Auch mit den Einnahmen seines Wirtschaftsbetriebs sei es nicht weit her. In einer Liste mit den Mitgliedern der freien religiösen Gemeinde wird Stockert Ende 1859 bestätigt, dass er „ganz ohne Vermögen“ sei und sich vom Betreiben seiner Wirtschaft und dem Kompassverfertigen nur „kümmerlich“ ernähren könne.168 Ähnlich äußerte er sich im Juni 1860: „Mein Geschäft als Compaßmacher liegt ganz darnieder und der Betrieb der Bierwirthschaft wirft nicht so viel Gewinn ab, daß ich meine Familie, bestehend aus einer Frau und 6 Kindern erhalten kann.“169 Deswegen habe er sich zweimal um eine Konzession zum Betrieb einer Garküche beworben, doch dies sei ihm abgeschlagen worden. Lorgnetten sind Brillen, die an einem Stil gehalten werden. 1866 wollte Stockert mit Marcus Schelter (16.04.1835–08.11.1871), einem Hersteller von Lorgnetten, zusammenarbeiten, was ihm jedoch ebenfalls nicht gestattet wurde:170 Christoph Stockert zeigt an, daß er mit dem Lorgnetten-Verfertiger Marcus Schelter in ein Assoziations-Verhältnis getreten sei, und mit demselben in Compagnie seine Wirtschaftskonzession auszuüben gesonnen sei, was jedoch unter Hinweisung auf die einschlägigen Bestimmungen des Gewerbegesetzes als unstatthaft erklärt wird.
Die beiden legten Widerspruch ein, erzielten aber keine Aufhebung des Beschlusses.171 Schelter172 hatte in Burgfarrnbach als Drechsler gelernt, 1860 aber um eine Lizenz als Hornbrillen- und Lorgnetten-Verfertiger beworben, was ihm nach anfänglichem Zögern gewährt wurde. Am 23.05.1865 reichte er ein Gesuch ein, auch als Gastwirt arbeiten zu dürfen: Die gegenwärtige Stockung des Drechslergewerbes und die damit verbundene Geschäftslosigkeit veranlaßt mich, um die Fristungsmittel für mich und meine Ehefrau zu beschaffen, einen anderen Erwerbszweig zu ergreifen und habe ich mir als solchen die Führung einer Gastwirtschaft ausersehen.
Der Antrag wurde im August 1865 abschlägig beschieden, da sein Haus in der Geleitsgasse 4 dafür nicht geeignet sei.173 Dieser Marcus Schelter ist im Fürther Adressbuch von 1867 als Hornbrillen-Verfertiger in der Geleitsgasse 11 (ab 1890 Geleitsgasse 4) verzeichnet.174 In diesem Haus betrieb Stockert ab 1865 seine Gaststätte.175 Im Oktober 1865 schaltete Schelter die Anzeige, dass „mehrere solide Herren“ bei ihm Schlafstellen in der Geleitsgasse erhalten könnten.176 Seine Gaststätte hat er so auch ohne Erlaubnis betrieben. Nur 40 Jahre alt geworden starb Schelter am 8. November 1871. Sein Beispiel zeigt, dass Stockert beileibe nicht der Einzige war, der zur Absicherung seines Lebensunterhalts neben seinem eigentlichen Gewerbe noch eine Gaststätte oder eine Bierwirtschaft führte. Am 11. Juli 1871 erschien im Fränkischen Kurier eine Anzeige und Empfehlung von Stockert: 168
Stadtarchiv Fürth: Fach 171 Nr. 6, Bl. 88. Stadtarchiv Fürth: Fach 18a / S 116, 14.06.1860. 170 Fürther Tagblatt vom 19.01.1866. 171 Fürther Tagblatt vom 04.05.1866. Hier wurde Schelter als Drechslermeister bezeichnet. 172 Zu Schelter siehe Stadtarchiv Fürth: Fach 18a / S 461. 173 Schelter und Johann Georg Eckstein war die jeweilige Bewerbung um eine Gaststättenkonzession abgeschlagen worden, „da der von denselben versuchte Nachweis über das Vorhandensein der nöthigen Räumlichkeiten zum Beherbergen Fremder als nicht genügend erachtet wird,“ Fürther Tagblatt vom 19.08.1865. 174 Hausnummern-Verzeichniß der Stadt Fürth mit Zugrundelegung der Distrikts-Eintheilung nebst Namens= und Straßen=Register. Fürth: Julius Volkhart 1867, S. 6. 175 Vgl. z.B. Stockerts Einladung in seine Gaststätte, unterschrieben mit „Christoph Stockert im Hause des Hrn. Schelter, Geleitsgasse 11“, Fürther Tagblatt vom 30.09.1865. 176 Fürther Tagblatt vom 28.10.1865. 169
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