgelöst hat­ te, entdeckte ich auf dem Ge­ wichtsstein des Brunnens ein Gläschen mit grüner Flüssigkeit und damit auch des Rätsels Lö­ sung: Spüli! „Heinz dein Brun­ nen schäumt über“ unterrichte­ te ich kurz darauf über Telefon den Brunnenbauer. Er reinigt den Brunnen alle zwei bis drei Wochen, was etwa dreiviertel Stunde in Anspruch nimmt -

mit zwei bis drei Mann Werk­ stattpersonal, natürlich auf ei­ gene Kosten! Ausverleibungen

An diese Kehrseite der Me­ daille denkt freilich keiner, wenn beispielsweise der letz­ te Schluck Bier, anstatt ein­ verleibt zu werden, dem Was­ serkreislauf des Brunnens an­ vertraut wird. Auch „Ausver­ leibungen“ konnten beobach­ tet werden, allerdings nur bei einem jüngeren Mitbewohner, offenbar als Mutprobe in aller Öffentlichkeit! Spaß bereitet es auch, mit Einwegtaschentüchern die Abflussöffnungen zu blockie­ ren. Das überlaufende Wasser nimmt seinen weg zum nächs­ ten Gulli (eine Art Selbstrei­ nigung, wenn man es so be­ trachten will). Keinen Spaß bereitet es, wenn ich die klei­ nen Brunnenverstopfer zwecks Entschuldigung und Gelöb­ nis, es nie wieder zu tun, in die nahegelegene Ladengale­ rie des Brunnenbauers beglei­ te. Das sind beispielsweise die Momente, in denen an meiner Werkstatt-Tür das Schildchen „bin sofort wieder da“ hängt. Waagplatz ist kein Müllplatz

Alle kleinen Kinder stecken ihre Hände ins Wasser. Einmal

kam eine Muter empört zu mir in den Laden und zeigte mir Glasscherben, die sie aus dem Brunnen gefischt hatte. Sie bat mich, die Scherben in meinen Mülleimer zuwerfen, weil sie draußen keinen Papierkorb fand. In unmittelbarer Nähe des Brunnens wäre das wohl eine sehr zweckmäßige Einrichtung (aber optisch bitte angepasst), denn nur zu oft denke ich mir: Der Waagplatz ist doch kein Müllplatz! Alle Anlieger des Waag­ platzes und der Waagstraße sind an einer Aufwertung ih­ rer Umgebung interessiert. Es wird Zeit und Geld investiert, um entsprechende Ideen zu verwirklichen und um das Er­ reicht instand zu halten. Den meisten Menschen, die durch die Waagstraße kommen, fällt dies auch auf. „Jedes Mal, wenn ich durch komme, gibt es etwas Neues (Baum, Brunnen, Blu­ men), das den Platz verschö­ nert“. „Früher kam ich selten hier vorbei, aber jetzt macht es richtigen Spaß, auch hier ein­ zukaufen“. Einige aber zeigen kaum Verantwortung für Allgemein­ gut. Kehren Anlieger Gehsteig und Straße, so wird das spä­ testens beim nächsten Wind­ stoß „belohnt“. Der Müll ist nicht klein zu kriegen, Papier­

Altstadtverein Fürth

links: „Exotisches Warenangebot in der Waagstraße“, oben: Das kleinste Haus. (Repro AB 20/1985)

und Plastikberge türmen sich in den Winkeln und Ecken der Straße; auch mutwillig zer­ schlagene Glasflaschen gehö­ ren dazu! Waagplatzrandale

„Helden“ rasen durch die Stra­ ße und fahren möglichst mit lauter quietschenden Rädern als ihr Kumpel los, nicht we­ nige Blumen aus Pflanzenkäs­ ten müssen frühzeitig ihr Le­ ben lassen, um fünf Schritte weiter achtlos weggeworfen zu werden. Oft scheint es, als wür­ de den „Müllmachern“ ihre Tat erst bewusst, wenn man sie darauf anspricht. Meist zeigen sie sich einsichtig. Aber das gibt es auch: Kin­ der fordern sich gegenseitig nach dem Spielen dazu auf, den entstandenen Unrat ein­ zusammeln. Erwachsene benetzen in der Sommerhitze ihre Stirn mit Brunnen-Naß und die glei­ chen Kinder rufen sofort“ das darf man nicht trinken, das ist nämlich kein Trinkwasser“. Spaziergänger verweilen, den Platz betrachtend, und unter­ halten sich über den Brunnen weiter auf Seite 52 >

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