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Dienstag, 30. April 1968 Die Gartenkolonie am Scherbsgraben war eigentlich als Dauereinrichtung vorgesehen gewesen. Jetzt aber kündigte die Stadt den Kleingärtnern. In 19 vorangegangenen Jahren schufen die Parzellenpächter aus der ehemaligen Sandwüste eine Oase der Ruhe und Erholung. Aber die Stadt blieb hart. Man wollte die Auflösung zugunsten einer Wohnsiedlung mit gemischter Bebauung. Die Kleingärtner wollten ihre Parzellen aber erst dann räumen, wenn zumutbares Ersatzland zur Verfügung stand. Von 56 Mitgliedern der Kolonie wollten 48 wieder einen eigenen Garten haben. Das Helene-Lange-Gymnasium rief zum Elternunterricht über Sexualpädagogik. Es bleibe in erster Linie den Eltern überlassen, ihre Kinder selbst aufzuklären. Die Schule würde dazu unterstützend in den Fächern Biologie und Religion tätig werden. (Hoffentlich ohne Hausaufgaben!) Man riet den Eltern, angesichts der frühen Geschlechtsreife nicht zu lange mit der geschlechtlichen Erziehung zu warten. Vor schwacher Besucherkulisse zog der "Stadtverein Hardhöhe" eine stolze Bilanz: Man zählte nun 2623 Mitglieder, kümmerte sich überparteilich und unabhängig um Altenbetreuung und Kappenabende, unterstützte Kinderreiche und veranstaltete jährlich ein riesiges Sommerspektakel. Für das nächste Fest sollte das Bierzelt (Platz für 4500 Personen) noch größer werden und einen Abzug erhalten. Bestand nicht die Gefahr, das bereits Maximale zu überziehen? Mittwoch 1. Mai 1968 Neben der mehrmonatigen Straßensperre erlebten die Bewohner der unteren Königstraße eine weitere "Bescherung". Eine 30 cm starke Hauptleitung des Wasserversorgungsnetzes platzte und der Inhalt ergoss sich in die Baugruben. Die Bewohner waren einen Tag ohne Wasser, die Straßenbahn konnte nicht fahren, die Bauarbeiter mussten ihre Arbeiten einstellen. Die Feuerwehr legte behelfsmäßige Versorgungsleitungen. Erst in den Abendstunden kehrte die Normalität zurück. Die Stadt gab zum 1. Mai wie jedes Jahr einen Empfang. Führende Vertreter aus Industrie, Gewerkschaft, Landtag und natürlich Stadtrat eilten zum ausführlichen Gespräch ins "Schwarze Kreuz". Mit viel Argumenten warb OB Kurt Scherzer um Verständnis für die Etatverabschiedung, die Steuererhöhungen und den Schlosskauf in Burgfarrnbach. Das Gespräch ist das wichtigste Mittel einer wohlverstandenen Demokratie, besonders wenn dazu ein gutes Abendessen gereicht wird. Freitag, 3. Mai 1968 Der "Black-Bottom-Club" im Weißengarten holte sich Disc-Jockey Carl Shell vom amerikanischen Soldatensender AFN. Dieser servierte charmant "hot", "sweet" und sehr viel "beat". Der BBC, ein Ableger der Tanzschule Manfred Streng, wurde am 2. Januar 1965 ins Leben gerufen. Man wollte von Anfang an mehr sein als ein üblicher Tanzverein. Die Mitglieder veranstalteten Vorträge, Filmvorführungen, Tanzabende, Faschingsbälle und organisierte Riverboat-Shuffles. Die Tagesordnung für die Stadtratssitzung sah furchterregend lang aus - doch die eigentliche Sitzung war kurz. 13 Programm-Punkte und zwei Nachträge regten die Stadträte zu keinen längeren Debatten an. Wichtigstes Ergebnis: 1,52 Mio DM für den Baubeginn bei der städtischen Real- und Handelsschule wurden jetzt freigegeben. Im Filmprogramm zum Monatsbeginn u.a.: "Feuer frei auf Frankie" mit Joachim Fuchsberger (Admiral), "Der Lügner und die Nonne" mit Heidelinde Weis und Curt Jürgens (Bambi), "Western Jack" mit Tony Antony (Park) und "Engelchen oder die Jungfrau von Bamberg" mit Gila von Weitershausen und Uli Koch (City). Samstag, 4. Mai 1968 In der Erlanger Universitätsklinik starb der Fürther Amateur-Fußballspieler Dieter Siebenkäs an den Folgen eines erlittenen schweren Sportunfalls vom 31. März. Wundstarrkrampf setzte dem jungen Leben ein Ende. Das Talent war auch schon sporadisch in der Vertragsspielermannschaft der SpVgg eingesetzt worden. Für den Bau der neuen Kinderklinik musste die Stadt überraschend ein weiteres Darlehen in Höhe von 2,5 Mio DM aufnehmen. Montag, 6. Mai 1968 "Miss Germany" 1968 kam aus Franken. Die 20-jährige Lilian Atterer aus Forchheim wurde im Münchner "Bayerischen Hof" auf den Thron gehoben. Die rothaarige Tochter eines Restaurantbesitzers studierte Gesang am städtischen Konservatorium Nürnberg. Sie nahm später an der Wahl zur "Miss Universum" in den USA teil. Der Nürnberger Wirtschaftsreferent Dr. Geer sprach bei "Alt Fürth" über den künftigen "Rhein-Main-Donau-Kanal". Die konservativ geprägte Zuhörerschar, die gewaltige Einschnitte ins Landschaftsbild fürchtete, war nur schwer von diesem Projekt zu überzeugen, obwohl der Referent darauf hinwies, dass der Kanal letztendlich dem Steuerzahler keinen Pfennig kosten würde. Frachtgebühren und vor allem die Erträge aus einer ganzen Kette von Kraftwerken finanzierten schließlich den gesamten Bau.

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