Aus: Fürth 1969 - Fürther Geschichtswerkstatt - Bearbeitet von Gert Kuntermann - Gekürzt von Bernd Jesussek für FürthWiki – 1.1.2025 Donnerstag, 2. Januar 1969 Bittere Kälte und Schneetreiben sorgten dafür, dass sich die Fürther Silvesterfeiern „im Saale“ abspielten. Bis kurz vor Mitternacht wirkte die Stadt wie ausgestorben, erst vor dem Jahreswechsel rannten die Amateurfeuerwerker auf die Straße. Der tiefe Schnee ließ viele Feuerwerkskörper nicht explodieren. Die Polizei musste einige auf dem Gehsteig liegende Betrunkene vor dem Erfrierungstod retten. Die beiden Kommandeure der US-Streitkräfte, Brigadegeneral Kogstad und Oberst Field, schüttelten beim Neujahrsempfang rund tausend Hände und wünschten ein „glückliches neues Jahr“. Danach parlierten die Geladenen, darunter auch OB Kurt Scherzer und Senator Karl Hauptmannl, bei Whisky und Cocktails mit ihren amerikanischen Gastgebern. Die Nürnberger Bratwürstchen wurden am Zahnstocher serviert. Der Welt berühmtester Herzpatient, der Kapstädter Zahnarzt Philip Blaiberg, feierte in Südafrika den zweiten Geburtstag mit einem zweiten Herzen. Am 2. Januar 1968 hatte ihm Prof. Christian Barnard ein neues Herz eingepflanzt. Weltweit waren jetzt 104 Herztransplantationen vorgenommen worden. Freitag, 3. Januar 1969 Nach den gewaltigen Schneefällen der letzten Tage herrschte in ganz Nordbayern jetzt Hochwasseralarm. Tauwetter machte die Nebenstraßen unpassierbar. In Stadt und Land brach der Verkehr zusammen, durch die Schneeschmelze wurden viele Straßen glatt und gefährlich. Die Stadt Fürth rief die Bevölkerung zum freiwilligen Schneeräumen auf. Es sollten vor allem die Straßenrinnen und Gullys freigehalten werden, damit bei einsetzendem Tauwetter das Wasser ablaufen konnte. Ein Nahverkehrszug aus Markt Erlbach blieb im Schnee stecken. Eine stabile Geburtenrate sowie ständiger Zuzug von Gastarbeitern und Flüchtlingen ließen die Wohnungsmieten in der Bundesrepublik durchschnittlich um 10% innerhalb eines Jahres steigen. Die gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften Fürths erwarteten für den hiesigen Stadtbereich noch größere Steigerungen, da die Stadt Fürth die Grundsteuer sowie die Kanalbenützungsgebühren erst kürzlich deutlich erhöht hatte. Straßenbahnkunden fanden am ab Januar beim Einstieg ein rotes „K“, im Inneren ein Steckschild mit der Aufschrift „Kasse beim Fahrer“. Dies bedeutete, dass in diesem Zug kein Schaffner mitfuhr. Fahrkarten musste man ab sofort beim Fahrer kaufen. Durch den schaffnerlosen Betrieb konnten bei den Großraum-Triebwagen 225 Arbeitskräfte und bei den Beiwagen nochmals 200 Arbeitskräfte eingespart werden. Durch die ab Januar auf 43 Stunden verkürzte Arbeitszeit wurden diese Einsparungen aber zum größten Teil wieder aufgezehrt. Im Filmprogramm zum Monatsbeginn u.a.: „Shamango – der Rächer bin ich“ mit Anthony Steffen (Park), „Doktor Schiwago“ mit Omar Sharif (Admiral), „Das Dschungelbuch“ nach Walt Disney (Bambi) und „Zum Teufel mit der Penne“ mit Uschi Glas, Peter Alexander und Hansi Kraus (City). Samstag, 4. Januar 1969 Für die seit Jahren geplante Altstadtsanierung im Gebiet „Gänsberg“ hatte die Stadt Fürth zwar ihre Bedarfsmeldung für die Mittel von Bund und Land termingemäß vorgelegt, sie konnte jedoch nicht als ausreichende Unterlage für eine Mittelgewährung angesehen werden. Dies teilte das bayerische Innenministerium der Stadt mit. Die Kommune musste also nach mehreren Dienstbesprechungen in München ihre Unterlagen nachbessern und erneut einreichen. Fürths Polizeibeamte wurden mit dem zwölfseitigen neuen „Bußgeldkatalog“ ausgestattet. Die „Preise“ der ausgeweiteten Liste der Ordnungswidrigkeiten waren ordentlich gestiegen. Die Deutschen, ein Volk von Vorbestraften? Die Polizisten durften ab Januar 1969 nicht mehr bar kassieren, sondern nur noch einen ausgefüllten Zahlschein überreichen. Die peinlichen Geldgeschäfte am Straßenrand entfielen. Ein Überschreiten der Höchstgeschwindigkeit um mehr als 20 km/h kostete z.B. jetzt 60 DM, ein Überschreiten der Parkzeit um mehr als sechs Stunden an der Parkuhr 100 DM, eine Missachtung des Rotlichts 60 DM oder Schneiden beim Überholvorgang 80 DM. Im Fürther Stadttheater stellten jetzt die Maler Hans Graf, Rudolf Winkelmeier und Günther Zink ihre Werke aus. Dienstag, 7. Januar 1969 In Nürnberg lief Albee`s Stück „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ seit zwei Jahren. Jetzt kam das Stück auch ins Fürther Stadttheater. Doch die Fürther hatten wahrscheinlich doch Angst vor dem „Woolf“, denn fast alle Plätze blieben leer. Lag es an intellektueller Interesselosigkeit oder hatten die meisten in Frage kommenden Fürther schon die Nürnberger Aufführungen besucht? Nach Preußens Gloria erscholl es im Chor „Gaudeamus Igitur“ und an allen Ecken knisterte es nach Farbentradition. Die „Alemannia Fürth“ feierte im Grünen Baum das 60. Stiftungsfest mit einem Kommers. Man
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